Vom Schreiber zum Schriftsteller
Von August Schottes
Jedenfalls dichte ich aus Wut. So-
wohl zum Dichten als auch zur Wut
kam ich infolge meines verfehlten Be-
rufes. Wie gern wäre ich zum Beispiel
Schlosser geworden. Schlosser, das ent-
hielt für mich alle kühnen Zukunfts-
pläne. Ich war aber Schreiber. Vorerst
im Büro des Fürsten Lichnowsky, dann
bei dem reichen Kohlenmagnaten Tiele-
Winkler, schließlich bei dem noch reiche-
ren Baron Louis Rothschild. Wenn ich
nun bedenke, daß mein Gehalt mir
selbst ein Mittagessen nicht gestattete,
bekomme ich eine Extrawut. Ferner
arbeitete ich in einem halben Dutzend
mehr oder minder wichtiger Magistrate,
weiter in Kommunalbanken (wo man
mich stets zu meinem größten Gaudium
überwachte, damit meine Überintelligenz
nicht zu einem Griff in die Kasse
führte); weiter in Porzellan- und diver-
sen Schnapsfabriken und so weiter und
so weiter.
Aus allen diesen Stellungen nun bin
ich wegen angeblicher unverschämter
Frechheit gegenüber meinen Vorge-
setzten Knall und Fall geflogen. Glaube
mir, o lieber Leser: dem war nicht so!
Bevor ich Schreiber wurde, war ich
Handlanger bei den Maurern und ver-
half dem Baron Louis Rothschild, bei
dem ich später Schreiber war, zu einer
massiven Scheune. So mancher Ziegel-
stein, der heute in die Oppawiesen im
südlichen Schlesien hinausschaut, ist von
mir das Baugerüst hinaufgeschleppt
worden. Eines Sonnabends, als ich müde
zu meiner Matschitschka (Mutter) heim-
kam, meinte Matschitschka zu Tränen
gerührt: „Armer Junge, dein Maurer-
leben hat ein Ende. Du wirst Schreiber
im Fürstlichen Schloß." In der Nacht,
da wir wie üblich gemeinsam in unserer
guten Stube schliefen, lispelte Ma-
tschitschka mit Tatschitschek (Vater)
über meine Schreiberarbeit: „Ich stelle
mir einen Schreiber so vor: Er schreibt
und schreibt, und der Sekretär sieht
sich das Geschriebene an. Wenn das
nicht gut geworden ist, zieht er ihn am
Ohr und sagt ihm: No amal schreiben."
„No amal schreiben . . ." sagte Ma-
tschitschka auf deutsch. Alles andere
auf wassermährisch, das ja unsere
Muttersprache ist. Ooo meine gute
Matschitschka! Sie verstand wirklich
allerhand vom Schreiben!
Am nächsten Morgen ging ich mit
Vater im schwarzen Sonntagsstaat durch
den Wald in die Fürstliche Schloß-
kanzlei. „Hast du Angst?" meinte
Vater. „Nein", erwiderte ich, und das
Herz pochte. „Bete zum Heiligen
Florian", setzte Vater hinzu, und wir
stapften durch den sommerlichen Wald.
Der Sekretär wies mich an, mich zu
setzen, drückte mir einen Federhalter
in die Hand und sprach: „Mein lieber
Junge, schreib amal, was ich dir lang-
sam sage." Und er sagte:
KURHOTE L
MONTE VERITA bei ASCONA
SCHWEIZ
REDUZIERTE PREISE • PENSION AB RM 11.— • GOLF,
TENNIS • DIÄTKÜCHE • PROSPEKTE AUF ANFRAGE
663
Von August Schottes
Jedenfalls dichte ich aus Wut. So-
wohl zum Dichten als auch zur Wut
kam ich infolge meines verfehlten Be-
rufes. Wie gern wäre ich zum Beispiel
Schlosser geworden. Schlosser, das ent-
hielt für mich alle kühnen Zukunfts-
pläne. Ich war aber Schreiber. Vorerst
im Büro des Fürsten Lichnowsky, dann
bei dem reichen Kohlenmagnaten Tiele-
Winkler, schließlich bei dem noch reiche-
ren Baron Louis Rothschild. Wenn ich
nun bedenke, daß mein Gehalt mir
selbst ein Mittagessen nicht gestattete,
bekomme ich eine Extrawut. Ferner
arbeitete ich in einem halben Dutzend
mehr oder minder wichtiger Magistrate,
weiter in Kommunalbanken (wo man
mich stets zu meinem größten Gaudium
überwachte, damit meine Überintelligenz
nicht zu einem Griff in die Kasse
führte); weiter in Porzellan- und diver-
sen Schnapsfabriken und so weiter und
so weiter.
Aus allen diesen Stellungen nun bin
ich wegen angeblicher unverschämter
Frechheit gegenüber meinen Vorge-
setzten Knall und Fall geflogen. Glaube
mir, o lieber Leser: dem war nicht so!
Bevor ich Schreiber wurde, war ich
Handlanger bei den Maurern und ver-
half dem Baron Louis Rothschild, bei
dem ich später Schreiber war, zu einer
massiven Scheune. So mancher Ziegel-
stein, der heute in die Oppawiesen im
südlichen Schlesien hinausschaut, ist von
mir das Baugerüst hinaufgeschleppt
worden. Eines Sonnabends, als ich müde
zu meiner Matschitschka (Mutter) heim-
kam, meinte Matschitschka zu Tränen
gerührt: „Armer Junge, dein Maurer-
leben hat ein Ende. Du wirst Schreiber
im Fürstlichen Schloß." In der Nacht,
da wir wie üblich gemeinsam in unserer
guten Stube schliefen, lispelte Ma-
tschitschka mit Tatschitschek (Vater)
über meine Schreiberarbeit: „Ich stelle
mir einen Schreiber so vor: Er schreibt
und schreibt, und der Sekretär sieht
sich das Geschriebene an. Wenn das
nicht gut geworden ist, zieht er ihn am
Ohr und sagt ihm: No amal schreiben."
„No amal schreiben . . ." sagte Ma-
tschitschka auf deutsch. Alles andere
auf wassermährisch, das ja unsere
Muttersprache ist. Ooo meine gute
Matschitschka! Sie verstand wirklich
allerhand vom Schreiben!
Am nächsten Morgen ging ich mit
Vater im schwarzen Sonntagsstaat durch
den Wald in die Fürstliche Schloß-
kanzlei. „Hast du Angst?" meinte
Vater. „Nein", erwiderte ich, und das
Herz pochte. „Bete zum Heiligen
Florian", setzte Vater hinzu, und wir
stapften durch den sommerlichen Wald.
Der Sekretär wies mich an, mich zu
setzen, drückte mir einen Federhalter
in die Hand und sprach: „Mein lieber
Junge, schreib amal, was ich dir lang-
sam sage." Und er sagte:
KURHOTE L
MONTE VERITA bei ASCONA
SCHWEIZ
REDUZIERTE PREISE • PENSION AB RM 11.— • GOLF,
TENNIS • DIÄTKÜCHE • PROSPEKTE AUF ANFRAGE
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