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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Schück, Walter: Können wir ohne Ausland leben?: Revison der "Autarkie"
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0029

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Können wir ohne das Ausland leben?
Revision der „Autarkie"
Von
Dr. Walter Schück
Isolierung als Abwehr
“nie Wirtschaft der Welt sichtet ihre Waffen. Da sind die neuesten: Leistungs-
steigerung durch Fließarbeit im Produktionsprozeß, durch Verbesserung
der Absatzmethoden — kurz durch die Mittel einer echten Rationalisierung; da
ist die schon vor dem Weltkrieg begonnene Standardisierung nicht nur der in-
dustriellen Fertigwaren, sondern auch der Rohstoffe — ein Apfel gleicht dem
andern, ein Huhn sieht genau so aus, wiegt ebensoviel, legt genau das gleiche wie
Tausende anderer Hühner. Was aber ist mit all diesen modernen Waffen erreicht
worden? Zwar nahm die Weltproduktion bis 1929 in phantastischem Umfange
zu; aber nicht nur blieb der erhoffte Wohlstand Aller aus, sondern Millionen und
Millionen Menschen wurden aus der Produktion geschleudert, schieden als
Produzenten und in sehr erheblichem Umfang auch als Verbraucher aus und
darbten angesichts riesiger Vorräte. Zu vernichten, was man eben noch unter
Aufwand äußersten Scharfsinns erzeugt hat, gilt fast als der ökonomischen Weis-
heit letzter Schluß.
Das ist die Situation, in der man auf eine Waffe zurückgreift, von der man fast
angenommen hatte, sie werde im Arsenal der Wirtschaftswaffen über kurz oder
lang nur noch Museumswert besitzen. Wie die deutschen Städte des Mittelalters
— schlimmer: wie die hilflosen Neger Afrikas, so umgibt man sich mit Pallisaden
und Mauern, sucht fremde — sei es auch bessere und billigere — Ware auszu-
sperren. Schutz der nationalen Arbeit ist die Parole; in diesem Zeichen haben seit
1919 die überseeischen Länder, nicht zum wenigsten die Vereinigten Staaten von
Nordamerika, immer und immer wieder ihre Zölle erhöht; mit diesem Feld-
geschrei zogen die landwirtschaftlichen Großbetriebe Deutschlands in die Zoll-
schlacht, die sie gegen die Konsumenten und die mittlere und kleine Landwirt-
schaft glänzend gewannen; vor wenigen Wochen sank die stolzeste Feste der
Handelsfreiheit, England, und seinen Spuren folgt jetzt selbst ein so stark auf
internationalen Warenaustausch eingestelltes Land wie Holland. Man wehrt sich
gegen die fremde Ware, weil man fürchtet, sie werde die eigene Produktion er-
drosseln — merkwürdige Überlegung, an deren Ende eigentlich die Einsicht
stehen müßte: wer gar nichts mehr produziere, kaufe am billigsten, und Rohstoff-
besitz, ein wohlausgebauter industrieller Produktionsapparat und eine Armee
intelligenter Arbeitskräfte führten zum Ruin des eigenen Landes.
Das deutsche Problem
Im Falle Deutschlands hat das Problem des internationalen Warentausches
einen besonderen Aspekt. Deutschland steht, soll es seine politischen und privaten
Verpflichtungen auch nur teilweise erfüllen können, unter Exportzwang. Werden
für die Dauer der Krise auch nur die ungeschützten Zahlungen aus dem Young-
Plan, wird außerdem die Amortisation und Verzinsung der im Ausland aufgenom-

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