Rudolf Kriesch
— Wohin so spät ? Ihr treibt es ja wie Kokotten!
— Nanu, sollen wir vielleicht stenographieren ?
Bundes der Angestellten) aus dem Jahre 1930 beträgt das Durchschnittsgehalt
für die weiblichen Angestellten aller Gruppen 157 Mark monatlich; ein Ein-
kommen, das faktisch noch nicht einmal von der Hälfte der Beteiligten bezogen
wird. Andere Erhebungen gelangen zu ungünstigeren Ergebnissen, und eine
Kennerin der Verhältnisse versichert mir, daß heute das Gros der Frauen allen-
falls 110 Mark erhalte. Natürlich sind die weiblichen Angestellten genau so wie
die männlichen vom Schicksal der Erwerbslosigkeit betroffen, das wahrhaftig
nicht Schicksal heißen darf.
Jeder kennt weibliche Angestellte oder glaubt sie zu kennen. Aber kennt man
sie wirklich, wenn man mit ihnen nur beruflich zu tun hat oder sich gar einmal
mit einer Verkäuferin anfreundet? Es sitzt bei den Mädchen viel obenauf, was
von außen her zugetragen ist und leicht abfällt. Gewiß, sie amüsieren sich, wenn
sie können, paddeln, liebeln, weil sie nichts anderes haben, geben sich je nach der
Mode sachlich oder auch herzlich — dieser ganze, sattsam bekannte Zerstreuungs-
betrieb vermischt sich jedoch weder mit dem Alltag der Angestellten, noch ist er
für ihre überwiegende Menge charakteristisch. Daß er so sein kann, wie er ist,
kennzeichnet nur die Gehaltlosigkeit der Bourgeoisie und die Leere des Ange-
stelltenlebens selber.
Daß der Berufs-Alltag der angestellten Frauen nur in den seltensten Fällen zum
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