Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Trump, Dominik; Universität zu Köln [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 13): Römisches Recht im Karolingerreich: Studien zur Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte der Epitome Aegidii — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74405#0157
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
156

5. Rechtspflege

5.1.1 Kapitel 6 (Immunitäten)
Das sechste Kapitel des Königskapitulars behandelt die Immunitäten. 755 wurde
Kapitel 6 des Königskapitulars auf dem Konzil von Ver bestätigt. Auch in spä-
teren Kapitularien sind die Immunitäten und der Umgang mit ihnen immer
wieder Thema.
Mit lediglich vier Worten bildet Kapitel 6 den kürzesten Beschluss des gan-
zen Kapitulars: Ut emunitates conservatae sint.4 Die Schreibung emunitas für im-
muiiitas braucht nicht zu verwundern. Denn sie dominiert generell in den Ur-
kunden vor Ludwig dem Frommen, wie schon Edmund Stengel feststellte.5
Auch wenn die Urkunden ein anderes Bild nahelegen,6 war die Verleihung
von Immunitäten in fränkischer Zeit kein Privileg, das ausschließlich kirchlichen
Empfängern zu Teil wurde. Immunitätsverleihungen an weltliche Empfänger
hatten wie die gesamte Überlieferung für weltliche Empfänger eine deutlich
schlechtere Überlieferungschance. Aus Formularsammlungen lässt sich aber
zeigen, dass auch weltliche Empfänger in den Genuss von Immunitäten gelan-
gen konnten.7 Zwar gehen die frühmittelalterlichen Immunitäten auf spätantike
Vorbilder zurück, doch sind signifikante Entwicklungen zwischen Immunitäten
in der Spätantike und im 8. Jahrhundert zu verzeichnen. Während Immuni-
tätsverleihungen an kirchliche Empfänger im 6. Jahrhundert fast ausschließlich
die Befreiung von Steuerleistungen bedeuteten, zielten die Immunitätsverlei-
hungen im 7. Jahrhundert bereits mehr auf die Befreiung von der durch könig-
liche Amtsträger ausgeübten Gerichtsbarkeit.8 Wann in merowingischer Zeit
dieses sogenannte Introitus-Verbot für königliche Richter aufkam, ist in der
Forschung umstritten.9 Die Frage nach dem Anfang braucht hier nicht weiter
verfolgt zu werden, weil das Introitus-Verbot im 8. Jahrhundert fester Bestand-
teil, wenn nicht Hauptzweck der Immunitätsverleihungen ist.
Auch wenn recht deutlich ist, was Immunität in der Mitte des 8. Jahrhunderts
bedeutet, ermöglicht die Bedeutungsbreite des Wortes immunitas doch zwei
verschiedene Interpretationen des kurzen Satzes im Königskapitular. Einerseits
kann immunitas als Immunitätsprivileg aufgefasst werden. Dann würde das
Kapitular pauschal ältere Immunitätsprivilegien bzw. -Verleihungen bestätigen.
Andererseits kann immunitas hier auch ganz konkret als Immunitätsbezirk ver-
standen werden. Dann würde das Kapitular zur Beachtung der Immunitätsbe-
zirke auffordern. Beide Interpretationen ließen sich im Kontext des Königska-
pitulars verorten. Sowohl, dass Pippin pauschal Immunitätsverleihungen der
Merowinger bestätigen und damit Rechtssicherheit herstellen wollte, als auch,
dass Pippin die Beachtung der Immunitäten in der Praxis verbessern wollte,

4 Pippini regis capitulare c. 6, in: MGH Capit. 1, Nr. 13, S. 32 Z. 15.

5 Vgl. Stengel, Immunität, S. 528 f.

6 Vgl. die Übersicht der Immunitätsurkunden bis 840 bei Kroell, L'immunite, S. 333-359.

7 Formulae Marculfi I 14, I 17, in: MGH Form., S. 52f., S. 54f.

8 Vgl. Esders, Rechtstradition, S. 236-241.

9 Vgl. Brühl, Immunität; Murray, Immunity Revisited; Willoweit, Immunität.
 
Annotationen