Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 12.1932
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0847
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Stern, Alfred: Amerika philosophiert
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philosophiert. Indem er nämlich die Existenz aller Probleme leugnet, die keinen
Einfluß auf sein Handeln ausüben, schneidet er ihnen die Füße ab, damit sie
ihn auf seinem Wege zu erfolgreichem Tun nicht mehr verfolgen und stören
können.
Aber erst mit seiner „Lösung" des Wahrheitsproblems erhebt sich der
Pragmatismus ganz auf die Höhe seiner Bestimmung als Philosophie der pros-
perity. Er erklärt es für unmöglich, daß das Weltbild des gesunden Menschen-
verstandes mit seinen Dingen, das des Physikers mit seinen Atomen und das des
Erkenntnistheoretikers mit seinen Empfindungsinhalten alle wahr seien, denn
infolge ihrer Verschiedenheit könnten sie nicht alle mit ein und derselben Wirk-
lichkeit übereinstimmen. Darum sei es das beste, um diese Probleme sich gar
nicht zu bekümmern und all jene Erkenntnisse für „wahr" zu erklären, die nützen,
die praktisch lohnend sind, die sich im Handeln gut bewähren, die Erfolg bringen,
die die prosperity fördern oder — was fast dasselbe ist — die Dollar-Einkünfte
vermehren helfen. Alle Urteile, die dies nicht vermögen, sind dann falsch. Damit
hat der Pragmatismus wieder zu seinem Messer gegriffen und alle weiteren
Probleme, die Wahrheit und Wirklichkeit aufgeben, abgeschnitten. Die Theorie
macht dem amerikanischen Philosophen wenig Sorge — Hauptsache ist, daß der
Weg zu erfolgreichem Handeln freigelegt ist.
Hat man dazu aber überhaupt einer Philosophie bedurft?
Es ist nun nicht nur philosophiehistorisch, sondern überhaupt geistes-
geschichtlich höchst interessant, daß Amerika just mit seinem brutalen logischen
Utilitarismus zum ersten Male Einfluß auf die europäische Philosophie gewinnen
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Einfluß auf sein Handeln ausüben, schneidet er ihnen die Füße ab, damit sie
ihn auf seinem Wege zu erfolgreichem Tun nicht mehr verfolgen und stören
können.
Aber erst mit seiner „Lösung" des Wahrheitsproblems erhebt sich der
Pragmatismus ganz auf die Höhe seiner Bestimmung als Philosophie der pros-
perity. Er erklärt es für unmöglich, daß das Weltbild des gesunden Menschen-
verstandes mit seinen Dingen, das des Physikers mit seinen Atomen und das des
Erkenntnistheoretikers mit seinen Empfindungsinhalten alle wahr seien, denn
infolge ihrer Verschiedenheit könnten sie nicht alle mit ein und derselben Wirk-
lichkeit übereinstimmen. Darum sei es das beste, um diese Probleme sich gar
nicht zu bekümmern und all jene Erkenntnisse für „wahr" zu erklären, die nützen,
die praktisch lohnend sind, die sich im Handeln gut bewähren, die Erfolg bringen,
die die prosperity fördern oder — was fast dasselbe ist — die Dollar-Einkünfte
vermehren helfen. Alle Urteile, die dies nicht vermögen, sind dann falsch. Damit
hat der Pragmatismus wieder zu seinem Messer gegriffen und alle weiteren
Probleme, die Wahrheit und Wirklichkeit aufgeben, abgeschnitten. Die Theorie
macht dem amerikanischen Philosophen wenig Sorge — Hauptsache ist, daß der
Weg zu erfolgreichem Handeln freigelegt ist.
Hat man dazu aber überhaupt einer Philosophie bedurft?
Es ist nun nicht nur philosophiehistorisch, sondern überhaupt geistes-
geschichtlich höchst interessant, daß Amerika just mit seinem brutalen logischen
Utilitarismus zum ersten Male Einfluß auf die europäische Philosophie gewinnen
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