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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

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Heft 7
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Marginalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0740

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Jules Pascin

PASCIN UND DIE FRAUEN
Jules Pascin war ein orientalisches Gewächs, auf westeuropäischen Boden ver-
pflanzt, deshalb eigentlich heimatlos. Er arbeitete aus Generationen von Müdig-
keiten, aus einem östlichen „Laissez aller, laissez faire" heraus. Die Dinge laufen
zu lassen, wie sie gehen, und doch die Eindrücke davon immer sprungbereit zu
erhaschen, mit aller Logik zu brechen und doch fiebrig Vorstellungen zu kom-
binieren, war sein eigentliches Spiel, war sein Schaffen. „Pas de philosophie de la
vie", pflegte er zu sagen, die schnürte ihm das Leben ein. Er war kein morali-
sierender Hogarth, eher Rowlandson verwandt, und allen westeuropäischen Ge-
dankenspekulationen fremd.
, Immer wieder betonte er seine Herkunft aus einer anderen Kultur, von der
aus er auch seine Stellung zum Weibe präzisierte, das er sein ganzes Leben hin-
durch verherrlichte oder travestierte. Nichts stand ihm ferner als die west-
europäische sogenannte intellektuelle Frau. Er liebte und suchte beim weiblichen
Geschlecht, wie er selbst sagte, nichts weiter als eine süße Dummheit, eine trieb-
gebundene Einfachheit. Ueber seinen in barocken Schnörkeln geschwungenen Lippen,
über seinen großgezeichneten schweren Gesichtszügen, die zu seinem schmalen,
schwächlichen Körper merkwürdig kontrastierten, lag eine müde, lässig-genießende
Traurigkeit, die in seinen Bildern immer wiederkehrt. Er verwandelte wie ein
Zauberer die kleinen Mädchen und die mädchenhaften Frauen mit sicherer Magie
nach seiner Anschauung. Sie glitten wie von selbst in Pascinsche Stellungen, in
seiner Atelieratmosphäre lagen sie etwas dumpf, ein wenig traurig, vor sich hin-
brütend, auf den Diwans herum. Er malte sie mit zärtlichem Pinsel, und das
Frivole, manchmal Morbide wird durch die seltene Anmut, die er ihnen zu geben
wußte, in eine Sphäre gehoben, in der man an Moral nicht mehr denkt.
Auf seinen früheren graphischen Blättern waren oft phantastische Höllen-

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