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Breternitz, Patrick; Universität zu Köln [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 12): Königtum und Recht nach dem Dynastiewechsel: das Königskapitular Pippins des Jüngeren — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.74404#0120
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4.1 Die Metrologie des fränkischen Silberdenars

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ist jedoch die Frage, ob Pippin und seinen Großen der für diese Deutung vor-
ausgesetzte Grad an geldtheoretischer Reflexion überhaupt zuzutrauen ist. Dass
generell keine geldtheoretischen Äußerungen aus dem Frühmittelalter bekannt
sind, spricht eher dagegen.
Andere Forscher sehen in Pippins Münzreform keine Wiederherstellung
eines verloren gegangenen Standards, sondern eine bewusste Veränderung des
bisherigen Münzsystems. Eine These lautet, dass der Denar aufgewertet werden
sollte, und zwar nicht als Inflationsausgleich, sondern als gezielte Steigerung
seines Wertes.107 Auch diese These lässt sich aufgrund der unzureichenden
Kenntnis des spätmerowingischen Münzwesens weder beweisen noch wider-
legen. Wenig überzeugend ist jedoch die Interpretation Bernd Kluges, der hinter
dieser Aufwertung eine bewusste Förderung der Kirchen durch Pippin vermu-
tet. Kluge nimmt ebenfalls auf die von Karlmann festgelegten Entschädigungs-
zahlungen von einem Solidus pro Hofstatt pro Jahr Bezug.108 Wenn also die zwölf
Denare pro Hofstatt wertvoller werden, so seine Überlegung, erhöhen sich die
Entschädigungszahlungen insgesamt. Für ihn ist die Münzreform daher eine
indirekte Erhöhung dieser Kompensationsleistungen an die Kirche, ohne dass
die Zahl der zu zahlenden Denare offiziell erhöht worden wäre. Eine solche
verdeckte Erhöhung mutet recht modern an, und Kluges Überlegungen wirken
schnell anachronistisch. Noch unwahrscheinlicher werden sie, wenn der Teil-
nehmerkreis der Versammlung berücksichtigt wird, dessen Beschlüsse das Kö-
nigskapitular verkündet. Aufgrund der weltlichen Themen ist, wie gezeigt
wurde, davon auszugehen, dass die Versammlung nicht nur von geistlichen,
sondern auch von weltlichen Großen besucht wurde. Diejenigen, die die Zah-
lungen an die Kirchen leisten mussten, saßen also mit am Tisch, als über die
Münzreform beraten wurde. Die Vorstellung, dass sie sich dafür stark machten,
ihre Zahlungen verdeckt zu erhöhen, ist nicht sehr überzeugend.109

107 Vgl. beispielsweise Gariel, Monnaies royales, Bd. 1, S. 21; Suhle, Deutsche Münzen, S. 19; De-
vroey, Activite, S. 181 f.

108 Vgl. Kluge, Am Beginn, S. 24 f. Vgl. Karlmanni Principis Capitulare Liptinense c. 2, MGH Capit.
1, Nr. 11, S. 28 Z. 8-15: Statuimus quoque cum consilio servorum Dei et populi Christiani propter
inminentia bella et persecutiones ceterarum gentium, que in circuitu nostro sunt, ut sub precario et censu
aliquam partem aecclesialis pecuniae in adiutorium exercitus nostri cum indulgentia Dei aliquanto
tempore retineamus, ea conditione, ut annis singulis de unaquaque casata solidus, id est duodecim denarii,
ad aecclesiam vel ad monasterium reddatur; eo modo ut, si moriatur ille, cui pecunia commodata fuit,
aecclesia cum propria pecunia revestita sit, et iterum, si necessitas cogat, ut princeps iubeat, precarium
renovetur et rescribatur novum. Zu den in Les Estinnes festgesetzten Entschädigungzahlen vgl.
Glatthaar, Bonifatius, S. 258 f., der diesen Solidus für einen Fünftel des Bodenertrags (Neunt und
Zehnt) hält. Dieser starren Gleichsetzung widersprechen erstens die natürlichen Schwankungen
des Bodenertrags von Jahr zu Jahr, die es unmöglich machen, dass der eine Solidus jedes Jahr
denselben Anteil der Erträge ausmachen kann. Zweitens bezieht sich der Solidus nicht auf die
Summe von Zehnt und Entschädigungszahlung, wie Glatthaar annimmt, sondern allein auf die
Entschädigungszahlung.

109 Dem könnte entgegengehalten werden, dass sich dann natürlich auch die Abgaben an die
weltlichen Großen ebenfalls erhöhen würden. Dies träfe jedoch nur auf die in Geld geleisteten
Abgaben zu und nicht auf die in Naturalien geleisteten Abgaben, so dass die weltlichen Großen
 
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