Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

DOI article:
Scott, Cyril: Aus den Briefen eines englischen Offiziers an seine deutsche Geliebte
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0171

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
London .

Meine Herzensfreunden !
Unsere Briefe haben sich wieder gekreuzigt. Du bist also mit deiner Tante in
D—. Wie ausruhend. Ich fände sie damals so ein sanftes altes Mägdchen, mit
ihrem weissen Haare und andächtiges Gesicht. Und Sie ist so lieblich mit Deinem
Hund umgegangen und so weiter. Nun also, Montag geht es los. Der dicke
Inhaber jenes Verlagshaus ist nicht gerade verlockend, doch nicht so schlimm
wie ich zuerst dachte. Bei meinem zweiten Besuch hat er ein Mal gelächelt
und wenn er lächelt sind seine schwarze Hühneraugen nicht so abstossend. Sie
zeigen dass er irgendwo am Ende ein Herz hat und vielleicht etwas Humor.
Weisst Du, ein Mensch ohne Humor — mit dem komm ich nie aus; mag sein
was er will.
Apropos von Humor, oder besser gesagt, das Humoristische mit etwas
komisch-tragisch hereingeworfen — mein Vetter wird sich bald heiraten. Zu
diesem Zweck kauft er überall Möbel. Nun hat mein Vetter während dem Krieg
(er hat im Schlacht von der Somme fürchtbar gelitten) sich einen Tic-nerveux
geholt. Jede halbe Minute geht sein Kopf schnell himmelwärts und zurück als
wenn er jemanden zuwinkte. Schön ist es nicht. Vorgestern hat er eine Auktion
beigewohnt (wie gesagt um Möbel usw. zu kaufen). Einige Stühle hat er sich
zugeeignet, aber da er ein bisschen verrückt ist und sieht ein Auktion gerne an,
ist er stehen geblieben und hat zugeguckt. Am Schluss der ganse Geschichte, zu
seiner Überraschung hat man ihn eine enorme Rechnung für Gott weiss was für
Zeug überreicht. „Aber zum Teufel" sagte er gans baff, „was fällt Ihnen denn
ein? Ich habe doch nicht diese Haufen Sachen gekauft." — „Was?!" rief der
Versteigerer, „jedes Mal das ich Sie anschaute, haben Sie mich zugewinckt, da hab
ich natürlich Ihnen die Sachen heruntergeschlagen." (Alles im Lexicon nach-
gesucht). Diese komisch-peinliche Geschichte hat mein Cuisine (die Schwester
von dem Betreffenden) uns heute erzählt. Der arme Kerl. Jetzt wird er sein Haus
möblieren müssen in einer Art und Weise, die er sich kaum erwünschte. Unter
den Sachen war ein riesiger verstopfter Strauss. Welch' ein herrliche Verschöne-
rungs Gegenstand in einem modernen Salon!
Ich lese oft die Gedichtbücher von Stefan George die Du mir geschenkt.
Für englische Ohren ist folgendes ein sonderbar klingende Linie: „Lämmer
der wolumfriedigten Zisternen". Ich weiss nicht bescheid was die Linie dastellt,
aber das Wort Zisterne fällt einem auf. Verzeih mir die Unfeinheit; auf
englisch ist ein Zisterne das eisene Ding was oben im W. C. steht und das
Wasser enthält. Also man kann nicht behaupten dass es gerade ein sehr poetische
Gegenstand ist.
Und damit muss ich für heute schliessen. Ich küsse Deine zarten Backen und
streiche Dein Haar.
Dein stets Dich liebende
* * *

3

109
 
Annotationen