konversierte, zum König und sagte dann beiläufig zu der Gräfin Tauentzien,
daß Napoleon einer der häßlichsten Männer sei, die ihr begegnet wären. „Diese
Figur, dieses aufgedunsene Gesicht", rief sie ein über das andere Mal. „Und die
Augen rollt er wie der leibhaftige Gottseibeiuns. Er ist der inkarnierte Erfolg."
Das war das niederschmetterndste Urteil, das damals am preußischen Hofe
gefällt werden konnte.
Die Gräfin Tauentzien urteilte gnädiger. Sie fand seinen Mund fein geschnitten
und die Zähne auffallend schön.
Der König und Napoleon, der sein militärisches Gefolge zurückließ, schritten
die Treppe hinauf, um Luise im oberen Stockwerk aufzusuchen. Luise hatte eine
prächtige weiße, silberbestickte Robe angelegt. Die kurze Taille war aus Brokat
und ließ die schönen Schultern nackt. Die Arme waren bis über die Ellbogen
mit Handschuhen bedeckt, die mit dem tiefen Ausschnitt in einer Linie ab-
schlossen. Auf den Locken trug sie ein Brillantendiadem.
Napoleon ging mit feinem Lächeln, frei von Geringschätzung oder gar
Spott, der schönen Frau entgegen, küßte ihre Hand, die er eine Weile in der
seinen behielt, bis er die Königin in ihren Sessel zurückgeleitet hatte. Er selbst
setzte sich nur flüchtig auf einen kleinen Schemel.
Nachdem die ersten verbindlichen Worte gewechselt worden waren, schritt
der König zur Tür, die er nach einer Verbeugung leise knackend schloß. Napoleon
überlegte, welche Gedanken den König wohl beschäftigen würden.
Napoleon und Luise saßen sich eine Weile schweigend gegenüber. Napoleon
wartete anscheinend darauf, daß die Königin die Unterhaltung einleite. Indem
sie ihren Blick auf des Kaisers gedrungene und doch so seltsam fein durchzeich-
nete Hände heftete, begann sie langsam und nachdrücklich, scheinbar überlegend:
„Ich lerne Ew. Majestät in einem für mich höchst peinlichen Augenblick
kennen. Ich sollte vielleicht zögern, zu Ihnen von meinem unglücklichen Lande
zu sprechen. Denn Sie haben mich einst angeklagt, mich ohne Recht in Staats-
geschäfte eingemischt zu haben. Sire, ich bin keine politische Frau, wie alle
sagen. Ich bin nur eine Frau."
„Glauben Sie nicht, Madame", antwortete Napoleon verbindlich, „daß ich
mein Ohr verleumderischen Einflüsterungen leihe."
„Sire, ich bin Gattin und Mutter — und die Mutter eines Volkes kommt,
Sie zu bitten . . ." Die schlanken und spitzen Finger ihrer weichen Hände
durchschnitten lebhaft die Luft.
„Vous seriez ravie, Madame", unterbrach sie Napoleon, „de vous retrouver
ä Berlin?"
„Ja, Sire. Doch nicht unter allen Bedingungen. Es hängt von Ew. Kaiserlichen
Majestät ab, mich ohne Kummer nach Berlin zurückkehren zu lassen."
„Ich würde sehr glücklich sein, Madame . . ." Es entstand eine verlegene
Pause. „Sie haben da, Madame, eine herrliche Robe an", nahm Napoleon die
Unterhaltung wieder auf. „Oü est-elle faite?"
„Bei uns, Sire." — „A Breslau?" — „Nein, Sire, in Berlin!"
„Wird dieser Krepp in Ihren Fabriken hergestellt?"
„Nein, Sire. Aber Ew. Majestät sagen mir nicht ein einziges Trostwort.
Lassen Sie mich nicht erfolglos an den Kaiser von Frankreich appellieren."
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daß Napoleon einer der häßlichsten Männer sei, die ihr begegnet wären. „Diese
Figur, dieses aufgedunsene Gesicht", rief sie ein über das andere Mal. „Und die
Augen rollt er wie der leibhaftige Gottseibeiuns. Er ist der inkarnierte Erfolg."
Das war das niederschmetterndste Urteil, das damals am preußischen Hofe
gefällt werden konnte.
Die Gräfin Tauentzien urteilte gnädiger. Sie fand seinen Mund fein geschnitten
und die Zähne auffallend schön.
Der König und Napoleon, der sein militärisches Gefolge zurückließ, schritten
die Treppe hinauf, um Luise im oberen Stockwerk aufzusuchen. Luise hatte eine
prächtige weiße, silberbestickte Robe angelegt. Die kurze Taille war aus Brokat
und ließ die schönen Schultern nackt. Die Arme waren bis über die Ellbogen
mit Handschuhen bedeckt, die mit dem tiefen Ausschnitt in einer Linie ab-
schlossen. Auf den Locken trug sie ein Brillantendiadem.
Napoleon ging mit feinem Lächeln, frei von Geringschätzung oder gar
Spott, der schönen Frau entgegen, küßte ihre Hand, die er eine Weile in der
seinen behielt, bis er die Königin in ihren Sessel zurückgeleitet hatte. Er selbst
setzte sich nur flüchtig auf einen kleinen Schemel.
Nachdem die ersten verbindlichen Worte gewechselt worden waren, schritt
der König zur Tür, die er nach einer Verbeugung leise knackend schloß. Napoleon
überlegte, welche Gedanken den König wohl beschäftigen würden.
Napoleon und Luise saßen sich eine Weile schweigend gegenüber. Napoleon
wartete anscheinend darauf, daß die Königin die Unterhaltung einleite. Indem
sie ihren Blick auf des Kaisers gedrungene und doch so seltsam fein durchzeich-
nete Hände heftete, begann sie langsam und nachdrücklich, scheinbar überlegend:
„Ich lerne Ew. Majestät in einem für mich höchst peinlichen Augenblick
kennen. Ich sollte vielleicht zögern, zu Ihnen von meinem unglücklichen Lande
zu sprechen. Denn Sie haben mich einst angeklagt, mich ohne Recht in Staats-
geschäfte eingemischt zu haben. Sire, ich bin keine politische Frau, wie alle
sagen. Ich bin nur eine Frau."
„Glauben Sie nicht, Madame", antwortete Napoleon verbindlich, „daß ich
mein Ohr verleumderischen Einflüsterungen leihe."
„Sire, ich bin Gattin und Mutter — und die Mutter eines Volkes kommt,
Sie zu bitten . . ." Die schlanken und spitzen Finger ihrer weichen Hände
durchschnitten lebhaft die Luft.
„Vous seriez ravie, Madame", unterbrach sie Napoleon, „de vous retrouver
ä Berlin?"
„Ja, Sire. Doch nicht unter allen Bedingungen. Es hängt von Ew. Kaiserlichen
Majestät ab, mich ohne Kummer nach Berlin zurückkehren zu lassen."
„Ich würde sehr glücklich sein, Madame . . ." Es entstand eine verlegene
Pause. „Sie haben da, Madame, eine herrliche Robe an", nahm Napoleon die
Unterhaltung wieder auf. „Oü est-elle faite?"
„Bei uns, Sire." — „A Breslau?" — „Nein, Sire, in Berlin!"
„Wird dieser Krepp in Ihren Fabriken hergestellt?"
„Nein, Sire. Aber Ew. Majestät sagen mir nicht ein einziges Trostwort.
Lassen Sie mich nicht erfolglos an den Kaiser von Frankreich appellieren."
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