Klarheit die Versorgung mit Waffen und Lebensmitteln, an der Küste warteten
Schiffe, fünfundzwanzigtausend Menschen waren in bestimmte Aktionsgruppen
eingeteilt. Der Anschlag kam ans Licht; der Dey sann über die furchtbarste
Strafe für den verwegenen Spanier nach. Aber sein Erstaunen über die Kraft und
Begabung dieses Kriegskrüppels war noch größer als seine Wut. Entweder
wollte er ihn zur eigenen Verwendung verschonen oder zugunsten eines Löse-
gelds, denn ein solcher Mann nahm offenbar in Europa eine außerordentliche
Stellung ein. Daß er sich irrte, daß der König des Cervantes nichts für ihn tat,
daß dieser Held nach seiner Auslösung ein kleiner Beamter wurde, konnte man
angesichts seiner Taten nicht vermuten, höchstens daß er ein großer Dichter
werden könnte.
Bei Byron kam die romantische Tat erst nach dem Werk, am Ende seines Lebens.
Die Welt nahm sie sehr ernst; die Zeitungen von damals sind geradezu der Er-
findung der Schlagzeile nahe, wenn sie in langen Artikeln von Lord Byrons Zug
zur Rettung Griechenlands berichten. Die Tat ist glanzvoll, im Vergleich zu dem
schmucklosen Draufgängertum des Cervantes. Sie hat den gleichen Glanz wie die
epischen Abenteuer von Byrons heiteren und düsteren Helden. Dieser Zug war
nun die äußere Krönung eines dichterischen Lebens, tatsächlich mit dem geheimen
Ziel der griechischen Krone. Als junger Abgeordneter aber war er für das eng-
lische Proletariat eingetreten, als im Jahre des napoleonischen Rückzugs 1812
die ersten Arbeitskämpfe der Neuzeit einsetzten, bei den Webern von Nottingham.
Des Dichters Pairsrede an der Schwelle des Maschinenzeitalters stritt ge^en das
unsoziale Gesetz. Des Dichters sportsmännischer Schwung, das Feuer Eupho-
rions, der sich (in Goethes Darstellung und kühner als Goethe in seinem Leben)
in die Lüfte wirft, meisterte auch des Meeres und der Liebe Wellen, den Hellespont
von Sestos bis Abydos und die Frauen von der unheimlich geliebten Halb-
schwester bis zur harmlosen Guiccioli. Des Dichters Weltschmerz durchkreuzte
seinen Welt^enuß mit drängendem Groll über die Unvollkommenheit der
Schöpfung, und wo er aufstandslustige Carbonari traf, verschwor er sich mit ihnen.
Zuletzt konnte er für Hellas alle Elemente seiner Begeisterung in die richtige
Mischung bringen, für die Wiedergeburt hellenischer Vollkommenheit, wenn
schon nicht die ganze Erde geändert werden konnte (zuvor wollte er nach Süd-
amerika gehen, zur Befreiung der Kreolen). Auch seinen schlechten Ruf in Groß-
britannien, den Ruf Manfreds, gedachte er durch eine Tat des Ruhms in diesem
griechischen Inselmeer zu überwinden. Hier sollte er ja, gleich seinem Korsaren,
ein Seeräuber gewesen und schöne Sklavinnen persönlich entführt haben. Das
war erdichtet; aber seine Dichtungen spielten hier, und nun die lebendige Wirk-
lichkeit und der Tod. Der deutsche Griechen-Müller hatte es nur besungen: „Eine
Schlacht nur laß mich kämpfen, eine siegesfrohe Schlacht / Für die Freiheit der
Hellenen — und in deine lange Nacht / Folg ich deinem ersten Winke ohne
Sträuben, bleicher Freund, / Habe längst der Erde Schauspiel durchgelacht und
durchgeweint." Bis zum Kampfe gedieh das Unternehmenfreilich nicht, die ganze
auf Byrons Kosten aufgestellte Truppe stand in Missolunghi bald um ein Sterbe-
lager. Das Sumpffieber ließ ihm gerade noch die Kraft, um die tobenden Sold-
forderungen rings um sein Bett durch sein Ansehen und sein Geld erhaben zu
regeln, bis der Dichter und Führer im Gewittersturm verschied..
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Schiffe, fünfundzwanzigtausend Menschen waren in bestimmte Aktionsgruppen
eingeteilt. Der Anschlag kam ans Licht; der Dey sann über die furchtbarste
Strafe für den verwegenen Spanier nach. Aber sein Erstaunen über die Kraft und
Begabung dieses Kriegskrüppels war noch größer als seine Wut. Entweder
wollte er ihn zur eigenen Verwendung verschonen oder zugunsten eines Löse-
gelds, denn ein solcher Mann nahm offenbar in Europa eine außerordentliche
Stellung ein. Daß er sich irrte, daß der König des Cervantes nichts für ihn tat,
daß dieser Held nach seiner Auslösung ein kleiner Beamter wurde, konnte man
angesichts seiner Taten nicht vermuten, höchstens daß er ein großer Dichter
werden könnte.
Bei Byron kam die romantische Tat erst nach dem Werk, am Ende seines Lebens.
Die Welt nahm sie sehr ernst; die Zeitungen von damals sind geradezu der Er-
findung der Schlagzeile nahe, wenn sie in langen Artikeln von Lord Byrons Zug
zur Rettung Griechenlands berichten. Die Tat ist glanzvoll, im Vergleich zu dem
schmucklosen Draufgängertum des Cervantes. Sie hat den gleichen Glanz wie die
epischen Abenteuer von Byrons heiteren und düsteren Helden. Dieser Zug war
nun die äußere Krönung eines dichterischen Lebens, tatsächlich mit dem geheimen
Ziel der griechischen Krone. Als junger Abgeordneter aber war er für das eng-
lische Proletariat eingetreten, als im Jahre des napoleonischen Rückzugs 1812
die ersten Arbeitskämpfe der Neuzeit einsetzten, bei den Webern von Nottingham.
Des Dichters Pairsrede an der Schwelle des Maschinenzeitalters stritt ge^en das
unsoziale Gesetz. Des Dichters sportsmännischer Schwung, das Feuer Eupho-
rions, der sich (in Goethes Darstellung und kühner als Goethe in seinem Leben)
in die Lüfte wirft, meisterte auch des Meeres und der Liebe Wellen, den Hellespont
von Sestos bis Abydos und die Frauen von der unheimlich geliebten Halb-
schwester bis zur harmlosen Guiccioli. Des Dichters Weltschmerz durchkreuzte
seinen Welt^enuß mit drängendem Groll über die Unvollkommenheit der
Schöpfung, und wo er aufstandslustige Carbonari traf, verschwor er sich mit ihnen.
Zuletzt konnte er für Hellas alle Elemente seiner Begeisterung in die richtige
Mischung bringen, für die Wiedergeburt hellenischer Vollkommenheit, wenn
schon nicht die ganze Erde geändert werden konnte (zuvor wollte er nach Süd-
amerika gehen, zur Befreiung der Kreolen). Auch seinen schlechten Ruf in Groß-
britannien, den Ruf Manfreds, gedachte er durch eine Tat des Ruhms in diesem
griechischen Inselmeer zu überwinden. Hier sollte er ja, gleich seinem Korsaren,
ein Seeräuber gewesen und schöne Sklavinnen persönlich entführt haben. Das
war erdichtet; aber seine Dichtungen spielten hier, und nun die lebendige Wirk-
lichkeit und der Tod. Der deutsche Griechen-Müller hatte es nur besungen: „Eine
Schlacht nur laß mich kämpfen, eine siegesfrohe Schlacht / Für die Freiheit der
Hellenen — und in deine lange Nacht / Folg ich deinem ersten Winke ohne
Sträuben, bleicher Freund, / Habe längst der Erde Schauspiel durchgelacht und
durchgeweint." Bis zum Kampfe gedieh das Unternehmenfreilich nicht, die ganze
auf Byrons Kosten aufgestellte Truppe stand in Missolunghi bald um ein Sterbe-
lager. Das Sumpffieber ließ ihm gerade noch die Kraft, um die tobenden Sold-
forderungen rings um sein Bett durch sein Ansehen und sein Geld erhaben zu
regeln, bis der Dichter und Führer im Gewittersturm verschied..
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