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die
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laſ⸗
die
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nach in den Oienſt dieſer Kegie geſtelt vorden An ſo einem Bre-
mierenabend raſſelt das gange Haus hinter der Claque herleuchend
nach jeder Nummer Donnerapplauſe herunter, „erzwingt mit
— Magen noch um elf Uhr nachts Wiederholung auf
Wiedetholung; die Leute werden künſtlich in eine Art Applaudier⸗
manie hineingehetzt, der pfiffige Manager lacht ſich ins Jäuſtchen
und der Reporter tonſtatiert ergebenſt ungeheuren Erfolg, zahl⸗
reiche Hervorrufe, drei⸗ und vierfache Wiederholungen uſw. Auf
der Bühne haben ſich bei der letzten Beifallseruption der wie beſeſ⸗
ſen brüllenden Menge gezeigt: der Direttor, der Regiſſeur, die
Darſteller die zwei oder mehr „Dichter“, der Schneider, der Be⸗
leuchter, der Perückenmacher, der Pelzlieferant, und ein wenig zur
Seite gedrückt auch der Komponiſt. Die beiden Darſtellerinnen —
es aibt immer nur zwei nach dem Oberettenkanon — haben noch
nicht dageweſene Toiletten aus dem und dem Salon (genaue
Adreſſe auf dem Theaterzettel, auf der Lichtreklame im Zwiſchen⸗
alt) getragen, der Tenor, der natürlich mindeſtens ein Graf war,
hat eine Uniform angehabt, vor deren Leuchten den armen Mä—⸗
deln die Augen übergehen, der Komiter hat eine ganz neue Art von
Trottel gegeben und iſt zum Schluß auf ſeinem eigenen Zylinder
kopfgeſtanden, einer Choriſtin hat man die Haut abgezogen, weil
bloß einfach nackt nicht mehr zieht, und als noch nicht geſehenen
Trick hat man ein dreſſiertes Krokodil einen Shimmy tanzen laſſen.
Die armen Choriſten in ihren ſchlotternden Iracks haben unermüd-
lich Champagnerglãſer geſchwungen, zu den Syntopen der For⸗
trotts ihren mageren KXörper verrentt, die Choriſtinnen haben her⸗
gezeigt was nur immer herzuzeigen war, auf der Bühne hat es
eine Mondnacht gegeben, die lichter war als ein Vormittag in der
Sahara, einen Wald hat man geſehen, durch deſſen Zweige ſich
SGiühlampenguirlanden flochten, ein wirtbiches Automobil iſt uber
die Szene gefahren und der Komiter hat unter Beifallsdonner
fünfmal nachetnander die Hoſen verloren.
Das waͤre die Premiere und ihre Regie. Nun ſetzt der Direl⸗
tor ein. Die Operette muß mindeſtens zweihundertmal gehen, das
heißt ſieben lange Monde allabendlich heruntergeſpielt werden.
Zas verlangt das Geſchaͤft und das wird durchgehalten. Ob nun
Leute hineingehen oder nicht. Nach der hundertſten Aufführung,
die wieder mit allem Klimbim gefeiert wird, kommen ſie ſchon, weil
ſie den Namen der neuen Oberette einfach immer und immer wie⸗
der geleſen haben, weil die Retlame tätig war, ihn den Leuten im⸗
mer wieder in die Ohren zu ſchreien, ſo daß die Menſchheit ſchlteßz⸗
lich in einer Art ſomnambulem Zuſtande dem Theater zuwantt wie
die Affen der Pythonſchlange.
Daz iſt die bewundernswerte Kunſt des Operettenbetriebes ge⸗
weſen, daß er dem Publitum einfach das eigene Denken eStamıo-
tiert hat. Wenn, waͤs aͤußerſt ſelten iſt, eine Operette —
ſo erzielt ſie noch immer mehr Auffuhrungen als eine ſehr erfolg⸗
reiche Oper, trägt den Autoren mehr ein als eine Serie von Sym⸗
vhonie⸗Erfolgen.
Ueber der Oper, der Symphonie, wachen die ſchärfften Kunfte
richter mit den geſchliffenen Schwertern. Die neue Oper muß acht
bis zehn Dage auf ihre zweite, ein paar Wochen auf ihre dritte und
vierte, Monate auf ihre fünfte Wiederholung warten; die Operette
— — ſchon bei der Seburt mif. „Bioß“ fünfzig Auf⸗
führungen ſind ein eklatanter Durchfall. Der Verleger einer Oper
druckt einen toſtſpieligen Klavierauszug, der Operettenverleger
läßt Tauſende von Einzelnummern in die Welt hmausflattern.
Nun zu den Vorzügen der Operette. Dieſe hat vor allem das
geſprochene Wort für alles, was zur Handlung gehört. Dieſe
Handlung iſt darum allgemein verſtändlich. In der Oper iſt ſie
meiſtens — weil die meiſten Sänger leinen Text aus ·
ſprechen koͤnnen
Die Operette arbeitet mit einem kieinen Orcheſter Schauſpie⸗
leriſche Begabungen mit minder ſchallkraͤftigen Stimmitteln koͤnnen
ſich alſo bei thr durchſetzen. Zu den Poſaunen der Oper werden
vor allem Wagentürlaufmacherorgane gebraucht und geſucht. Das
ſteht da wie ein Stock, mit ausdrucksloſen Augen, mit Marionet-
tenbewegungen, und brüllt, brüllt, brüllt. Zu ſeinen Jüßen raſen
hundert Mann auf hundert Inſtrumenten.
Die Oper iſt ſeit Wagner zur Polyphonie verpflichtes und
was ein braver deutſcher Opernkomponiſt iſt, verwendet Nächte
darauf, Stinimen zu flechten und immer mehr zu verflechten, bis
er endlich ein ganzes Mehlwurmhaͤfen von ſich gegenſeitig auf den
Kobf ſteigenden Melodiewürmern beiſammen hat. Dem armen
Zeitgenoſſen, der ſich in dieſem Kaleidoſtov nicht austennt, tritt
der Angſtſchweiß auf die Stirn. Er flüchtet in die Operette, die
eine leicht, natürlich jetzt meiſt allzuleicht verſtändliche Sprache
ſpricht. Was macht ſich der arme Normalmenſch — und ſolche gibt
e5 ja doch noch — aus Quartenattorden, wenn er eigentlich nichta
anderes gehört hat, als daß ſich ein Herr mit ſeinem Hinterteil auf
eine Klaviatur geſetzt hat.
Die Operette iſt die natürliche Reaktion auf die Kunſt an und
für ſich, die ſich fyſtematiſch vom Volke entfernt hat. Je kompli⸗
zierter die ſogenannte ernſte Muſit wird, umſomehr Publitum wird
die Operette haben.
Das iſt ja heute das Geheimnis des Erfolges von Pueeini, daß
er immer verſtaͤndlich bleibt. Für den Kenner iſt das Anhoͤren des
„Triſtan eine Wonne, für den einfachen Menſchen, auch für den
nuſilaltſch normal gebildeten, ſind dieſe fůnf Stunden eine ſchwere
Arbett. Verhehlen wir uns nicht, daß nicht ale Nenſchen gelernie
Kapellmeiſter ſind!
Ein Blick auf den Spielplan der deutſchen Theater zeigt uns,
daß es eigentlich eine deutſche Oper nicht mehr gibt. Die ungehente
Zahl der Operettenaufführungen iſt fur mich nicht erſchreckend ieh
degreife ſie. Ebenſo beareife. id, daß Deutſchland allmonatlicd
— von Lire — für die Verdi- und Puccini-Dpern
an Tantiemen und Verlegeranteilen zahlt. Die Puccin:Opet Unwd
die Operette ſtelen eben das Vublitum nicht vor mufikaliiche: Ikte-
gralrechnungen, vor tomplizierte Praziſionsmechaniten/ die nur fer
Kenner verfiaͤndlich ſind, ſie bleiben bei den : Naturgejegen des
Dreiklangs, der Dreitlangverbindungen, bet den ewig UNADÄNDET-
lichen — Grundgedanken von Tonita und Dominante. Do>-
durch, daß die ernſte Muſit in der Zeitung jetzt auch faſt auSnahms-
198 von Kenuern, von araduierten Muſithiſtoritern, geweſenen oder
werdenden Profeijjoren der allergeheimſten ſchwarzen Tontunit be⸗
ſprochen wud wird die herrſchende Liart pour V’att-Kumnit, mer
weiter in Probleme hineingehetzt. Es gidt Muſttet die etgenilich
ſchon nur noch für eine Handvol Leute auf der Welt Fomporkieren.
Die große Maſſe der Menſchen, die von der Muſit Ireude
haben wil, wendet ſich von dieſer inı Innerſten freudloſen Erberi
mentiertunſt ab und gerät in die Operette Man jage mir ni@t,
daß der Poͤbel ſeine Kunit haben muſie. Gewiß giht es einen Vo⸗
Gel. Er trägt fur mich weit Öfter Frack und Seiderrobe als die
Arbeiterbluſe Ich lenne ihn genau. Aber der lauft Mit. — —
genteil: Sr ſitzt ſehr oft auch in der ernſteſten Aunft mit wahren
Kinnbagenträmpfen der Langeweile, weil ſichs eben gehoͤrt dort
zu ſitzen. Das Volt wil eine ihm verſtaͤndliche Kunit, und da m
eine voltstumiiche Kumft, eine im wahren Sinne populäre : Mnit
nicht geboten wird, ſo flüchtet es in die Operette, die Wnr ader He
leider oft ſtatt vopularer Kunſt Pobeltunſt bietet. 4CM
Wer an den guten Geiſt der Menſchheit olauht wie I, wer
daran glaubt, daß der ſogenannte Pdbel nur einen verſchwuuntt
tieinen Teil der Menſchheit bildet, der — daß wirted
voltstumliche Kunft am Volte ſofort ſeinen ſtarten Rüden nn
— Natürlich iſt das viel ſchwerer, als man — Geſchwol⸗
len, geſchraubt reden iſt viel leichter als naturlich reden Laseiv
fenn iſt Diel leichter als rein bleiben. Aber da die eruſte Kunſt ven
— zu Tag mehr durch — — — — glaude.
— der uniſchwung von einer dem — — Oye
rette hertommen wird. Es handelt ſich vor allem darum daß ſich
die begodten Muſiter — — Dramatitet — das
Hochmütige Naſenrumpfen — — — — —
ginnen, dieſen voltstumlichen Boden zu bebaien Die GHerren
ſollten ein wenig um ſich ſehen und müßten dann bemerten das
fie eigentlich recht allein ſtehen. Lints und rechtẽ und Hinier ihnen
iſt leerer Raum. Das Publikum hat Reißaus genommen. . Wor
ihnen ſitzen allerdings ein paar Doktors mit dicken Grammuatiken
— — das Richtſchwert — — — —
in der Linten... Na, wenn ihnen das genſigt!
Atademiſche Preiſe.
Die phyſitaliſch⸗mathematiſche Klaſſe der Berliner Atademie
der Wiſſenſchaften hat den Profeſſor Dr. Otto Siein an der Uni⸗
verſitãt Hamburg für. ſeine Arbeiten uber den erperimentellen
Nachweis der RichtungsSquantelung im Magnetfeld —
— von 30 000 Mart geehrtt. Oieſelbe Atademie hat dem ——
dozenten Dr. A Gelb in Frankfurt a M. fuͤr ſeine pfychotogiſchen
Analyſen hirnpathologiſcher Fäle einen Ehrenprets von 5000. ME
zuertannt und ein Reiſeſtipendium im Betrage von 7500 ML ausS-
geſchrieben, wofür die Ausgabe eines von dem Bewerbet —
tigten durch Reiſen bedingten archaologiſchen Planes erforderlich
iſt. —
Auf dem Pramienmartt meiner Vaterſtadt wurden fruͤtzer
den — Ziegenbdcten Eichenlaubtrange wmgehängt, an
denen ſie ſich ſatt zu freſſer pflegten. Die Ziegenböge waten alſo
immer noch beſſer daran als die — — — —
ren, die für ihre Preiſe heute noch tein — — —
—
Bücherſchau.
Der die — — — — —
— Dick u. Co. Stuttgart 1923, *
Eindrücken auf den Praktitanten und Lehrling etn. Es fallt hnen
ſchwer all das Neue in ſich zu verarvetien. Nach dem —
und Geſchehenen zu fragen iſt dem — meift fehr ſchtoet/ DA er
manchmal nicht weiß, was er fragen ſoll, ſondern er verlangt zuertt
nach — — — — vorliegende — —
— — ein guter Berater und der — —⏑ In
— — — — — — — —
fremd Insbeſondere — — — — —
empfohlen werden.
2 — — — — — R
— — — — —
Einer Unbekannten.
Von Anton Wildgans.
In dieſem großen Trautigfein,
Das Leben Heißt,
Kann einer fernen Lampe Schein
Oft wie ein liebes SGrüßen ſein.
Von Geiſt zu Geiſt.
Und eines Menſchen Angeſicht,
Das laum man kennt,
Kann rührend ſein wie ein Gedicht
Und troͤſten wie ein leiſes Licht,
Das tief m Dämmern brennt.
Die Zukunft der Geiſtigen.
in. Sol man Eulen nach Athen tragen und immer wieder
{B r die Not der geiſtigen Arbeiter ſprechen, die jedermann rennt,
1 geiftige Arbeit intereffiert? Man ſoll es irogdem mmer wie⸗
] da es ſich darum handelt, Mittel der Abhilſe zu finden und
darrchzuſetzen. In diefem Sinne faßt auch Profeſior WIfrted
Weber von der Univerfität Heidelbere das Problem in emer
Broſchure, die er ſoeben (bet Duncker u. — erſchemen laͤßt,
und man folgt ihm gefeſſelt, ſoviel man auch uber die Irage ſchon
geleſen hat.
Er uͤnterſcheidet zunaͤchſt mit Recht die Arbeit, die mitgei⸗
ſtigen Mitteln ausgeführt wird, von der eigenttichen
geiftigen Arvert die geiſtigen Zwecken dient und den geiſtigen
vintergrund unferes aanzen Daſeins aufbaut. Dieſe edaentliche,
produrktive Geiſtestaͤtigleit iſt, wie er hervorhebt, tmmer ſeeliſche
Entladung geweſen, die nicht auf wirtſchafttiche Ziele
gerichtet iſt. Sie iſt entſtellt und entwertet, wird ſie Geldberuf.
Der Künitler oder Gelehrte, der nach Geld geht, wird ein Lump,
und auch den Schriftſteller, den Journaliſten und Argt, den Rechts⸗
anwalt, für den die Geldfrage eine entſcheidende Roſte ſpielt, halten
wir fiülr gefaͤhrdet. Der Wert dieſer geiſtigen Arbeu fur die Ge⸗
jamitheit iſt nicht verechenbar, nicht meßbar. Sie tann in weiten
Teilen als etwas für das Leben Ueberfluſſiges erſcheinen. Dies
des Lebens anſcheinend auf das Prattiſche einſchraͤnkt.“
Es handelt ſich um das Geſchick einer gansen geiſtigen Sphäre,
die Weber die Bildungsſchicht des ſozialen KörperS nennt Aus
dieſer Schicht waͤchſt der Durchſchnitt der Geiſtesarbeiter hervor,
ſie iſt das erſte Publitum, auf das ſich die geiſtige Arbeit bezteht,
deide hangen zuſammen wie Produzenten und Konſumenten. Eine
ſolche Schicht von Sdeellen hat es in allen Kulturen gegeben. Das
Mandarinentum in China, die Brahmanen in Indien, die gelehrte
Schreiberſchicht im alten Aegypten und in Vorderaſien, mi Mittel⸗
alter die RKlöjter, weiterhin Bjldungstrager aus dem Adel, dem
ſtadtiſchen Patriziat und ſeit dem 12. Jahrhundert die Univerfitäten,
ſie alle erfüllten die aleiche Junttion. Es waͤre ein furchwarer
pſeudo⸗ demotratiſcher Irrtum, zu glauben, eine derartige tultur⸗
tragende Bildunasſchicht wäre heute etwa nicht vorhanden oder zu
entbehren
Der Hochtapitalismus freilich hat ſie langſt gefährdet. „Die
geiſtig gefättigte Atmoſphare des Patristerhauſes von Sol und
Haben“ und der moderne Sroßindujtrielle, der, durch die Berhält-
niffe gezwungen, von morgens bis abends am Telephon Hängt, in
Konferenzen ſteckt und geiſtig daher nach ſeinen Noglichtetten meiſt
taum noch viel mehr Inhalt als ſein Hauptbuch haben kann; das
pietiſtiſch und romantiſch angefüllte Juntertum der Zeit der Ju⸗
gendbriefe Bismarcts und — die um Preiſe und Sefreidezöle
tampfenden Agrarier ſeit den fiebziger und achtziger Jahren. Und
dieſe Entleerung vom Geiſtigen iſt in einer Art von Anſteckung
leider auch auf große Teile des hohen Beamtentum übergeſprungen:
der Geheimrat, der von morgens 9 bis abends 8 Uhr über ſeinen
Atten ſitzt — es ſoll in Deutſchland ſogar derartige Miniſter
geben — tann unmsglich noch in weſentlichem Naße als Fexvient
kulturproduttiv jein, uberhaupt einen ſtarken geiftigen Jattor
bilden “
Jahrgang 1923
Die Modernen Ynutellekrtuellen ſitzen daher oder
faßen vielmehr in anderen Kreifen. Weber prägt für einen
mwichtigem Teil von ihnen den Begriff des „Renten -Jutel
rerttetten tums“ Gemeint ſind Leute, die durch ein Lelcet
denes Bermögen eine gewiſſe Daſeinsſicherung beſaßen, ia —
aber noch Sintommen aus Berufsarbeit brauchten, für die ſie ſich
jedoch in Ruhe vorbereiten tonnten und auf deren Ertras ſie nicht
ausſchlieblich angewieſen waren. ſo daß ſie innere Freihert
gegenüber der Tyrannei der Berufsſtelluhg behielten. Sie waren
noch die faſt eimige leidlich unabhangige Inſel außerhalb der
Kiajjen- und Intereſſen-Gegenſäxe, ein Aſyl der
uberdtonomiſchen Gedankengänge, die verblieben · Dieſes Renten⸗
Inteuettuellenium iſt jebt aber in den deſiegten Ländern ver
jOwunden, und auch in den Siegerlandern iſt e? erſchuttert
Senigebenuͤber fragt Weber ob es für diejenigen, die noch nicht
an das Ende der modernen Kultur alauben wollen/ noch eine —
ſicht gibt, eine notwendige Bildungsſchicht und damit eine Freiheit
der Seiftigen zu erhalten. Er vej ah t die Frage. Freilich glaubt
er nicht, Da ein neues Renten · Intellettuelenium entſtehen tann/
zumal in Deutichland, wo der wirtſchaftliche Druck fortdauern
wird Aber auch bei den Siegekvoltern hat die ſchrankenloſe 8
ſchaft des Oelonomiſchen, die durch den Krieg hereingebrochen iſt,
— wie eine Eisgeit, in der alle Dinge, ins Rutſchen geraten, in
Gefahr ſind, verſchuttet zu werden — eine tiefe Veraͤnderung des
Reuten Intellettuellentums gegenuber dem Wirtſchaftlichen her⸗
beigefuͤhrt. Die Gefahr der oͤronomiſchen Durchtränkung und
— ialiſierung des Geiſtigen iſt — groß Das alte Renten⸗
Intellettuellentum wird alſo nach Weber aus ſeinen Gräbern nicht
wieder auferſtehen. ;
Die neuwe Schicht der Reichen aber? „WaZ auch in tunfttger
Generation aus ihr hervorwächſt, wird werter ſpetulieren
und weiterhin Geſchaſtsgewinne machen muſſen, um überhaupt 3U
eriſtteren. Dante, Shaleſpeare, Soethe werden. wie heute, auch
tünftig dteſer ſehr dunnen, ſehr geſchaftsverflochtenen neuen Schicht
des letzten Dollarſtandes ſehr gleichgültig jein.“ Leider ſei auch
nicht anzunehmen, daß die alten Reichtums ſchichten, die aarariſche
und induſtrielle, fich aͤndern und in breitem Maße tulturtragende
Elemente hervorbringen werden. Wer irgend weiß wie der Nach⸗
wuchẽ dieſer Schichten, der dieſe Aufgaben nubernehmen müßte,
Heute heranwaͤchſt, der lann das nicht Hoffen.“ Er wirft im be⸗
fonderen einen traurtgen BItiA auf die ſtudentiſchen
Korporationen, die mieiſt nur ſehr beſchräntte Zühluns mit
den geiſtigen Aufgaben der Zeit haben.
Wo ſoll alſo nur der neue Intellettuellen Typ herlommen?
Aus einer weuen MitteliHidt, die bereits entſteht, und die
Weber dieArbeitsa-Intelfettuelten“nennt. Sr meint
Ingenieure, Techniter, Rechtsanwälte, Aerzte, Lehrer, Journaliſten
und aͤhnliche prattiſch geiſtige Berufe, die bleiben werden weit ſie
unentbehrlich ſind. Dazu muß allerdings lommen eine Um ſtel⸗
tung des offentrichen Gerſtes, eine groͤßere Winligfkeit
des Lebens, das Geiſtige zu erhalten. Wie es damit ſteht, mag
das eine Beiſpiel belegen, daß im preußiſchen Etat bis Anfans 1922
das Budget ſich verdreißigtfacht hatte, die Aufwendungen für Kul⸗
turaufgaben aber nur verzehnfacht; ihr Anteil war von 3,6 v. H.
auf 1 v. H. geſunken. Es kommt daher vor allem darauf an, daß
die Arbeiter im Geiſte ſich von vornherein eine doppelte Grund⸗
lage ſichern, eine Ausbildung für freie geiſtige 3weche und
gleichzeitig vr attiſchverwertbareKenntniſſe, die beide
ihrer Art nach möalichſt benachbart ſein müſſen, weil die Vereini⸗
gung ſonſt zu ſchwer durchzuführen wäre. Dem entſpräche —
alſo ein Künftlertyp, der gleichzettig eine HaNDS-
wertsvaſis hat, oder ein Gelehrter, der ſein Können auch
wirtſchaftlich verwerten kann.
So formuliert Weber die Forderung: „Keine freie getfitze
Arbeit außer in Kombination mit einem praktiſchen Wiſſen!“ Wer
ſich erinnert, daß aͤhnliche Forderungen ſchon längſt, aber nicht aus
wirtſchaftlichen, ſondern aus ideellen Gründen geſtellt worden ſins,
namentlich auch für bildende Künſtler und Dichter, wird Weber
zuſtimmen in der Hoffnung, daß ſoſche Lebensnähe auch geiſtig
nützlich werden kann. Dann ſtünde zugleich das ganze Leben dieſer
Arbeits intelleltuellen unter dem Wertprimat des Geiſtigen umd
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mierenabend raſſelt das gange Haus hinter der Claque herleuchend
nach jeder Nummer Donnerapplauſe herunter, „erzwingt mit
— Magen noch um elf Uhr nachts Wiederholung auf
Wiedetholung; die Leute werden künſtlich in eine Art Applaudier⸗
manie hineingehetzt, der pfiffige Manager lacht ſich ins Jäuſtchen
und der Reporter tonſtatiert ergebenſt ungeheuren Erfolg, zahl⸗
reiche Hervorrufe, drei⸗ und vierfache Wiederholungen uſw. Auf
der Bühne haben ſich bei der letzten Beifallseruption der wie beſeſ⸗
ſen brüllenden Menge gezeigt: der Direttor, der Regiſſeur, die
Darſteller die zwei oder mehr „Dichter“, der Schneider, der Be⸗
leuchter, der Perückenmacher, der Pelzlieferant, und ein wenig zur
Seite gedrückt auch der Komponiſt. Die beiden Darſtellerinnen —
es aibt immer nur zwei nach dem Oberettenkanon — haben noch
nicht dageweſene Toiletten aus dem und dem Salon (genaue
Adreſſe auf dem Theaterzettel, auf der Lichtreklame im Zwiſchen⸗
alt) getragen, der Tenor, der natürlich mindeſtens ein Graf war,
hat eine Uniform angehabt, vor deren Leuchten den armen Mä—⸗
deln die Augen übergehen, der Komiter hat eine ganz neue Art von
Trottel gegeben und iſt zum Schluß auf ſeinem eigenen Zylinder
kopfgeſtanden, einer Choriſtin hat man die Haut abgezogen, weil
bloß einfach nackt nicht mehr zieht, und als noch nicht geſehenen
Trick hat man ein dreſſiertes Krokodil einen Shimmy tanzen laſſen.
Die armen Choriſten in ihren ſchlotternden Iracks haben unermüd-
lich Champagnerglãſer geſchwungen, zu den Syntopen der For⸗
trotts ihren mageren KXörper verrentt, die Choriſtinnen haben her⸗
gezeigt was nur immer herzuzeigen war, auf der Bühne hat es
eine Mondnacht gegeben, die lichter war als ein Vormittag in der
Sahara, einen Wald hat man geſehen, durch deſſen Zweige ſich
SGiühlampenguirlanden flochten, ein wirtbiches Automobil iſt uber
die Szene gefahren und der Komiter hat unter Beifallsdonner
fünfmal nachetnander die Hoſen verloren.
Das waͤre die Premiere und ihre Regie. Nun ſetzt der Direl⸗
tor ein. Die Operette muß mindeſtens zweihundertmal gehen, das
heißt ſieben lange Monde allabendlich heruntergeſpielt werden.
Zas verlangt das Geſchaͤft und das wird durchgehalten. Ob nun
Leute hineingehen oder nicht. Nach der hundertſten Aufführung,
die wieder mit allem Klimbim gefeiert wird, kommen ſie ſchon, weil
ſie den Namen der neuen Oberette einfach immer und immer wie⸗
der geleſen haben, weil die Retlame tätig war, ihn den Leuten im⸗
mer wieder in die Ohren zu ſchreien, ſo daß die Menſchheit ſchlteßz⸗
lich in einer Art ſomnambulem Zuſtande dem Theater zuwantt wie
die Affen der Pythonſchlange.
Daz iſt die bewundernswerte Kunſt des Operettenbetriebes ge⸗
weſen, daß er dem Publitum einfach das eigene Denken eStamıo-
tiert hat. Wenn, waͤs aͤußerſt ſelten iſt, eine Operette —
ſo erzielt ſie noch immer mehr Auffuhrungen als eine ſehr erfolg⸗
reiche Oper, trägt den Autoren mehr ein als eine Serie von Sym⸗
vhonie⸗Erfolgen.
Ueber der Oper, der Symphonie, wachen die ſchärfften Kunfte
richter mit den geſchliffenen Schwertern. Die neue Oper muß acht
bis zehn Dage auf ihre zweite, ein paar Wochen auf ihre dritte und
vierte, Monate auf ihre fünfte Wiederholung warten; die Operette
— — ſchon bei der Seburt mif. „Bioß“ fünfzig Auf⸗
führungen ſind ein eklatanter Durchfall. Der Verleger einer Oper
druckt einen toſtſpieligen Klavierauszug, der Operettenverleger
läßt Tauſende von Einzelnummern in die Welt hmausflattern.
Nun zu den Vorzügen der Operette. Dieſe hat vor allem das
geſprochene Wort für alles, was zur Handlung gehört. Dieſe
Handlung iſt darum allgemein verſtändlich. In der Oper iſt ſie
meiſtens — weil die meiſten Sänger leinen Text aus ·
ſprechen koͤnnen
Die Operette arbeitet mit einem kieinen Orcheſter Schauſpie⸗
leriſche Begabungen mit minder ſchallkraͤftigen Stimmitteln koͤnnen
ſich alſo bei thr durchſetzen. Zu den Poſaunen der Oper werden
vor allem Wagentürlaufmacherorgane gebraucht und geſucht. Das
ſteht da wie ein Stock, mit ausdrucksloſen Augen, mit Marionet-
tenbewegungen, und brüllt, brüllt, brüllt. Zu ſeinen Jüßen raſen
hundert Mann auf hundert Inſtrumenten.
Die Oper iſt ſeit Wagner zur Polyphonie verpflichtes und
was ein braver deutſcher Opernkomponiſt iſt, verwendet Nächte
darauf, Stinimen zu flechten und immer mehr zu verflechten, bis
er endlich ein ganzes Mehlwurmhaͤfen von ſich gegenſeitig auf den
Kobf ſteigenden Melodiewürmern beiſammen hat. Dem armen
Zeitgenoſſen, der ſich in dieſem Kaleidoſtov nicht austennt, tritt
der Angſtſchweiß auf die Stirn. Er flüchtet in die Operette, die
eine leicht, natürlich jetzt meiſt allzuleicht verſtändliche Sprache
ſpricht. Was macht ſich der arme Normalmenſch — und ſolche gibt
e5 ja doch noch — aus Quartenattorden, wenn er eigentlich nichta
anderes gehört hat, als daß ſich ein Herr mit ſeinem Hinterteil auf
eine Klaviatur geſetzt hat.
Die Operette iſt die natürliche Reaktion auf die Kunſt an und
für ſich, die ſich fyſtematiſch vom Volke entfernt hat. Je kompli⸗
zierter die ſogenannte ernſte Muſit wird, umſomehr Publitum wird
die Operette haben.
Das iſt ja heute das Geheimnis des Erfolges von Pueeini, daß
er immer verſtaͤndlich bleibt. Für den Kenner iſt das Anhoͤren des
„Triſtan eine Wonne, für den einfachen Menſchen, auch für den
nuſilaltſch normal gebildeten, ſind dieſe fůnf Stunden eine ſchwere
Arbett. Verhehlen wir uns nicht, daß nicht ale Nenſchen gelernie
Kapellmeiſter ſind!
Ein Blick auf den Spielplan der deutſchen Theater zeigt uns,
daß es eigentlich eine deutſche Oper nicht mehr gibt. Die ungehente
Zahl der Operettenaufführungen iſt fur mich nicht erſchreckend ieh
degreife ſie. Ebenſo beareife. id, daß Deutſchland allmonatlicd
— von Lire — für die Verdi- und Puccini-Dpern
an Tantiemen und Verlegeranteilen zahlt. Die Puccin:Opet Unwd
die Operette ſtelen eben das Vublitum nicht vor mufikaliiche: Ikte-
gralrechnungen, vor tomplizierte Praziſionsmechaniten/ die nur fer
Kenner verfiaͤndlich ſind, ſie bleiben bei den : Naturgejegen des
Dreiklangs, der Dreitlangverbindungen, bet den ewig UNADÄNDET-
lichen — Grundgedanken von Tonita und Dominante. Do>-
durch, daß die ernſte Muſit in der Zeitung jetzt auch faſt auSnahms-
198 von Kenuern, von araduierten Muſithiſtoritern, geweſenen oder
werdenden Profeijjoren der allergeheimſten ſchwarzen Tontunit be⸗
ſprochen wud wird die herrſchende Liart pour V’att-Kumnit, mer
weiter in Probleme hineingehetzt. Es gidt Muſttet die etgenilich
ſchon nur noch für eine Handvol Leute auf der Welt Fomporkieren.
Die große Maſſe der Menſchen, die von der Muſit Ireude
haben wil, wendet ſich von dieſer inı Innerſten freudloſen Erberi
mentiertunſt ab und gerät in die Operette Man jage mir ni@t,
daß der Poͤbel ſeine Kunit haben muſie. Gewiß giht es einen Vo⸗
Gel. Er trägt fur mich weit Öfter Frack und Seiderrobe als die
Arbeiterbluſe Ich lenne ihn genau. Aber der lauft Mit. — —
genteil: Sr ſitzt ſehr oft auch in der ernſteſten Aunft mit wahren
Kinnbagenträmpfen der Langeweile, weil ſichs eben gehoͤrt dort
zu ſitzen. Das Volt wil eine ihm verſtaͤndliche Kunit, und da m
eine voltstumiiche Kumft, eine im wahren Sinne populäre : Mnit
nicht geboten wird, ſo flüchtet es in die Operette, die Wnr ader He
leider oft ſtatt vopularer Kunſt Pobeltunſt bietet. 4CM
Wer an den guten Geiſt der Menſchheit olauht wie I, wer
daran glaubt, daß der ſogenannte Pdbel nur einen verſchwuuntt
tieinen Teil der Menſchheit bildet, der — daß wirted
voltstumliche Kunft am Volte ſofort ſeinen ſtarten Rüden nn
— Natürlich iſt das viel ſchwerer, als man — Geſchwol⸗
len, geſchraubt reden iſt viel leichter als naturlich reden Laseiv
fenn iſt Diel leichter als rein bleiben. Aber da die eruſte Kunſt ven
— zu Tag mehr durch — — — — glaude.
— der uniſchwung von einer dem — — Oye
rette hertommen wird. Es handelt ſich vor allem darum daß ſich
die begodten Muſiter — — Dramatitet — das
Hochmütige Naſenrumpfen — — — — —
ginnen, dieſen voltstumlichen Boden zu bebaien Die GHerren
ſollten ein wenig um ſich ſehen und müßten dann bemerten das
fie eigentlich recht allein ſtehen. Lints und rechtẽ und Hinier ihnen
iſt leerer Raum. Das Publikum hat Reißaus genommen. . Wor
ihnen ſitzen allerdings ein paar Doktors mit dicken Grammuatiken
— — das Richtſchwert — — — —
in der Linten... Na, wenn ihnen das genſigt!
Atademiſche Preiſe.
Die phyſitaliſch⸗mathematiſche Klaſſe der Berliner Atademie
der Wiſſenſchaften hat den Profeſſor Dr. Otto Siein an der Uni⸗
verſitãt Hamburg für. ſeine Arbeiten uber den erperimentellen
Nachweis der RichtungsSquantelung im Magnetfeld —
— von 30 000 Mart geehrtt. Oieſelbe Atademie hat dem ——
dozenten Dr. A Gelb in Frankfurt a M. fuͤr ſeine pfychotogiſchen
Analyſen hirnpathologiſcher Fäle einen Ehrenprets von 5000. ME
zuertannt und ein Reiſeſtipendium im Betrage von 7500 ML ausS-
geſchrieben, wofür die Ausgabe eines von dem Bewerbet —
tigten durch Reiſen bedingten archaologiſchen Planes erforderlich
iſt. —
Auf dem Pramienmartt meiner Vaterſtadt wurden fruͤtzer
den — Ziegenbdcten Eichenlaubtrange wmgehängt, an
denen ſie ſich ſatt zu freſſer pflegten. Die Ziegenböge waten alſo
immer noch beſſer daran als die — — — —
ren, die für ihre Preiſe heute noch tein — — —
—
Bücherſchau.
Der die — — — — —
— Dick u. Co. Stuttgart 1923, *
Eindrücken auf den Praktitanten und Lehrling etn. Es fallt hnen
ſchwer all das Neue in ſich zu verarvetien. Nach dem —
und Geſchehenen zu fragen iſt dem — meift fehr ſchtoet/ DA er
manchmal nicht weiß, was er fragen ſoll, ſondern er verlangt zuertt
nach — — — — vorliegende — —
— — ein guter Berater und der — —⏑ In
— — — — — — — —
fremd Insbeſondere — — — — —
empfohlen werden.
2 — — — — — R
— — — — —
Einer Unbekannten.
Von Anton Wildgans.
In dieſem großen Trautigfein,
Das Leben Heißt,
Kann einer fernen Lampe Schein
Oft wie ein liebes SGrüßen ſein.
Von Geiſt zu Geiſt.
Und eines Menſchen Angeſicht,
Das laum man kennt,
Kann rührend ſein wie ein Gedicht
Und troͤſten wie ein leiſes Licht,
Das tief m Dämmern brennt.
Die Zukunft der Geiſtigen.
in. Sol man Eulen nach Athen tragen und immer wieder
{B r die Not der geiſtigen Arbeiter ſprechen, die jedermann rennt,
1 geiftige Arbeit intereffiert? Man ſoll es irogdem mmer wie⸗
] da es ſich darum handelt, Mittel der Abhilſe zu finden und
darrchzuſetzen. In diefem Sinne faßt auch Profeſior WIfrted
Weber von der Univerfität Heidelbere das Problem in emer
Broſchure, die er ſoeben (bet Duncker u. — erſchemen laͤßt,
und man folgt ihm gefeſſelt, ſoviel man auch uber die Irage ſchon
geleſen hat.
Er uͤnterſcheidet zunaͤchſt mit Recht die Arbeit, die mitgei⸗
ſtigen Mitteln ausgeführt wird, von der eigenttichen
geiftigen Arvert die geiſtigen Zwecken dient und den geiſtigen
vintergrund unferes aanzen Daſeins aufbaut. Dieſe edaentliche,
produrktive Geiſtestaͤtigleit iſt, wie er hervorhebt, tmmer ſeeliſche
Entladung geweſen, die nicht auf wirtſchafttiche Ziele
gerichtet iſt. Sie iſt entſtellt und entwertet, wird ſie Geldberuf.
Der Künitler oder Gelehrte, der nach Geld geht, wird ein Lump,
und auch den Schriftſteller, den Journaliſten und Argt, den Rechts⸗
anwalt, für den die Geldfrage eine entſcheidende Roſte ſpielt, halten
wir fiülr gefaͤhrdet. Der Wert dieſer geiſtigen Arbeu fur die Ge⸗
jamitheit iſt nicht verechenbar, nicht meßbar. Sie tann in weiten
Teilen als etwas für das Leben Ueberfluſſiges erſcheinen. Dies
des Lebens anſcheinend auf das Prattiſche einſchraͤnkt.“
Es handelt ſich um das Geſchick einer gansen geiſtigen Sphäre,
die Weber die Bildungsſchicht des ſozialen KörperS nennt Aus
dieſer Schicht waͤchſt der Durchſchnitt der Geiſtesarbeiter hervor,
ſie iſt das erſte Publitum, auf das ſich die geiſtige Arbeit bezteht,
deide hangen zuſammen wie Produzenten und Konſumenten. Eine
ſolche Schicht von Sdeellen hat es in allen Kulturen gegeben. Das
Mandarinentum in China, die Brahmanen in Indien, die gelehrte
Schreiberſchicht im alten Aegypten und in Vorderaſien, mi Mittel⸗
alter die RKlöjter, weiterhin Bjldungstrager aus dem Adel, dem
ſtadtiſchen Patriziat und ſeit dem 12. Jahrhundert die Univerfitäten,
ſie alle erfüllten die aleiche Junttion. Es waͤre ein furchwarer
pſeudo⸗ demotratiſcher Irrtum, zu glauben, eine derartige tultur⸗
tragende Bildunasſchicht wäre heute etwa nicht vorhanden oder zu
entbehren
Der Hochtapitalismus freilich hat ſie langſt gefährdet. „Die
geiſtig gefättigte Atmoſphare des Patristerhauſes von Sol und
Haben“ und der moderne Sroßindujtrielle, der, durch die Berhält-
niffe gezwungen, von morgens bis abends am Telephon Hängt, in
Konferenzen ſteckt und geiſtig daher nach ſeinen Noglichtetten meiſt
taum noch viel mehr Inhalt als ſein Hauptbuch haben kann; das
pietiſtiſch und romantiſch angefüllte Juntertum der Zeit der Ju⸗
gendbriefe Bismarcts und — die um Preiſe und Sefreidezöle
tampfenden Agrarier ſeit den fiebziger und achtziger Jahren. Und
dieſe Entleerung vom Geiſtigen iſt in einer Art von Anſteckung
leider auch auf große Teile des hohen Beamtentum übergeſprungen:
der Geheimrat, der von morgens 9 bis abends 8 Uhr über ſeinen
Atten ſitzt — es ſoll in Deutſchland ſogar derartige Miniſter
geben — tann unmsglich noch in weſentlichem Naße als Fexvient
kulturproduttiv jein, uberhaupt einen ſtarken geiftigen Jattor
bilden “
Jahrgang 1923
Die Modernen Ynutellekrtuellen ſitzen daher oder
faßen vielmehr in anderen Kreifen. Weber prägt für einen
mwichtigem Teil von ihnen den Begriff des „Renten -Jutel
rerttetten tums“ Gemeint ſind Leute, die durch ein Lelcet
denes Bermögen eine gewiſſe Daſeinsſicherung beſaßen, ia —
aber noch Sintommen aus Berufsarbeit brauchten, für die ſie ſich
jedoch in Ruhe vorbereiten tonnten und auf deren Ertras ſie nicht
ausſchlieblich angewieſen waren. ſo daß ſie innere Freihert
gegenüber der Tyrannei der Berufsſtelluhg behielten. Sie waren
noch die faſt eimige leidlich unabhangige Inſel außerhalb der
Kiajjen- und Intereſſen-Gegenſäxe, ein Aſyl der
uberdtonomiſchen Gedankengänge, die verblieben · Dieſes Renten⸗
Inteuettuellenium iſt jebt aber in den deſiegten Ländern ver
jOwunden, und auch in den Siegerlandern iſt e? erſchuttert
Senigebenuͤber fragt Weber ob es für diejenigen, die noch nicht
an das Ende der modernen Kultur alauben wollen/ noch eine —
ſicht gibt, eine notwendige Bildungsſchicht und damit eine Freiheit
der Seiftigen zu erhalten. Er vej ah t die Frage. Freilich glaubt
er nicht, Da ein neues Renten · Intellettuelenium entſtehen tann/
zumal in Deutichland, wo der wirtſchaftliche Druck fortdauern
wird Aber auch bei den Siegekvoltern hat die ſchrankenloſe 8
ſchaft des Oelonomiſchen, die durch den Krieg hereingebrochen iſt,
— wie eine Eisgeit, in der alle Dinge, ins Rutſchen geraten, in
Gefahr ſind, verſchuttet zu werden — eine tiefe Veraͤnderung des
Reuten Intellettuellentums gegenuber dem Wirtſchaftlichen her⸗
beigefuͤhrt. Die Gefahr der oͤronomiſchen Durchtränkung und
— ialiſierung des Geiſtigen iſt — groß Das alte Renten⸗
Intellettuellentum wird alſo nach Weber aus ſeinen Gräbern nicht
wieder auferſtehen. ;
Die neuwe Schicht der Reichen aber? „WaZ auch in tunfttger
Generation aus ihr hervorwächſt, wird werter ſpetulieren
und weiterhin Geſchaſtsgewinne machen muſſen, um überhaupt 3U
eriſtteren. Dante, Shaleſpeare, Soethe werden. wie heute, auch
tünftig dteſer ſehr dunnen, ſehr geſchaftsverflochtenen neuen Schicht
des letzten Dollarſtandes ſehr gleichgültig jein.“ Leider ſei auch
nicht anzunehmen, daß die alten Reichtums ſchichten, die aarariſche
und induſtrielle, fich aͤndern und in breitem Maße tulturtragende
Elemente hervorbringen werden. Wer irgend weiß wie der Nach⸗
wuchẽ dieſer Schichten, der dieſe Aufgaben nubernehmen müßte,
Heute heranwaͤchſt, der lann das nicht Hoffen.“ Er wirft im be⸗
fonderen einen traurtgen BItiA auf die ſtudentiſchen
Korporationen, die mieiſt nur ſehr beſchräntte Zühluns mit
den geiſtigen Aufgaben der Zeit haben.
Wo ſoll alſo nur der neue Intellettuellen Typ herlommen?
Aus einer weuen MitteliHidt, die bereits entſteht, und die
Weber dieArbeitsa-Intelfettuelten“nennt. Sr meint
Ingenieure, Techniter, Rechtsanwälte, Aerzte, Lehrer, Journaliſten
und aͤhnliche prattiſch geiſtige Berufe, die bleiben werden weit ſie
unentbehrlich ſind. Dazu muß allerdings lommen eine Um ſtel⸗
tung des offentrichen Gerſtes, eine groͤßere Winligfkeit
des Lebens, das Geiſtige zu erhalten. Wie es damit ſteht, mag
das eine Beiſpiel belegen, daß im preußiſchen Etat bis Anfans 1922
das Budget ſich verdreißigtfacht hatte, die Aufwendungen für Kul⸗
turaufgaben aber nur verzehnfacht; ihr Anteil war von 3,6 v. H.
auf 1 v. H. geſunken. Es kommt daher vor allem darauf an, daß
die Arbeiter im Geiſte ſich von vornherein eine doppelte Grund⸗
lage ſichern, eine Ausbildung für freie geiſtige 3weche und
gleichzeitig vr attiſchverwertbareKenntniſſe, die beide
ihrer Art nach möalichſt benachbart ſein müſſen, weil die Vereini⸗
gung ſonſt zu ſchwer durchzuführen wäre. Dem entſpräche —
alſo ein Künftlertyp, der gleichzettig eine HaNDS-
wertsvaſis hat, oder ein Gelehrter, der ſein Können auch
wirtſchaftlich verwerten kann.
So formuliert Weber die Forderung: „Keine freie getfitze
Arbeit außer in Kombination mit einem praktiſchen Wiſſen!“ Wer
ſich erinnert, daß aͤhnliche Forderungen ſchon längſt, aber nicht aus
wirtſchaftlichen, ſondern aus ideellen Gründen geſtellt worden ſins,
namentlich auch für bildende Künſtler und Dichter, wird Weber
zuſtimmen in der Hoffnung, daß ſoſche Lebensnähe auch geiſtig
nützlich werden kann. Dann ſtünde zugleich das ganze Leben dieſer
Arbeits intelleltuellen unter dem Wertprimat des Geiſtigen umd