glaubten. Dann machten sich unerwarteterweise gewisse Folgen des Weltkrieges
geltend, die besonders in einem kolossalen Rückgang aller Rohstoffpreise zutage
traten, und man machte sich auf eine lang andauernde Depression gefaßt. Im Juli des
vorigen Jahres aber stellte sich heraus, daß die Weltwirtschaft vergiftet war, nicht nur
durch die Wirkungen des größten Krieges, der je geführt, sondern auch durch die
Folgen des unsinnigsten Friedensvertrages, der je geschlossen wurde. Der Zusammen-
bruch der österreichischen Kreditanstalt und die Notlage der südöstlichen Staaten
war die notwendige Folge der Zerschlagung der Donaumonarchie. Der Auslands-
sturm auf die deutschen Banken und die Vereisung des Kreditstroms mit all ihren
Konsequenzen war verursacht durch die ungeheuren Reparationen, die man Deutsch-
land auferlegt hatte und die es schon darum nicht zahlen konnte, weil keiner der
Gläubiger bereit war, die Zahlung in Waren anzunehmen. Die Reparationen waren
es, die zu einer unmöglichen Verteilung der Goldvorräte zwischen den einzelnen
Staaten geführt hat, die Deutschland genötigt hatten, übergroße ausländische
Kredite aufzunehmen und die Rationalisierung seiner Industrie zu forcieren. Man
hatte, solange Amerika kreditbereit war und Deutschland für unbedingt kreditfähig
galt, diese Wirkungen übersehen; aber als die Krise da war, erkannten die Gläubiger
plötzlich, daß Deutschland nicht imstande sein werde, neben den Reparationen seine
sonstigen Schulden zu bezahlen, jeder suchte so rasch wie möglich zu seinem Geld zu
kommen, jeder wollte seine Forderungen sofort einziehen. So entstand der Run und
die Zahlungsstockung erst in Deutschland, dann in der ganzen Welt. Und heute
zweifelt niemand daran, daß diese Krise erst zu Ende sein wird, wenn die Frage der
Reparationen definitiv erledigt ist.
Der Krieg kann nicht ungeschehen gemacht werden. Daran, daß wir in eine
Periode der langen Depressionen eingetreten sind, ist nichts zu ändern. Es gibt auch
Fehler der Friedensverträge, die nicht mehr korrigiert werden können. Aber was
geschehen kann, um einen wirklichen Frieden in Europa zu schaffen, muß gemacht
werden. Und im Vordergrund steht die Frage der Reparationen. In Lausanne ist nur
wenig Arbeit geleistet worden. Mit bloßen Provisorien ist wenig gedient. Erst wenn
die Gewißheit gegeben ist, daß man Deutschland keine Zahlungen zumuten wird, die
es nicht leisten kann, daß man es nicht zwingen wird zu unmöglichen Krediten, zu
aussichtslosen Versuchen, seinen Export zu forcieren, dann wird mit einem Schlage
das Vertrauen wieder in die Welt zurückkehren. Zwar könnte sich die Geschäftslage
nicht sofort bessern, die Depression würde schon noch eine Zeitlang dauern. Aber
wahrscheinlich würden sämtliche Börsen der Welt die kommende Besserung explosiv
eskomptieren, wie ja auch sonst bei Krisen die Erholung der Börsen der wirtschaft-
lichen Erholung vorauszugehen pflegt. Die Steigerung der Kurse würde einen Teil
der eingetretenen furchtbaren Wertzerstörung wieder gut machen. Zahlreiche Gesell-
schaften, die an ihrem Effektenbesitz laborieren, bekämen für andere Zwecke Geld
frei, ein gewisser Luxuskonsum würde sich geltend machen. Die kurzfristigen
Kredite in Deutschland und anderen Ländern könnten durch langfristige abgelöst
werden, der Kreditstrom würde wieder zu fließen beginnen, der Kampf um die
Devisen und damit die ungewollten Beschränkungen des Welthandels würden auf-
hören.
Bringen dagegen die Gläubigerstaaten die Großzügigkeit nicht auf, den mehr oder
weniger bloß formalen Verzicht, den die Notwendigkeit von ihnen verlangt, rasch und
entschieden auszusprechen, so kann niemand sagen, wie lange die Krise noch dauern
und welche Konsequenzen sie haben wird. Jede Besserung der Situation, die trotz-
dem aus lokalen Ursachen da und dort sich ergeben könnte, würde sich nur als
vorübergehend erweisen.
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geltend, die besonders in einem kolossalen Rückgang aller Rohstoffpreise zutage
traten, und man machte sich auf eine lang andauernde Depression gefaßt. Im Juli des
vorigen Jahres aber stellte sich heraus, daß die Weltwirtschaft vergiftet war, nicht nur
durch die Wirkungen des größten Krieges, der je geführt, sondern auch durch die
Folgen des unsinnigsten Friedensvertrages, der je geschlossen wurde. Der Zusammen-
bruch der österreichischen Kreditanstalt und die Notlage der südöstlichen Staaten
war die notwendige Folge der Zerschlagung der Donaumonarchie. Der Auslands-
sturm auf die deutschen Banken und die Vereisung des Kreditstroms mit all ihren
Konsequenzen war verursacht durch die ungeheuren Reparationen, die man Deutsch-
land auferlegt hatte und die es schon darum nicht zahlen konnte, weil keiner der
Gläubiger bereit war, die Zahlung in Waren anzunehmen. Die Reparationen waren
es, die zu einer unmöglichen Verteilung der Goldvorräte zwischen den einzelnen
Staaten geführt hat, die Deutschland genötigt hatten, übergroße ausländische
Kredite aufzunehmen und die Rationalisierung seiner Industrie zu forcieren. Man
hatte, solange Amerika kreditbereit war und Deutschland für unbedingt kreditfähig
galt, diese Wirkungen übersehen; aber als die Krise da war, erkannten die Gläubiger
plötzlich, daß Deutschland nicht imstande sein werde, neben den Reparationen seine
sonstigen Schulden zu bezahlen, jeder suchte so rasch wie möglich zu seinem Geld zu
kommen, jeder wollte seine Forderungen sofort einziehen. So entstand der Run und
die Zahlungsstockung erst in Deutschland, dann in der ganzen Welt. Und heute
zweifelt niemand daran, daß diese Krise erst zu Ende sein wird, wenn die Frage der
Reparationen definitiv erledigt ist.
Der Krieg kann nicht ungeschehen gemacht werden. Daran, daß wir in eine
Periode der langen Depressionen eingetreten sind, ist nichts zu ändern. Es gibt auch
Fehler der Friedensverträge, die nicht mehr korrigiert werden können. Aber was
geschehen kann, um einen wirklichen Frieden in Europa zu schaffen, muß gemacht
werden. Und im Vordergrund steht die Frage der Reparationen. In Lausanne ist nur
wenig Arbeit geleistet worden. Mit bloßen Provisorien ist wenig gedient. Erst wenn
die Gewißheit gegeben ist, daß man Deutschland keine Zahlungen zumuten wird, die
es nicht leisten kann, daß man es nicht zwingen wird zu unmöglichen Krediten, zu
aussichtslosen Versuchen, seinen Export zu forcieren, dann wird mit einem Schlage
das Vertrauen wieder in die Welt zurückkehren. Zwar könnte sich die Geschäftslage
nicht sofort bessern, die Depression würde schon noch eine Zeitlang dauern. Aber
wahrscheinlich würden sämtliche Börsen der Welt die kommende Besserung explosiv
eskomptieren, wie ja auch sonst bei Krisen die Erholung der Börsen der wirtschaft-
lichen Erholung vorauszugehen pflegt. Die Steigerung der Kurse würde einen Teil
der eingetretenen furchtbaren Wertzerstörung wieder gut machen. Zahlreiche Gesell-
schaften, die an ihrem Effektenbesitz laborieren, bekämen für andere Zwecke Geld
frei, ein gewisser Luxuskonsum würde sich geltend machen. Die kurzfristigen
Kredite in Deutschland und anderen Ländern könnten durch langfristige abgelöst
werden, der Kreditstrom würde wieder zu fließen beginnen, der Kampf um die
Devisen und damit die ungewollten Beschränkungen des Welthandels würden auf-
hören.
Bringen dagegen die Gläubigerstaaten die Großzügigkeit nicht auf, den mehr oder
weniger bloß formalen Verzicht, den die Notwendigkeit von ihnen verlangt, rasch und
entschieden auszusprechen, so kann niemand sagen, wie lange die Krise noch dauern
und welche Konsequenzen sie haben wird. Jede Besserung der Situation, die trotz-
dem aus lokalen Ursachen da und dort sich ergeben könnte, würde sich nur als
vorübergehend erweisen.
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