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Der Querschnitt — 7.1927

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Heft 8
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Cracas, Carolus: Kardinal Piffl
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https://doi.org/10.11588/diglit.67280#0890

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KARDINAL PIFFL

Von
CAROL US CRACAS (WIElt)

Bei der Wiener Beethovenfeier, da die österreichische Hauptstadt
nach langer Zeit wieder einmal eine große internationale Gesell-
schaft in ihren Mauern vereinte, zog ein roter Kardinalsmantel die
allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Die Gesandten der fremden
Staaten verneigten sich vor ihm, der gewesene Jakobiner Herriot wie
der Repräsentant des protestantischen Deutschlands, der sozialistische
Bürgermeister Wiens wie der liberale Präsident des Landes. Die
Reverenz galt dem ungekrönten Herrscher des Katholikenlandes, dem
Fürsterzbischof von Wien, Kardinal Piffl.
Im alten Oesterreich führten verschiedene Wege zum fürst-
erzbischöflichen Stuhl: Kardinal Schwarzenberg war ein Kavalier aus
dem alten böhmischen Adelsgeschlecht. Fürsterzbischof Skrbensky kam
von der k. und k. Kavallerie, der Olmützer Erzbischof Dr. Kohn ent-
stammte einer kleinen jüdischen Familie. Kardinal Piffl ist ein Bauern-
sohn aus Oberösterreich, augenblicklich aber einer der wenigen Kirchen-
fürsten auf deutschem Boden, die als „große Kardinäle" anzusprechen
sind. Man hat ihn mit dem Kardinal Ganganelli verglichen, dem späte-
ren Papst Klemens XIV., von dem Josef II. an seine Mutter, die Kaise-
rin Maria Theresia, schrieb, der neue Papst werde <„da und dort viel-
leicht nicht genehm sein", er sei bescheidener Abkunft, ein Bruder des
Papstes sei Tischler, ein Neffe Geigenspieler in den Osterien, aber er
selber „ein Mensch von hohem, geistigem Flug und ein bedeutender Ka-
suist". Kardinal Piffl knüpft sehr gern an diese Zeit an, da Josef II.,
achtundzwanzig Jahre alt, „bescheiden angezogen wie ein gewöhnlicher
Tourist", zum erstenmal nach Rom kam, Museen, Bibliotheken, Kirchen
besuchend und auch die schöne Fürstin Marianne Colonna Este, von der
ein Zeitgenosse sagte: „Questa superba amazone del cor saettatrice".
Hundertfünfzig Jahre bedeuten nichts dem zeitlosen Blick eines Man-
nes, der den Wandel der Dinge als Folge höherer Fügung betrachtet.
Damals verlangten die streng katholischen bourbonischen Höfe die Auf-
hebung des Jesuitenordens. In der Kirche II Gesü, wo der Jesuiten-
general Ricci Josef II. den Silbersarkophag des Heiligen Ignatius zeigte,
fragte der Kaiser den Jesuiten: „Auf welche Weise habt ihr einen so
großen Schatz gesammelt?" „Aus frommen Spenden", gab der Jesuit
zur Antwort. „Sollten nicht auch", bemerkte der Kaiser, „die Profite
in Indien dazu beigetragen haben?" Auch der Wiener Hof war den
Jesuiten nicht hold. Und der Papst schwächer als die Habsburger.
Klemens XIII. mußte der Opposition gegen die Jesuiten nachgeben.

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