Herbert Pioberger
„Wünschen Gnädigste das Haar d la Greta Garbo
oder Königin Maria oder Fran Kollontay?"
daß dynastische Gesinnung zum Wesen jedes Adels gehöre. Bei seinem historischen
Werdegang ist dies eigentlich zu begreifen. Es mangelte ihm eben an jedem Ver-
ständnis dafür, daß nur der Dienst an einer zentralen Reichsgewalt und nicht die Auf-
opferung für familiengebundene Teilinteressen der Tradition jenes Adels entspricht,
der in der deutschen Geschichte diese Wertung für sich in Anspruch nehmen durfte.
Das Bild, das wir hier zu zeichnen versuchen, wäre unvollständig, wenn in ihm das
wirtschaftliche Problem des Adels keine Berücksichtigung fände. Es ist verständ-
lich, daß alle die, die heute noch über Grundbesitz verfügen, auch den Willen
haben, ihn gegen eventuelle Zugriffe revolutionärer Gewalten zu schützen und daß sie
daher alles fördern, was ihnen Garantien gegen solche Gefährdungen verspricht.
Mancher politische Werber wäre indessen sehr erstaunt, wenn er die wahren Motive
erführe, aus denen ihm Geld und gute Worte gegeben wurden. Vor allem im Süden
Deutschlands hat man nämlich für jenes gewisse teutonische Kraftmeiertum herz-
lich wenig Sympathie, und wenn man es auch aus politischen Gründen verwertet,
so lehnt man es doch im Innern als eine peinliche und ordinäre Sache ab.
Die allgemeine Krise der Landwirtschaft hat heute auch den Adel immer mehr
auf Gebiete gedrängt, die ursprünglich den verachteten „Pfeffersäcken" vorbehalten
waren. Es ist eine starke Verflechtung mit den verschiedensten Zweigen der Industrie
und des Bankwesens eingetreten, und zwangsläufig haben damit jene Gesetze Platz
gegriffen, die im kapitalistischen — bürgerlichen — Raume herrschen und die dort
zu ganz bestimmten politischen Formen drängen.
Aber weit entfernt davon, diese Notwendigkeiten
zuzugeben, die für den industriegebundenen Adel
daraus entstanden, hat er es unternommen, auch
hier mit metaphysischen Gründen zu arbeiten und
auch in dieser so klaren Sachlage „das Wesen des
Adels" ins Treffen zu führen. Obzwar hierin nicht
mehr und nicht weniger Heuchelei liegt als in so
manchen anderen Dingen, die wir erwähnt haben,
ist es doch bemerkenswert, daß
dies das Gebiet ist, auf dem die
junge Generation mit besonderer
Opposition einsetzte und wo die
Spannungen zwischen Vätern
und Söhnen zu ihrem stärksten
Ausdruck gelangten.
Das Abschwenken so man-
ches jungen Adeligen in das
kommunistische Lager mag sich
daraus erklären, und wenn wir
auch nicht der Ansicht sind, daß
ein solcher Wechsel stets aus
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