Das junge zarte scheue reine Mädchen ist unser aller Traum. Wir Jünglinge
zwischen dreißig und vierzig sind nicht durchaus vom herrschenden Typ begeistert.
Unsere Frauen sollen lebenstüchtig sein, auch unsere Töchter werden wir dazu erziehen,
aber die jungen Mädchen unserer schweifenden Sehnsucht — wir wünschen sie so un-
berührt und unberührbar, wie sie waren, als wir, alte Knaben, junge Knaben waren.
Wir wünschen sie so, daß wir selbst an ihnen wieder das Erröten lernen; daß uns die
Knie zittern, wenn wir sie lieben; daß wir sie nur im Traum zu küssen wagen. Wir
möchten für sie schwärmen dürfen. — Wo sind diese Mädchen nun? Sie sind in den
Erzählungen des sanften Francis Jammes, und Klara, Almaide, Röslein blieben lebendig
im Roman der drei jungen Mädchen (in einem wunderschönen Band beim verdienst- und
geschmackvollen Verleger-Uebersetzer Jakob Hegner in Leipzig eben neu erschienen).
Vielleicht ist das ein Zeugnis, daß sie wirklich noch leben. Freilich lernt man aus diesen
poetischen, zierlichen, dennoch nicht blutlosen Erzählungen, daß nahe der Einfalt die
Ueberspanntheit wohnt und die Hysterie nahe der Naivetät. Aber welch ein keckes
und schmähliches und zudringliches Wort ist dieser Begriff Hysterie, anachronistisch in
den klaren Inhalten dieser Herzensstudien, über denen der Lavendelduft verblichener
Familienalben liegt. Doch nicht verstaubt, durchduftet sind diese Erzählungen, und die
innige Nachbarschaft des Dichters Francis Jammes zur Natur, die er liebt und betrachtet,
seine gläubige Kenntnis des Mädchenherzens — Seelensehnsucht, nicht Psychoanalyse —
ist wahrlich imstande, den Leser seiner großen klaren Buchstaben für einige Stunden von
allem Unrat der Gegenwart zu reinigen. Lest diese drei Mädchen! V. W.
Der deutschen Republik fehlen Gläubige; die Idealisten schreiben ganz rechts oder
ganz links, in der Mitte ist nichts als Gänsefüßchen-Literatur: Begeisterung wird durch
Ironie, zukunftweisender Wille durch Skepsis ersetzt. „Erdverbundenheit" und „Liebe
zur Scholle" an Hamsum zu rühmen, gilt als schick; so etwas wird auch noch den jungen
Franzosen erlaubt; unsere Romane sind Stadtgewächse. Aber nicht alle. Heinrich Eduard
Jacob schafft plötzlich einen Roman der deutschen Landschaft. Jedes dieser beiden
Worte ist gleich gewichtig zu nehmen. Seine Magd von Aachen (Paul Zsolnay Verlag),
verwurzelt in der historischen Landschaft des Niederrheins, überspringt die Grenzen,
welche Staaten errichtet haben, und ihre Nichtachtung der kunstvoll aufgerichteten
Schranken zwischen den Völkern wirkt mit der Kraft gültiger Symbole. Das Wunder-
bare an diesem Buche ist, daß hier die Gegenwart nicht für die Politik zurechtgeschnitten
wird; sondern sie wird in ihrer tiefen Wahrheit gedeutet und gültig gestaltet. Diese
Magd von Aachen bleibt immer in ihrem eigenen Lebensraum, und die Dinge gehen nur
wie Schatten, wie Andeutungen von Wirklichkeit, über sie hin, streifen sie, entlocken ihr
Lächeln oder Trauer, aber werden durchscheinend immer nur durch ihre eigene Wesen-
haftigkeit. So mutet das Buch an wie ein Märchen, eines jener großen Märchen freilich,
die ganz zur Literatur im strengsten Sinne gehören und doch ganz zum Volke sprechen,
um dessen verborgene Leiden und Freuden der Dichter Heinrich Eduard Jacob weiß. Er
hat es verstanden, ein Problem von bitterster Aktualität im Roman darzustellen, ohne
eigentlich ins Problematische abzugleiten: Er löst es fast spielerisch, in der Musik seiner
Sprache, die von gütigem Humor gesättigt ist. Otto Zarek
Mädchenhandel, Mädchenschulen, Mädchenschutz — diese drei Begriffe, die sich
mit „Mädchen" verbinden, können im zweiten Band von Meyers Kleinem Lexikon
(Bibliographisches Institut, Leipzig) nachgelesen werden. Auch dreimal „Jungfrau", wo-
mit ja auch ein Sternbild des Tierkreises und ein Berggipfel bezeichnet sind. Mancher
andere Begriff, der in die Interessensphäre des jungen Mädchens fällt, wie Auto, Fern-
sprecher, Backfisch, Edelstein und viele Frauenangelegenheiten im ersten Band. Auf drei
Bände nämlich ist dieses neue Lexikon berechnet, und die ersten zwei, A — G — P,
sind bereits erschienen. Erstaunlich, was diese beiden Bände auf zweitausend Seiten
alles umfassen, erstaunlich die Bildbeilagen, Karten usw. Die konzentrierte Form macht
dieses Lexikon zum raschen Nachschlagewerk, zum reinen Register besonders geeignet.
Verantwortlich für die Redaktion: Victor Wittner, Berlin-Charlottenburg. — Verantwort-
lich für die Anzeigen: Herbert Schade, Berlin. — Nachdruck verboten.
Verantwortlich in Österreich für Redaktion: Ludwig Klinenberger, für Herausgabe: Ullstein & Co.,
G. m. b. H., Wien I, Rosenbursenstraße 8. — In der tschechoslowakischen Republik: Wilh. Neumann, Prag.
Der „Querschnitt" erscheint monatlich einmal und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen; ferner
durch jede Postanstalt, laut Postzeitungsliste. — Redaktion: Berlin SW 68, Kochstraße 22-26.
308
zwischen dreißig und vierzig sind nicht durchaus vom herrschenden Typ begeistert.
Unsere Frauen sollen lebenstüchtig sein, auch unsere Töchter werden wir dazu erziehen,
aber die jungen Mädchen unserer schweifenden Sehnsucht — wir wünschen sie so un-
berührt und unberührbar, wie sie waren, als wir, alte Knaben, junge Knaben waren.
Wir wünschen sie so, daß wir selbst an ihnen wieder das Erröten lernen; daß uns die
Knie zittern, wenn wir sie lieben; daß wir sie nur im Traum zu küssen wagen. Wir
möchten für sie schwärmen dürfen. — Wo sind diese Mädchen nun? Sie sind in den
Erzählungen des sanften Francis Jammes, und Klara, Almaide, Röslein blieben lebendig
im Roman der drei jungen Mädchen (in einem wunderschönen Band beim verdienst- und
geschmackvollen Verleger-Uebersetzer Jakob Hegner in Leipzig eben neu erschienen).
Vielleicht ist das ein Zeugnis, daß sie wirklich noch leben. Freilich lernt man aus diesen
poetischen, zierlichen, dennoch nicht blutlosen Erzählungen, daß nahe der Einfalt die
Ueberspanntheit wohnt und die Hysterie nahe der Naivetät. Aber welch ein keckes
und schmähliches und zudringliches Wort ist dieser Begriff Hysterie, anachronistisch in
den klaren Inhalten dieser Herzensstudien, über denen der Lavendelduft verblichener
Familienalben liegt. Doch nicht verstaubt, durchduftet sind diese Erzählungen, und die
innige Nachbarschaft des Dichters Francis Jammes zur Natur, die er liebt und betrachtet,
seine gläubige Kenntnis des Mädchenherzens — Seelensehnsucht, nicht Psychoanalyse —
ist wahrlich imstande, den Leser seiner großen klaren Buchstaben für einige Stunden von
allem Unrat der Gegenwart zu reinigen. Lest diese drei Mädchen! V. W.
Der deutschen Republik fehlen Gläubige; die Idealisten schreiben ganz rechts oder
ganz links, in der Mitte ist nichts als Gänsefüßchen-Literatur: Begeisterung wird durch
Ironie, zukunftweisender Wille durch Skepsis ersetzt. „Erdverbundenheit" und „Liebe
zur Scholle" an Hamsum zu rühmen, gilt als schick; so etwas wird auch noch den jungen
Franzosen erlaubt; unsere Romane sind Stadtgewächse. Aber nicht alle. Heinrich Eduard
Jacob schafft plötzlich einen Roman der deutschen Landschaft. Jedes dieser beiden
Worte ist gleich gewichtig zu nehmen. Seine Magd von Aachen (Paul Zsolnay Verlag),
verwurzelt in der historischen Landschaft des Niederrheins, überspringt die Grenzen,
welche Staaten errichtet haben, und ihre Nichtachtung der kunstvoll aufgerichteten
Schranken zwischen den Völkern wirkt mit der Kraft gültiger Symbole. Das Wunder-
bare an diesem Buche ist, daß hier die Gegenwart nicht für die Politik zurechtgeschnitten
wird; sondern sie wird in ihrer tiefen Wahrheit gedeutet und gültig gestaltet. Diese
Magd von Aachen bleibt immer in ihrem eigenen Lebensraum, und die Dinge gehen nur
wie Schatten, wie Andeutungen von Wirklichkeit, über sie hin, streifen sie, entlocken ihr
Lächeln oder Trauer, aber werden durchscheinend immer nur durch ihre eigene Wesen-
haftigkeit. So mutet das Buch an wie ein Märchen, eines jener großen Märchen freilich,
die ganz zur Literatur im strengsten Sinne gehören und doch ganz zum Volke sprechen,
um dessen verborgene Leiden und Freuden der Dichter Heinrich Eduard Jacob weiß. Er
hat es verstanden, ein Problem von bitterster Aktualität im Roman darzustellen, ohne
eigentlich ins Problematische abzugleiten: Er löst es fast spielerisch, in der Musik seiner
Sprache, die von gütigem Humor gesättigt ist. Otto Zarek
Mädchenhandel, Mädchenschulen, Mädchenschutz — diese drei Begriffe, die sich
mit „Mädchen" verbinden, können im zweiten Band von Meyers Kleinem Lexikon
(Bibliographisches Institut, Leipzig) nachgelesen werden. Auch dreimal „Jungfrau", wo-
mit ja auch ein Sternbild des Tierkreises und ein Berggipfel bezeichnet sind. Mancher
andere Begriff, der in die Interessensphäre des jungen Mädchens fällt, wie Auto, Fern-
sprecher, Backfisch, Edelstein und viele Frauenangelegenheiten im ersten Band. Auf drei
Bände nämlich ist dieses neue Lexikon berechnet, und die ersten zwei, A — G — P,
sind bereits erschienen. Erstaunlich, was diese beiden Bände auf zweitausend Seiten
alles umfassen, erstaunlich die Bildbeilagen, Karten usw. Die konzentrierte Form macht
dieses Lexikon zum raschen Nachschlagewerk, zum reinen Register besonders geeignet.
Verantwortlich für die Redaktion: Victor Wittner, Berlin-Charlottenburg. — Verantwort-
lich für die Anzeigen: Herbert Schade, Berlin. — Nachdruck verboten.
Verantwortlich in Österreich für Redaktion: Ludwig Klinenberger, für Herausgabe: Ullstein & Co.,
G. m. b. H., Wien I, Rosenbursenstraße 8. — In der tschechoslowakischen Republik: Wilh. Neumann, Prag.
Der „Querschnitt" erscheint monatlich einmal und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen; ferner
durch jede Postanstalt, laut Postzeitungsliste. — Redaktion: Berlin SW 68, Kochstraße 22-26.
308