und Wünschen; Romane, die von glänzenden weiblichen Eroberungen, von Adel
und Macht handeln, bilden einen großen Teil ihres Innenlebens. Sie beschäftigen
sich mit ihnen, sie leben in ihnen. Nie würde ich hoffen, einen Roman, der von ein-
samen und unglücklichen Frauen handelt, an Frauen zu verkaufen. Höchstens dann,
wenn er vom ersten bis zum letzten Wort sentimental wäre. Ein sentimentales Buch
wäre in diesem Fall ein Roman, in dem die Leiden und die Bedeutung der Frauen
unerhört übertrieben wären.
Männer sind, soweit sie überhaupt als Leser in Betracht kommen, ganz anders;
sie unterscheiden sich so sehr voneinander, daß man keine allgemein gültige Be-
schreibung geben kann. Manchmal komme ich auf den Gedanken, daß sie überhaupt
nur lesen, um die Anzahl der Fehler in den gelesenen Büchern festzustellen. Diese
Ansicht drängt sich mir meist auf, wenn ich meine Post durchsehe. Tatsächlich lesen
sehr wenige Männer in den Vereinigten Staaten belletristische Werke.
Die Begabung, populär zu schreiben, ist fast so selten wie ein großes Talent; unter
anderem gehört dazu eine recht große Ehrlichkeit. Der Autor, der eine Millionen-
auflage erreicht, glaubt fest an die Schönheit und Wahrheit dessen, was er schreibt;
er ist davon überzeugt, daß die Tugend im landläufigen Sinne belohnt wird; er ist
sicher, daß seine starren Moralbegriffe die richtigen sind. So etwa kenne ich die For-
mel, die der Mehrzahl unserer höchst erfolgreichen Romane zugrunde liegt; ich
könnte unter Beachtung der notwendigen Einzelheiten in Aufbau und Einfällen in
zwei Wochen ein derartiges Buch schreiben. Es würde mir etwa vierhunderttausend
Dollar einbringen — Serienrechte, Filmrechte und Dramatisierung eingeschlossen —,
wogegen ich nichts einzuwenden hätte. Und doch wäre ich sonderbarerweise gar
nicht imstande, es zu schreiben. Die Tatsache, daß es nicht aus dem richtigen Geist
heraus geschrieben wäre, daß ich selbst daran nicht glaubte, würde auf der Stelle
jedem sichtbar werden.
Einige wenige Schriftsteller sind in weitestem Kreise beliebt; der Umstand, daß
sie fast ausnahmslos sehr schlechte Schriftsteller sind, bekümmert sie nicht. Wie Ed-
mund Spenser haben auch sie ihre Gaben. Es ist unmöglich, sie nachzuahmen. Nein,
Sicherheit im materiellen Sinne bietet weder die eine noch die andere Art der
Schriftstellerei. Wo sie imstande ist, ihren Mann zu nähren, bedarf es einer unsäg-
lichen Arbeit. Einer Arbeit, die den Menschen ungeheuerlich mitnimmt. Selbst
die Prominenz, die daraus folgt, ist nicht immer angenehm; meist wird sie unerträg-
lich ermüdend, da eine unausgesetzte und allgemeine Dummheit sie bedrängt.
Törichte, sinnlose Fragen werden immer wieder gestellt, seichte, offenbar unauf-
richtige Komplimente gedrechselt; Tausende von Schriftstellern ohne den Schatten
einer Begabung machen sich mit ihren Bitten um Belehrung und Hilfe lästig; fast
alle anderen fähigen Kollegen zeigen ihren unerschöpflichen Neid und Haß; unaus-
gesetzt höhnt das innere Gewissen die unendliche Kluft zwischen Idee und Ver-
wirklichung.
Hinzu kommt, daß der schöpferische Schriftsteller, sei sein Werk nun schön oder
häßlich, keine Ferien und keine Ruhezeit kennt. Er trägt seine Schwierigkeiten und
Probleme immer mit sich herum; sie plagen ihn am Tage und quälen ihn des Nachts;
sie stellen sich zwischen ihn und sein Vergnügen und schließen ihn sogar vom Glück
und der Sicherheit aus, die ihm die Liebe gewähren möchte.
(Deutsch von Dora Sophie Kellner)
780
und Macht handeln, bilden einen großen Teil ihres Innenlebens. Sie beschäftigen
sich mit ihnen, sie leben in ihnen. Nie würde ich hoffen, einen Roman, der von ein-
samen und unglücklichen Frauen handelt, an Frauen zu verkaufen. Höchstens dann,
wenn er vom ersten bis zum letzten Wort sentimental wäre. Ein sentimentales Buch
wäre in diesem Fall ein Roman, in dem die Leiden und die Bedeutung der Frauen
unerhört übertrieben wären.
Männer sind, soweit sie überhaupt als Leser in Betracht kommen, ganz anders;
sie unterscheiden sich so sehr voneinander, daß man keine allgemein gültige Be-
schreibung geben kann. Manchmal komme ich auf den Gedanken, daß sie überhaupt
nur lesen, um die Anzahl der Fehler in den gelesenen Büchern festzustellen. Diese
Ansicht drängt sich mir meist auf, wenn ich meine Post durchsehe. Tatsächlich lesen
sehr wenige Männer in den Vereinigten Staaten belletristische Werke.
Die Begabung, populär zu schreiben, ist fast so selten wie ein großes Talent; unter
anderem gehört dazu eine recht große Ehrlichkeit. Der Autor, der eine Millionen-
auflage erreicht, glaubt fest an die Schönheit und Wahrheit dessen, was er schreibt;
er ist davon überzeugt, daß die Tugend im landläufigen Sinne belohnt wird; er ist
sicher, daß seine starren Moralbegriffe die richtigen sind. So etwa kenne ich die For-
mel, die der Mehrzahl unserer höchst erfolgreichen Romane zugrunde liegt; ich
könnte unter Beachtung der notwendigen Einzelheiten in Aufbau und Einfällen in
zwei Wochen ein derartiges Buch schreiben. Es würde mir etwa vierhunderttausend
Dollar einbringen — Serienrechte, Filmrechte und Dramatisierung eingeschlossen —,
wogegen ich nichts einzuwenden hätte. Und doch wäre ich sonderbarerweise gar
nicht imstande, es zu schreiben. Die Tatsache, daß es nicht aus dem richtigen Geist
heraus geschrieben wäre, daß ich selbst daran nicht glaubte, würde auf der Stelle
jedem sichtbar werden.
Einige wenige Schriftsteller sind in weitestem Kreise beliebt; der Umstand, daß
sie fast ausnahmslos sehr schlechte Schriftsteller sind, bekümmert sie nicht. Wie Ed-
mund Spenser haben auch sie ihre Gaben. Es ist unmöglich, sie nachzuahmen. Nein,
Sicherheit im materiellen Sinne bietet weder die eine noch die andere Art der
Schriftstellerei. Wo sie imstande ist, ihren Mann zu nähren, bedarf es einer unsäg-
lichen Arbeit. Einer Arbeit, die den Menschen ungeheuerlich mitnimmt. Selbst
die Prominenz, die daraus folgt, ist nicht immer angenehm; meist wird sie unerträg-
lich ermüdend, da eine unausgesetzte und allgemeine Dummheit sie bedrängt.
Törichte, sinnlose Fragen werden immer wieder gestellt, seichte, offenbar unauf-
richtige Komplimente gedrechselt; Tausende von Schriftstellern ohne den Schatten
einer Begabung machen sich mit ihren Bitten um Belehrung und Hilfe lästig; fast
alle anderen fähigen Kollegen zeigen ihren unerschöpflichen Neid und Haß; unaus-
gesetzt höhnt das innere Gewissen die unendliche Kluft zwischen Idee und Ver-
wirklichung.
Hinzu kommt, daß der schöpferische Schriftsteller, sei sein Werk nun schön oder
häßlich, keine Ferien und keine Ruhezeit kennt. Er trägt seine Schwierigkeiten und
Probleme immer mit sich herum; sie plagen ihn am Tage und quälen ihn des Nachts;
sie stellen sich zwischen ihn und sein Vergnügen und schließen ihn sogar vom Glück
und der Sicherheit aus, die ihm die Liebe gewähren möchte.
(Deutsch von Dora Sophie Kellner)
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