welche nur durch einen dazu ausgebildeten Menschen geöffnet werden können.
Sie erfinden Flaschen für Zahnwasser, die nur einen Tropfen in 30 Sekunden
hergeben und die, wenn sie einmal geschlossen sind, nie wieder benutzt werden
können; sie erfinden Bleistifte, schwierig wie ein Seismograph, und Federn, für
die ein tüchtiger Mechaniker notwendig ist, und sie umgeben ihre Zeitschriften
mit Umschlägen, die nur der brutalen Gewalt weichen können*).
Sie besitzen auch all die Arroganz der wirklich Tüchtigen. Sie sind stolz auf die
Hindernisse, die sie in die Pfade der andern Menschen werfen. Sie sind sogar
stolz auf ihren offiziellen Fahrplan, eine Statistik, die zu lesen viele Jahre gründ-
lichsten Studiums und einige Kenntnisse in Chemie, Physik und Geometrie
verlangt. Dieses Ding ist besternt und unterbrochen durch kleine Bildchen von
Betten und Messern und Gabeln und Luftschiffen und Messinginstrumenten
musikalischen Ursprungs, Posthörner und merkwürdige Symbole darstellend, die
von den frühesten Pyramiden kopiert sein müssen. Dann gibt es dort Pfeile —
das deutsche offizielle Kursbuch gleicht dem heiligen Sebastian, soweit es sich um
Pfeile handelt. Da findet man Pfeile, die nördlich und südlich und östlich und
westlich weisen, es gibt diagonale Pfeile und runde Pfeile und vielförmige Pfeile.
Da ist die besonders peinigende Form eines Pfeiles, der sich zu sich selbst
zurückwindet und einen rechten Winkel bildet; da ist eine andere Form von
Pfeilen, die von einer Spalte des Fahrplans zur andern laufen. Von allen Pfeilen,
die Unglück bedeuten, ist dieser zwischenlineare der entsetzlichste. Manch ein
wohlmeinender Deutscher wurde durch jenen Pfeil von Berlin nach Baden-
Baden geschickt, wenn sein Herzenswunsch und seine Absicht war, von Berlin
nach Wien zu kommen. Manch ein ängstlicher Deutscher, der von Moskau in den
Schoß seiner ängstlichen Familie zurückkehren wollte, wurde durch jenen Pfeil
so weggeleitet, daß er sich nach dreitägiger anstrengendster Reise in Omsk
befand. Und obwohl sie alle unter der offiziellen Zeiteinteilung der Reichsbahn
leiden, schlägt das große Herz des deutschen Volkes heftiger und stolzer, wenn
es sein Reichskursbuch sieht. Keine andere Nation, so fühlen sie, könnte einen
solchen Fahrplan hervorgebracht, so viele verschiedene Symbole erfunden haben.
Keine andere Nation könnte diese Symbole zu einem solchen Muster von richtiger
Schwierigkeit verbunden haben, keine andere Nation schließlich würde die Ge-
duld, die Energie, die Erziehung, die Gründlichkeit oder die Kultur haben, die
Schwierigkeiten dieses Bandes zu meistern oder die Zeit und die Bequemlichkeit
vor dem Altar solcher Tüchtigkeit zu opfern. Unsere eigenen einfachen Fahrpläne,
in welchen man, wenn man von Margate oder Baltimore zu reisen wünscht, unter
M oder B nachschlägt, eine ganz einfache Kategorie, beeindruckt keine deutsche
Seele. Sie lächeln über diese kindischen Dinge, es existiert ein merkwürdig ab-
weisendes Lächeln, das die Deutschen annehmen, wenn sie die Produkte weniger
aufgeklärter Zivilisationen prüfen. „Entzückend", wird er murmeln, wenn er
einem das ABC zurückgibt, und man weiß nur zu wohl, daß mit dem Wort
„Entzückend" das Oberflächliche gemeint ist. Es kann auch niemand leugnen, daß,
mit dem Kursbuch der Reichsbahn verglichen, die winzigen Fahrpläne der bri-
tischen oder amerikanischen Eisenbahn sehr oberflächlich erscheinen.
*) Unsere Leser scheinen athletisch zu sein oder Freude an körperlichen Übungen zu
haben, denn wir erhielten noch keine Beschwerde. (Anm. d. Red.)
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541
Sie erfinden Flaschen für Zahnwasser, die nur einen Tropfen in 30 Sekunden
hergeben und die, wenn sie einmal geschlossen sind, nie wieder benutzt werden
können; sie erfinden Bleistifte, schwierig wie ein Seismograph, und Federn, für
die ein tüchtiger Mechaniker notwendig ist, und sie umgeben ihre Zeitschriften
mit Umschlägen, die nur der brutalen Gewalt weichen können*).
Sie besitzen auch all die Arroganz der wirklich Tüchtigen. Sie sind stolz auf die
Hindernisse, die sie in die Pfade der andern Menschen werfen. Sie sind sogar
stolz auf ihren offiziellen Fahrplan, eine Statistik, die zu lesen viele Jahre gründ-
lichsten Studiums und einige Kenntnisse in Chemie, Physik und Geometrie
verlangt. Dieses Ding ist besternt und unterbrochen durch kleine Bildchen von
Betten und Messern und Gabeln und Luftschiffen und Messinginstrumenten
musikalischen Ursprungs, Posthörner und merkwürdige Symbole darstellend, die
von den frühesten Pyramiden kopiert sein müssen. Dann gibt es dort Pfeile —
das deutsche offizielle Kursbuch gleicht dem heiligen Sebastian, soweit es sich um
Pfeile handelt. Da findet man Pfeile, die nördlich und südlich und östlich und
westlich weisen, es gibt diagonale Pfeile und runde Pfeile und vielförmige Pfeile.
Da ist die besonders peinigende Form eines Pfeiles, der sich zu sich selbst
zurückwindet und einen rechten Winkel bildet; da ist eine andere Form von
Pfeilen, die von einer Spalte des Fahrplans zur andern laufen. Von allen Pfeilen,
die Unglück bedeuten, ist dieser zwischenlineare der entsetzlichste. Manch ein
wohlmeinender Deutscher wurde durch jenen Pfeil von Berlin nach Baden-
Baden geschickt, wenn sein Herzenswunsch und seine Absicht war, von Berlin
nach Wien zu kommen. Manch ein ängstlicher Deutscher, der von Moskau in den
Schoß seiner ängstlichen Familie zurückkehren wollte, wurde durch jenen Pfeil
so weggeleitet, daß er sich nach dreitägiger anstrengendster Reise in Omsk
befand. Und obwohl sie alle unter der offiziellen Zeiteinteilung der Reichsbahn
leiden, schlägt das große Herz des deutschen Volkes heftiger und stolzer, wenn
es sein Reichskursbuch sieht. Keine andere Nation, so fühlen sie, könnte einen
solchen Fahrplan hervorgebracht, so viele verschiedene Symbole erfunden haben.
Keine andere Nation könnte diese Symbole zu einem solchen Muster von richtiger
Schwierigkeit verbunden haben, keine andere Nation schließlich würde die Ge-
duld, die Energie, die Erziehung, die Gründlichkeit oder die Kultur haben, die
Schwierigkeiten dieses Bandes zu meistern oder die Zeit und die Bequemlichkeit
vor dem Altar solcher Tüchtigkeit zu opfern. Unsere eigenen einfachen Fahrpläne,
in welchen man, wenn man von Margate oder Baltimore zu reisen wünscht, unter
M oder B nachschlägt, eine ganz einfache Kategorie, beeindruckt keine deutsche
Seele. Sie lächeln über diese kindischen Dinge, es existiert ein merkwürdig ab-
weisendes Lächeln, das die Deutschen annehmen, wenn sie die Produkte weniger
aufgeklärter Zivilisationen prüfen. „Entzückend", wird er murmeln, wenn er
einem das ABC zurückgibt, und man weiß nur zu wohl, daß mit dem Wort
„Entzückend" das Oberflächliche gemeint ist. Es kann auch niemand leugnen, daß,
mit dem Kursbuch der Reichsbahn verglichen, die winzigen Fahrpläne der bri-
tischen oder amerikanischen Eisenbahn sehr oberflächlich erscheinen.
*) Unsere Leser scheinen athletisch zu sein oder Freude an körperlichen Übungen zu
haben, denn wir erhielten noch keine Beschwerde. (Anm. d. Red.)
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