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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0318
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4. Monastische Konstruktion eines bischöflichen Fehlverhaltens

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genklöstern, Klöstern, die vom Bischof gegründet worden sind oder die von
Bischöfen reformiert wurden 1339 Viten und Mirakelbücher konnten durch
Aufträge von Bischöfen oder von Äbten an ihre Mönche entstehen. Im monas-
tischen Umfeld anzusiedelnde Bischofsviten entstanden alle in Klöstern, die
zugleich Stiftungen und Grablegen derjenigen Bischöfe waren, deren Leben er-
zählt werden sollte1340.
Aber neben den bischöflichen Miracula mit ihrer eindeutigen Ausrichtung
spielen Bischöfe und ihr Handeln auch in „bischofsfernen" Mirakelsammlungen
aus den um Exemtion bemühten monastischen Reformkreisen eine bedeutende
Rolle. Hier dienten die Mirakel eben nicht dazu, einen Kult zu etablieren, son-
dern vielmehr der Bischofskritik. Franz J. Felten hat bereits in seiner Untersu-
chung zu den Laienäbten der Karolingerzeit auf die Diskrepanz zwischen bi-
schöflicher Selbstsicht und Präsentation bischöflichen und laikalen Verhaltens in
den hagiographischen Quellen aufmerksam gemacht1341.
Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung ist der oben vorgestellte
methodische Ansatz der Vorstellungs- und Mentalitätsgeschichte. Diese Per-
spektive wird um wissenssoziologische Überlegungen erweitert: Welches Wis-
sen über das Bischofsamt kursierte in monastischen Kreisen? Genauer: Welche
Vorstellungen vom Bischofsamt wurden von monastischen Gemeinschaften
selbst — ohne Transfer von bischöflichen Zentren — entwickelt und wie wurden sie
in Texten eingeschrieben? Die Autoren verarbeiteten das Wissen über bischöf-
liches Verhalten, das in einem Konvent mündlich weitergegeben wurde, in ihren
Miracula. Bezugspunkt war die jeweilige Gegenwart, denn der Autor stand in
einer Kommunikationsbeziehung mit seiner zeitgenössischen Zuhörer- bw. Le-
serschaft. Zwischen Text und Gemeinschaft bestand eine ständige Wechselbe-
ziehung; die Texte stehen im Wechselspiel mit der mündlichen Tradition der
klösterlichen Gemeinschaft1342. Die Vergangenheit ist dabei in der Erinnerung
der Gemeinschaft keine abgeschlossene Größe, sondern es war möglich, Ge-
schichte im Nachhinein zu „korrigieren". Dieser Vorgang lässt sich in Mirakel-
berichten gut beobachten, sie bilden die gesellschaftlichen Handlungen und ihre
Interaktion mit dem Heiligen in Vergangenheit und Gegenwart ab1343. Die
Klostergemeinschaften als kommunikative Gemeinschaft und ihre jeweilige
Haltung zum Bischof ist entscheidend. Erzählungen, die in der fernen Vergan-
genheit angesiedelt sind, verweisen auf aktuelle Zustände der Gegenwart. Daher

1339 Haarländer, Vitae Episcoporum, S. 48-57 zu Auftraggebern und Abfassungen von Viten im
monastischen Kontext.

1340 Ebd., S. 50.

1341 Felten, Äbte, bes. S. 55-58.

1342 Vgl. Haarländer, Vitae Episcoporum, S. 6. Diese methodische Prämisse gilt selbstverständlich
nicht nur für hagiographische, sondern ebenso für historiographische Texte. Grundlegend sind
die Forschungen Hanna Vollraths, vgl. etwa Vollrath, Mittelalter in der Typik oraler Gesell-
schaften. Vgl. in Bezug auf Gründungsmythen auch Johnson, Origin myths, der von „audience-
contingence" spricht (S. 164).

1343 Head, Hagiography, S. 136.
 
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