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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 10.1930

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Heft 8
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Bacc: Hund ist Hund
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https://doi.org/10.11588/diglit.73550#0831

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ich will nun mal jedes Wesen an seinem natürlichen Ort wissen und finde, daß
Hunde ebensowenig ins Zimmer gehören wie Stachelschweine ins Bett oder
Radieschen in den Bücherschrank. Und junge Negerinnen in Kürassieruniform
sind mir geradezu ein Greuel. Wundervoll sind weidende Fohlen, flatternde
Vögel, wiederkäuende Rinder; wie alle Tiere in ihren natürlichen Funktionen.
Häßlich können nur Menschen sein. Wenn wir die Häßlichkeit der eigenen
Spezies genau verfolgen, so finden wir ihre Ursache nicht im Spiel der Natur,
sondern in deren Abtötung. Ergo ist ein Hund, der „Männchen" macht, ebenso
widerwärtig wie ein Mensch, der „Hündchen" machen würde. Mir ist es z. B.
immer noch sympathischer, wenn Sie, verehrte gnädige Frau, singen, als wenn
Sie . . . bellen. Ein Hund, der „Küßchen gibt", mißfällt mir nicht weniger als
seine Herrin, die sich diese Küßchen geben läßt und gar zurückerstattet. Es ist
ebenso überflüssig, meine Gnädige, daß Sie Ihren Mops oder Foxl küssen, wie
es geradezu absurd ist, ein Dromedar oder einen Schimpansen zu küssen. Sie
werden einwenden, Hunde seien Haus-, in manchen Fällen sogar (horribile dictu !)
Schoßtiere. Das spricht aber keineswegs für die Hunde, die sich dazu haben
degradieren lassen. Wölfen, Iltissen und Stachelschweinen wäre das nicht im
Traum eingefallen. Und sicher wäre so ein kleiner Iltis oder ein Streifenhyänchen
gar kein so übles Spielzeug. Sicher war einmal der deutsche Schäferhund eine
Art reißender Wolf, ehe er ein Wauwau wurde. Damals bekam ihm frisches
Lamm- und Menschenfleisch (von Ihren Herren Ureltern, gnädige Frau!) aus-
gezeichnet, während er jetzt ewige Magenbeschwerden hat und Grießpudding
fressen muß.
Wieviel Hunderassen sind künstlich gezüchtet, verdanken ihre Originalität
und ihren Kurswert (worauf es nämlich letzten Endes doch nur ankommt!) nur
dem Umstand, daß man ihren Ahnen die Beine verbogen oder die Nasen ein-
geschlagen hat. Durch allerlei komplizierte Kreuzungsexperimente hat der Mensch
jene bellenden Salongarnituren geschaffen, die sich von Chesterstangen und Reis
ä la Trautmannsdorff nähren. Diese Tiere haben eine gewisse Ähnlichkeit mit
jenen Menschen, die den Geruch frischer Maiglöckchen nicht vertragen können,
und denen es unmöglich ist, sich zu rasieren, wenn nicht im Nebenzimmer Jack
Smith auf Electrola flüstert. Die Seltenheit hat sie nicht glücklicher gemacht,
den menschlichen Decadent so wenig wie das Palasthündchen.
Wenn ich bei Ihnen zum Tee eingeladen bin, gnädige Frau, so bin ich immer
hinreichend männlichen Geschlechts, nicht nur wegen der Petit-fours zu kommen,
von denen ich doch nicht so viel nehmen kann, wie ich es mir seit meiner frühesten
Jugend wünsche. Also: man redet so drumrum; man legt imaginären Dritten in
den Mund, was man selber nicht gern so direkt sagen möchte, und stichelt mit
absichtlichen Mißverständnissen. Sie waren schon im Begriff, von einer netten
Plauderei über frühgotische Holzplastiken oder über die Vorzüge der Schwing-
achse zu den „Fehlleistungen" Ihrer Freundin Maud überzuleiten, nachdem ich
mir die unerläßlichen psychoanalytischen Übergriffe bereits geleistet habe. Ihre
Gesten, Ihre Stimme, Ihre Augen enthielten das, was man ebenso treffend wie
bequem als das „gewisse Etwas" bezeichnet. Schon drohte der nächste Satz (über
die Freundin Maud) pathetisch und vielversprechend mit „Immerhin" an-
zufangen. Da kam Ihr Pinscher! Und statt des graziösen Übergangs zur großen

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