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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Landau, Rom: Begegnungen mit amerikanischen Titanen
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0822

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Begegnungen mit amerikanischen Titanen
Von
Rom Landau-London
Herbert Hoover
Hinter ihm steht zusammengerollt das Sternenbanner und die blaue Standarte
des Präsidenten von U. S. A.; vor ihm sitzt eine indifferente Stenotypistin,
die jedes Wort unserer Unterhaltung festzuhalten hat. Draußen leuchten Sonnen-
strahlen auf alten Bäumen des Weißen Hauses, aber Mr. Herbert Hoover sieht
durch mich hindurch, weil es ihn langweilt, seine Zeit an mich zu verschwenden,
anstatt eine neue Botschaft an den Kongreß vorzubereiten. Indessen hatten sich
zwei veritable Botschafter Mühe gegeben, mir diese Unterhaltung zu vermitteln,
und so empfing er mich: stehend, groß, schwer, durch mich oder zu Boden
blickend. Sein Haar ist weißer, sein Anzug eleganter als auf den Fotos. Über-
raschend ist in dem fleischigen Gesicht der sehr menschliche, fast feminine Mund.
Als tüchtiger Politiker müßte man darauf achten, einen andern Mund zu haben,
oder ihn zumindest unter einem männlichen Prosperity-Schnurrbart zu verbergen.
Dann öffnet sich zur Antwort auf meinen fünfminutenlangen Vortrag der
resignierte Mund, und die Finger der Dame umklammern fester ihren silbernen
Eversharp. Eine warme und tiefe, doch müde Stimme formt die Worte, derent-
wegen ich acht Tage länger in Washington geblieben war: ,,I am so glad to have
met you. I am glad you like the United States, and I hope you will have during
your stay in this country a very good time."
Der Mund lächelt etwas verlegen, als hätte er schon zuviel gesagt, eine feine,
sehr weiße Hand streckt sich mir entgegen, und ich darf den „hand shake" in
Empfang nehmen, der zu den höchsten Ambitionen amerikanischer Seelen gehört.
Josef von Sternberg
Paramount Studio, Hollywood, California. Heckel, Schmidt-Rottluff an den
Wänden. Metallmöbel. Durchs Fenster: unprogrammatische Strahlen einer un-
problematischen Sonne.
Am Schreibtisch Josef Sternberg aus Wien, amerikanischer Staatsbürger mit
stark nasalem Akzent, mit forschend-aggressiven Augen, ergrauender Einstein-
Mähne, programmatisch zerzaustem Schlips, Schnurrbart und Kragen, die mit
ihrem Chaos die Unabhängigkeit von der gestriegelten Smartness der Paramount-
Bonzen und Direktoren unterstreichen sollen. Der wienerisch weiche Mund
spricht: „Was versteht ihr europäischen Intellektuellen vom Film, von dem Ernst,
Können, der Kunst Hollywoods. Film ist für Männer der Tat, nicht für euch
Intellektuelle. Ihr Europäer seid intellektuelle Snobs. Euer Leben ist Kitsch.
Nur der große Film ist wahr."
Ich widerspreche nicht. Ich bitte, einige Aufnahmen machen zu dürfen. Mit
beneidenswerter Milde lassen sich eine volle Stunde lang, von vorn, hinten, von
oben, unten und auch von der Seite, die diktatorischen Mähnen des Napoleon
Paramount von der Gier meines Objektivs verschlingen.

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