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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Reibnitz, Kurt von: Die Kaiserkinder
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0464

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war das anders. Ein führender Politiker der Rechten, der freilich an die
Wiederherstellung der Monarchie in Deutschland nicht glaubt, wurde von ihr
gefragt, was er über die Aussichten der monarchischen Bewegung in Deutschland
denke. Um der von ihm verehrten und bewunderten Fürstin nicht alle Hoffnung
zu nehmen, antwortete er etwas zurückhaltend, vielleicht werde einmal ihr
ältester Sohn deutscher Volkskaiser werden. Diese Ansicht veranlaßte die Kron-
prinzessin, das Gespräch nicht gerade sehr begeistert abzubrechen und ganz
energisch zu sagen: „Wir Eltern sind doch auch noch da!"
*
Das Kronprinzenpaar hat vier Söhne und zwei Töchter, von denen die ältere
beinahe siebzehn, die jüngere vierzehn ist. Der älteste, 1906 geborene Sohn,
Prinz Wilhelm, gleicht geistig und charakterlich seinem Ururgroßvater Wilhelm I.
Er hat in Bonn studiert, wo er bei den Borussen aktiv war, ging dann nach
Frankfurt a. M. und München und studiert schon seit mehreren Semestern in
Königsberg, in dessen Umgebung er zahlreiche freundschaftliche Beziehungen,
vor allem zu den gräflichen Familien Dönhoff und Lehndorff hat. Begabter als er
ist sein um ein Jahr jüngerer Bruder, der temperamentvolle und kluge, jetzt vier-
undzwanzigjährige Prinz Louis Ferdinand, der 1929 zum Doktor promovierte
und dann eine große Studienreise in die Vereinigten Staaten und nach Süd-
amerika antrat. Längere Zeit weilte er in Buenos Aires, wo er sein Pilotenexamen
machte und in der argentinischen Filiale von Ford arbeitete. Er ist zur Zeit in
den Ford-Werken in Detroit tätig. An Reichtum des Geistes, an sprachlicher wie
auch an musikalischer Begabung ähnelt er seinem Ahnherrn und Namensgeber,
dem 1806 bei Saalfeld gefallenen Prinzen Louis Ferdinand.
Der dritte Sohn, der 1909 geborene Prinz Hubertus, der eine große, bei den
heutigen Verhältnissen unerfüllbare Passion für die Marine hat, lernt jetzt Land-
wirtschaft auf einem schlesischen Gut, der jüngste, zwanzigjährige Prinz Fritz
ist zur Zeit in der kaufmännsichen Lehre in Bremen. Alle vier Söhne der Kron-
prinzessin sind gut erzogen.

„Jeder preußische Untertan ist für die Waffen geboren", steht in Paragraph 1
des von Friedrich Wilhelm I. erlassenen Kantonreglements. Potenziert galt das
für Preußens Prinzen. So haben denn alle Kaisersöhne, mit Ausnahme des vierten
August Wilhelm, des sogenannten Zivilprinzen, die militärische Karriere ein-
geschlagen. Der Tapferste im Kriege war der zweite Kaisersohn, Prinz Eitel
Friedrich, Fritz genannt, der sich oft nutzlos als gutes Beispiel für die Truppen
exponierte. Er wohnt in Potsdam in der Villa Ingenheim, seit langem wieder
Junggeselle. Seine Ehe mit der ältesten Tochter des kürzlich verstorbenen Olden-
burger Großherzogs wurde schon 1926 geschieden. Die Prinzessin hat in zweiter
Ehe einen Schupo-Hauptmann außer Diensten, von Hedemann, geheiratet und
lebt, wie heute viele Fürstlichkeiten, sehr bescheiden auf dem Lande. Als Kunst-
gewerblerin — sie macht ganz reizende Tapetenmuster — verdient sie sich die
Butter auf das Brot.

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