Das Experiment des allgemeinen Experimentierens hat indessen gezeigt, daß
sich dafür nicht alle Objekte in gleicher Weise eignen — und am wenigsten
der Mensch. Wenn bekanntlich niemand aus der Geschichte etwas lernt, so lernt
einer um so weniger aus dem Schicksal des Einzelnen. Daher sind die Ergebnisse
einer Probe-Ehe für den Nebenmenschen nicht maßgebend, ja, sie sind für die
beiden Partner selbst nicht bindend. Denn der Mensch geht aus der Erfahrung
als ein neues Geschöpf hervor, und die Ergebnisse einer Erfahrung, die noch
der alte Adam durchmachte, sind auf diesen neuen Menschen nicht mehr an-
wendbar.
Und noch eins: faßt der Mensch den Eheversuch leichtsinnig auf, so ist es
keine Ehe, nimmt er ihn ernst, so ist es kein Versuch.
Parlamentarismus der Ehe.
Seit die Frau die Gleichberechtigung besitzt, weist der Ehebund eine Ähnlich-
keit mit dem Völkerbund auf, zumal mit dem Völkerbundsrat, dessen Beschlüsse
einstimmig gefaßt werden müssen und daher zumeist überhaupt nicht gefaßt
werden.
Liegt ernste Meinungsverschiedenheit vor, so gleicht die Ehe einem Parlament,
in dem eine Mehrheitsbildung unmöglich ist. Kommissarische Verwaltung durch
die Schwiegereltern pflegt auf hartnäckigen Widerstand zu stoßen, und ruft mit-
unter selbst eine zeitweilige Koalition der feindlichen Eheparteien ins Leben. Es
bleibt — wenn man sich nicht scheiden lassen will — häufig nichts anderes
übrig als die reaktionäre Diktatur, wobei es von untergeordneter Bedeutung ist,
ob sich daraus ein Patriarchat oder ein Matriarchat ergibt, ob der Mann der Haus-
tyrann ist oder ob die Frau den Pantoffel schwingt . ..
Gewiß wäre es möglich — zur Vermeidung einer Diktatur — das parlamen-
tarische Alter herabzusetzen und die Kinder zur Ausübung der Familiengewalt
heranzuziehen. Doch sind Kinder in der modernen Ehe nur ein zufälliger Be-
standteil, und es geht nicht an, von ihrem Vorhandensein eine grundsätzliche
Lösung abhängig zu machen.
Methodik der Eheschließung.
Die Geschichte kennt verschiedene Methoden der Eheschließung, von denen
jede ihre Vorzüge und Nachteile hat. Eine der mangelhaftesten stellt die soge-
nannte Liebesheirat dar: denn die Stimmungen, auf denen sie beruht, sind vor-
übergehender Natur, die Auswahl der Objekte ist in jedem Einzelfall überaus
beschränkt, das Ergebnis ist daher in stärkstem Maße vom Zufall abhängig. Es
kommt allerdings vor, daß das Trägheitsgesetz, dem die Ehe gehorcht, die Mängel
der Liebeswahl nachträglich ausgleicht.
Ernster zu nehmen ist das andere, uralte Verfahren: die Wahl des Ehepartners
durch die Eltern ohne Wissen und Beteiligung der zukünftigen Eheleute. Diese
Methode vereint die überlegene Einsicht des Alters mit der Spannung schicksal-
haften Hasardspieles bei den Jungen. Wenn im Augenblick der Trauung der
Schleier endlich fällt und den neugierigen Blicken des jungen Gatten das Antlitz
der Braut enthüllt, so kann die Überraschung angenehm oder peinlich sein —
jedenfalls spüren die Neuvermählten den Hauch des Schicksals, sie haben Teil an
dem unergründlichen Mysterium des Seins.
Als eine der erfolgreichsten Methoden erscheint jedoch die modernste: das
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sich dafür nicht alle Objekte in gleicher Weise eignen — und am wenigsten
der Mensch. Wenn bekanntlich niemand aus der Geschichte etwas lernt, so lernt
einer um so weniger aus dem Schicksal des Einzelnen. Daher sind die Ergebnisse
einer Probe-Ehe für den Nebenmenschen nicht maßgebend, ja, sie sind für die
beiden Partner selbst nicht bindend. Denn der Mensch geht aus der Erfahrung
als ein neues Geschöpf hervor, und die Ergebnisse einer Erfahrung, die noch
der alte Adam durchmachte, sind auf diesen neuen Menschen nicht mehr an-
wendbar.
Und noch eins: faßt der Mensch den Eheversuch leichtsinnig auf, so ist es
keine Ehe, nimmt er ihn ernst, so ist es kein Versuch.
Parlamentarismus der Ehe.
Seit die Frau die Gleichberechtigung besitzt, weist der Ehebund eine Ähnlich-
keit mit dem Völkerbund auf, zumal mit dem Völkerbundsrat, dessen Beschlüsse
einstimmig gefaßt werden müssen und daher zumeist überhaupt nicht gefaßt
werden.
Liegt ernste Meinungsverschiedenheit vor, so gleicht die Ehe einem Parlament,
in dem eine Mehrheitsbildung unmöglich ist. Kommissarische Verwaltung durch
die Schwiegereltern pflegt auf hartnäckigen Widerstand zu stoßen, und ruft mit-
unter selbst eine zeitweilige Koalition der feindlichen Eheparteien ins Leben. Es
bleibt — wenn man sich nicht scheiden lassen will — häufig nichts anderes
übrig als die reaktionäre Diktatur, wobei es von untergeordneter Bedeutung ist,
ob sich daraus ein Patriarchat oder ein Matriarchat ergibt, ob der Mann der Haus-
tyrann ist oder ob die Frau den Pantoffel schwingt . ..
Gewiß wäre es möglich — zur Vermeidung einer Diktatur — das parlamen-
tarische Alter herabzusetzen und die Kinder zur Ausübung der Familiengewalt
heranzuziehen. Doch sind Kinder in der modernen Ehe nur ein zufälliger Be-
standteil, und es geht nicht an, von ihrem Vorhandensein eine grundsätzliche
Lösung abhängig zu machen.
Methodik der Eheschließung.
Die Geschichte kennt verschiedene Methoden der Eheschließung, von denen
jede ihre Vorzüge und Nachteile hat. Eine der mangelhaftesten stellt die soge-
nannte Liebesheirat dar: denn die Stimmungen, auf denen sie beruht, sind vor-
übergehender Natur, die Auswahl der Objekte ist in jedem Einzelfall überaus
beschränkt, das Ergebnis ist daher in stärkstem Maße vom Zufall abhängig. Es
kommt allerdings vor, daß das Trägheitsgesetz, dem die Ehe gehorcht, die Mängel
der Liebeswahl nachträglich ausgleicht.
Ernster zu nehmen ist das andere, uralte Verfahren: die Wahl des Ehepartners
durch die Eltern ohne Wissen und Beteiligung der zukünftigen Eheleute. Diese
Methode vereint die überlegene Einsicht des Alters mit der Spannung schicksal-
haften Hasardspieles bei den Jungen. Wenn im Augenblick der Trauung der
Schleier endlich fällt und den neugierigen Blicken des jungen Gatten das Antlitz
der Braut enthüllt, so kann die Überraschung angenehm oder peinlich sein —
jedenfalls spüren die Neuvermählten den Hauch des Schicksals, sie haben Teil an
dem unergründlichen Mysterium des Seins.
Als eine der erfolgreichsten Methoden erscheint jedoch die modernste: das
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