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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Frischauer, Paul: Der Lausbub Beaumarchis
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0280

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Beaumarchais hatte sich also dem Hausregiment gefügt — er verbrachte die
Zeit im wahren Sinne des Wortes mit der Uhr in der Hand —, glaubte der Vater.
„Il n'est bon bec que de Paris", behauptet Villon. Beaumarchais aber hat ein
Übriges dazu getan und die Urpariser Eigenschaft, den Schnabel zu wetzen, mit
den Nachbarinnen seines väterlichen Hauses, den dames de la Halle, den Fisch-
und Marktweibern, die später in der Revolution berühmt geworden sind, geübt.
Er hat sich in Jahrmarktsbuden als Gaukler und Akrobat, als Taschenspieler
herumgetrieben, und sich bei diesen Eskapaden einen so guten Appetit geholt,
daß sein Vater besorgt war, wie er den guten Esser, von dessen Streifzügen er
nichts wußte, zu einem Verdiener ausbilden könne. Er hielt ihn zu Erfindungen an.
Tatsächlich gelang es Beaumarchais, die sogenannten Hemmungen im Uhr-
werk zu erfinden. Ein Zeitgenosse allerdings sagte von ihm, daß sie die einzigen
Hemmungen gewesen seien, die man je im Leben Beaumarchais' habe wahr-
nehmen können. Schon bei der Durchsetzung seiner Erfindung ist ihm kein
Weg zu schlecht, als daß er ihn nicht doch versuchte, um von der Zunft und vom
König anerkannt zu werden. Ein Herr Lepaute bestreitet die Originalität der
Erfindung. Und schon ist der erste offene Brief Beaumarchais' da, ein Aufruf
an die Öffentlichkeit im Mercure de France, in dem der künftige Verfasser
frecher Memoiren, die kein noch so gut gekröntes Haupt ungeschoren lassen
werden, das Publikum zum Schiedsrichter aufruft: „Herr Lepaute behauptet,
ich habe seine Hemmung nicht gesehen, stellt aber fest, sie gleiche in keiner Weise
der meinigen. Kann er mich also Nachahmer einer Erfindung nennen, die ich
nie zu Gesicht bekommen habe?" Die Pariser Akademie fällte den Spruch zu-
gunsten Caron fils. Die Folge davon war, daß es ihm gelang, beim König in
Audienz empfangen zu werden. Er hatte die kleinste Uhr verfertigt, die er der
Majestät überreicht, nicht etwa, um Uhrmacher des königlichen Hauses zu werden
(was ihm nicht erspart blieb), Hoflieferant, der in Ehren ergrauen kann. Er will
nur den ersten Gang über die höfischen Parkette üben, auf denen er sich so lange
wohlfühlen wird, bis er auf die Bretter zu stehen kommt, die die Welt bedeuten.
Damals, als Uhrmacher, nannte er sich Künstler, später, da er als Dichter
Erfolg hatte, nahm er die Kunst nicht so ernst und meinte, es sei kein Wagnis,
zu dichten, wenn man als Dichter etwas wage. „Il faut etre oseur et poseur."
Das letztere gelang ihm zeit seines Lebens.
Man muß nur sehen, wie bescheiden er sich bei Hof einführt: als gelegent-
lichen Harfenlehrer der Prinzessinnen. Wie bescheiden er den Mechanismus der
Harfe verbessert und gleichzeitig einem Freund erklärt, daß die elastischen Saiten
des Instruments das Sprungbrett seiner Karriere sein werden. Er weiß noch nicht,
wo er hinaus will, hoch hinaus jedenfalls. Man sieht ihn, geckenhaft angezogen,
vollendeten Stutzer seiner Zeit, bei allen Vergnügungen und festlichen Ver-
anstaltungen, und niemand weiß, woher er die Mittel dazu nimmt. Plötzlich hat
er sogar das Geld, um die Stelle des Oberaufsehers der Hofküchenschreiber zu
erstehen. Das Amt gehörte nebst dem des königlichen Tafeldeckers und Kriegs-
kassenkontrollors einem Herrn von Franquet, der es ebenso freiwillig aufgab wie
wenige Monate darauf sein Leben. Er ermöglichte es Beaumarchais, mit einemmal
befugter Höfling und Gatte seiner Witwe zu werden. Herr von Franquet hatte
auch weiter für den jungen Caron und sogar für seinen gutklingenden Dichter-

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