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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Grossmann, Rudolf: Besuchein der vierten Dimension
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#1274

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Besuche in der vierten Dimension
Von
Rudolf Großmann

Wir rücken heute der Seele von allen Seiten auf den Leib. Man will sie er-
kennen, beweisen, erfühlen. Daß es sie gibt, wird ziemlich allgemein an-
genommen; steht — wie ferngerückt ist das materialistische 19. Jahrhundert —
nicht mehr in Frage. So sucht man ihr denn auch richtig beizukommen, und die
„Seelenkunde" befindet sich heute im Brennpunkt aller geisteswissenschaftlichen
Arbeit. Unser gesamtes Kunstschaffen ist von gleichem Drange bedingt. Unser
Innenleben drängt immer mehr die Außenwelt zurück. Unsere Sinne werden nur
noch Vermittler zwischen den beiden Seelenformen: der inneren und der äußeren.
Der Mensch ist im Begriff, auf Erden zu sich zu kommen. Das ungeheure
Reich des Unbewußten beginnt sich erst zu erschließen, die Wissenschaft hat sich
nur zögernd hineingewagt. Die Methoden und Apparate funktionieren noch nicht
recht, und die Entdeckerarbeit leisten in ihrem Sinn die kühnen und schlauen
Pioniere, die Hellseher und Astrologen. Wenn auch positiv dabei noch wenig
herauskommt bei diesen merkwürdigen Erfühlungen und Aufspürungen von
Dingen jenseits des Alltags, so sind die Begleitumstände, unter denen sie gesche-
hen, und auch die Nieten um so merkwürdiger und aufschlußreicher. Auch der
Boden, auf den sie fallen, müßte auf seine Auf-
nahmefähigkeit untersucht werden. Man
könnte eine Topographie der vierten Dimen-
sion aufstellen. Nach dem Kriege war z. B.
München ein ergiebiger Ort für Gespenster
außerhalb von uns, die selbständigen Daseins
dem Urboten oder vergangenen Zeiten irr-
lichternd entstiegen.
Später, eigentlich erst heute, packts auch
den aufgeweckten Berliner, wenn er durch
die Unsicherheit und die Überstürzung der
Ereignisse in seiner Stadt seine Vitalität und
Strammheit verliert und irgendwo manchmal
was Durchsichtiges, fadenscheinig Gespensti-
sches aus ihm herausguckt. Dann läuft er zu
Sehern und Astrologen.
Das Wort Seele ist ein Debnbegriff gewor-
den. Vom christlichen Dogma über ihre Un-
sterblichkeit bis zur Ansicht eines Chirurgen,
wie Bier, der die Seele gleich Reiz setzt, ist
ein weiter Weg. Früher riß die schwarze
Magie, als unser Glaube an die vierte Di-
mension, noch in den Kinderschuhen steckte,
mit einem Donnerschlag das Jenseits auf —


Rudolf Großmann Coue aber noch immer erwarten wir von unseren

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