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Leonardo; Ludwig, Heinrich [Editor]
Das Buch von der Malerei: nach dem Codex Vaticanus 1270 — Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 18: Wien: Braumüller, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.73085#0037
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WETTSTREIT ZWISCHEN MALEREI UND POESIE. l3

sie nicht mehr, noch irgend Eines ihrer Dinge, und solch' ein
Leben ist eine Schwester des Todes.
24. Vom Auge. Nr. 16.
Das Auge, mittelst dessen von den Betrachtern die Schön-
heit der Welt widergespiegelt wird, ist von solch' hoher Aus-
zeichnung, dass, wer in seinen Verlust einwilligt, sich der Vor-
stellung aller Werke der Natur beraubt, um deren Schau
willen die Seele zufrieden in ihrem Menschenkerker ausharrt,
Dank den Augen, durch die sie sich alle die verschiedenen Dinge
der Natur vergegenwärtigt und ansichtig macht. Wer aber die
Augen verliert, der lässt seine Seele in einem dunklen Gefäng-
niss, wo jede Hoffnung dahin ist, die Sonne, das Licht der
ganzen Welt, je wieder zu schauen. Wie viele gibt es, denen
die Dunkelheit der Nacht im höchsten Grade verhasst ist, und
die ist doch noch von kurzer Dauer; o, was würden diese an-
fangen, wenn solche Dunkelheit die Begleiterin ihres Lebens
würde ?
Sicher, es gibt Niemanden, der nicht lieber Gehör und
Geruch verlieren möchte, als das Auge, obwohl des Gehörs
Einbusse auch die Einwilligung zum Verlust aller in Reden
ausgehenden Wissenschaften in sich schliesst. Und er thut dies
nur, um nicht der Schönheit der Welt verlustig zu gehen, die
in den Flächen der Körper ihren Sitz hat, sowohl der zufälligen
als von Natur geschaffenen, 1 die in's menschliche Auge reflectirt
werden.
Fascikel 3.
Wettstreit zwischen Malerei und Poesie.
2. Beispiel (oder Gleichniss) und (zwar für den) Unter- Nr. 17.
schied zwischen Malerei und Dichtkunst.
Von der Einbildung zur Wirklichkeit ist gerade solch' ein
Abstandsverhältniss, wie vom Schatten zum schattenwerfenden
Körper, und dasselbe Verhältniss besteht zwischen der Poesie
und Malerei. Denn die Poesie legt ihre Dinge in die Imagination
der Schriftzeichen nieder; die Malerei aber gibt die ihrigen so
von sich, dass sie wirklich aussen vor dem Auge stehen, von
 
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