3.1 Zölle in der urkundlichen Überlieferung
67
scheidung des Hausmeiergerichts zugrunde gelegen haben könnte.13 Heidrich
relativiert ihre Hypothese jedoch zugleich, wenn sie betont, dass die Urkunde
Childeberts III. keine Bestätigungsurkunde sei. Murray betont, dass die Urkunde
lediglich den Konsens Grimoalds zum Ausdruck bringe und kein Urteil.14 An-
ders verhält es sich bei einer Urkunde, die Childebert III. für St-Denis nur einen
Tag nach dem Placitum über die Zölle ausstellte.15 Sie bestätigt ausdrücklich ein
verlorenes Placitum Grimoalds, dass die Mühle in Chaalis dem Kloster St-Denis
gehöre.16 Für Kölzer bezeugt die Urkunde in dem Streit um die Mühle eine
erhöhte rechtssichernde Wirkung der Königsurkunde auch in einer Zeit, in der
die Merowinger bereits sogenannte Schattenkönige gewesen seien.17
Die von Heidrich als Deperditum eingestufte Begebenheit zeigt also ledig-
lich, dass der Hausmeier Grimoald an einem vor dem Gericht Childeberts III.
ausgetragenen Streitfall mit Zollbezug beteiligt war. Ein vorhergehendes Urteil
Grimoalds in der Sache lässt sich nicht nachweisen. Für noch weitergehende
Kompetenzen Grimoalds wie die (beschränkte) Befreiung von Zöllen oder die
Vergabe von Zolleinkünften findet sich in den Quellen kein Hinweis. Auch wenn
die Zahl der überlieferten und echten merowingischen Königsurkunden in der
ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts nicht sehr hoch ist, deuten sie doch einen
interessanten Befund an. Neben dem bereits erwähnten Placitum Childeberts III.
für St-Denis von 70918 ist nur noch eine Urkunde Chilperichs II. für Corbie von
716 überliefert, in der er dem Kloster ältere Urkunden bestätigt, die dem Kloster
Zolleinkünfte in Fos-sur-Mer zusichern.19 Doch lassen sich darüber hinaus auch
einige Deperdita zusammentragen, die die formal königliche Zuständigkeit in
der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts weiter untermauern. Zwischen den Jahren
694 und 711 verlieh Childebert III. die Zollfreiheit für fünf Schiffe und fünf
Wagenladungen an das Kloster St-Calais.20 Chilperich II. übertrug in den Jahren
715-721 dem Bistum Worms die Zolleinkünfte der nach Worms kommenden
Kaufleute, Handwerker und Friesen.21 716 gewährte derselbe König dem Kloster
Corbie eine Zollbefreiung.22 Theuderich IV. schließlich bestätigte dem Bischof
von Reims nicht nur die Immunität, sondern ebenso die Zollbefreiung.23 Eine
genauere Datierung dieser letzten bekannten Merowingerurkunde zu Zollan-
13 Vgl. Heidrich, Urkunden, S. 95.
14 Murray, Fictitious Trial, S. 315: „In fact only mayoral agreement to the consensus of the court is
mentioned — no mayoral hearing, no mayoral judgment. The dispute took place before the royal
tribunal and the language of dispute, claim, and counterclaim is unmistakable. The lengthy
account of the issues and the different claims of the sides read easily enough as genuine litigation.
Again, there are no signs of fictional elements in what is a direct judgment of the tribunal."
15 Vgl. MGH D Merov. 157, Bd. 1, S. 391-393.
16 Vgl. MGH DD Arnulf. Dep. 61, S. 95f.
17 Vgl. Kölzer, Urkunden der Merowinger, Bd. 1, S. 392.
18 Vgl. MGH D Merov. 156, Bd. 1, S. 388-391.
19 Vgl. MGH D Merov. 171, Bd. 1, S. 424-426. Vgl. auch unten Kap. 3.1.2.2.
20 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 350, Bd. 2, S. 643.
21 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 382, Bd. 2, S. 654.
22 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 383, Bd. 2, S. 654.
23 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 387, Bd. 2, S. 656f.
67
scheidung des Hausmeiergerichts zugrunde gelegen haben könnte.13 Heidrich
relativiert ihre Hypothese jedoch zugleich, wenn sie betont, dass die Urkunde
Childeberts III. keine Bestätigungsurkunde sei. Murray betont, dass die Urkunde
lediglich den Konsens Grimoalds zum Ausdruck bringe und kein Urteil.14 An-
ders verhält es sich bei einer Urkunde, die Childebert III. für St-Denis nur einen
Tag nach dem Placitum über die Zölle ausstellte.15 Sie bestätigt ausdrücklich ein
verlorenes Placitum Grimoalds, dass die Mühle in Chaalis dem Kloster St-Denis
gehöre.16 Für Kölzer bezeugt die Urkunde in dem Streit um die Mühle eine
erhöhte rechtssichernde Wirkung der Königsurkunde auch in einer Zeit, in der
die Merowinger bereits sogenannte Schattenkönige gewesen seien.17
Die von Heidrich als Deperditum eingestufte Begebenheit zeigt also ledig-
lich, dass der Hausmeier Grimoald an einem vor dem Gericht Childeberts III.
ausgetragenen Streitfall mit Zollbezug beteiligt war. Ein vorhergehendes Urteil
Grimoalds in der Sache lässt sich nicht nachweisen. Für noch weitergehende
Kompetenzen Grimoalds wie die (beschränkte) Befreiung von Zöllen oder die
Vergabe von Zolleinkünften findet sich in den Quellen kein Hinweis. Auch wenn
die Zahl der überlieferten und echten merowingischen Königsurkunden in der
ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts nicht sehr hoch ist, deuten sie doch einen
interessanten Befund an. Neben dem bereits erwähnten Placitum Childeberts III.
für St-Denis von 70918 ist nur noch eine Urkunde Chilperichs II. für Corbie von
716 überliefert, in der er dem Kloster ältere Urkunden bestätigt, die dem Kloster
Zolleinkünfte in Fos-sur-Mer zusichern.19 Doch lassen sich darüber hinaus auch
einige Deperdita zusammentragen, die die formal königliche Zuständigkeit in
der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts weiter untermauern. Zwischen den Jahren
694 und 711 verlieh Childebert III. die Zollfreiheit für fünf Schiffe und fünf
Wagenladungen an das Kloster St-Calais.20 Chilperich II. übertrug in den Jahren
715-721 dem Bistum Worms die Zolleinkünfte der nach Worms kommenden
Kaufleute, Handwerker und Friesen.21 716 gewährte derselbe König dem Kloster
Corbie eine Zollbefreiung.22 Theuderich IV. schließlich bestätigte dem Bischof
von Reims nicht nur die Immunität, sondern ebenso die Zollbefreiung.23 Eine
genauere Datierung dieser letzten bekannten Merowingerurkunde zu Zollan-
13 Vgl. Heidrich, Urkunden, S. 95.
14 Murray, Fictitious Trial, S. 315: „In fact only mayoral agreement to the consensus of the court is
mentioned — no mayoral hearing, no mayoral judgment. The dispute took place before the royal
tribunal and the language of dispute, claim, and counterclaim is unmistakable. The lengthy
account of the issues and the different claims of the sides read easily enough as genuine litigation.
Again, there are no signs of fictional elements in what is a direct judgment of the tribunal."
15 Vgl. MGH D Merov. 157, Bd. 1, S. 391-393.
16 Vgl. MGH DD Arnulf. Dep. 61, S. 95f.
17 Vgl. Kölzer, Urkunden der Merowinger, Bd. 1, S. 392.
18 Vgl. MGH D Merov. 156, Bd. 1, S. 388-391.
19 Vgl. MGH D Merov. 171, Bd. 1, S. 424-426. Vgl. auch unten Kap. 3.1.2.2.
20 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 350, Bd. 2, S. 643.
21 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 382, Bd. 2, S. 654.
22 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 383, Bd. 2, S. 654.
23 Vgl. MGH DD Merov. Dep. 387, Bd. 2, S. 656f.