Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 12.1932
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Löwenstein, Hubertus zu: Die Krise des deutschen Adels
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Die Krise des deutschen Adels
Von
Dr. jur. Hubertus Prinz zu Löwenstein- Wertheim-Freudenberg
Die sozialen und politischen Umschichtungen der letzten Jahre haben viele über
dem Schema Bourgeoisie-Proletariat den Blick dafür verlieren lassen, daß es
in der Staatsgesellschaft auch noch andere, nicht minder wesentliche Kräfte gibt,
unter denen der Adel
wohl die bedeutungs-
vollste ist. Schon eine
flüchtige Betrachtung
der Listen, die seine
Vertreter an führenden
Stellen der Politik, der
Wirtschaft und der
Kunst verzeichnen, ver-
mag zu erweisen, wie
sehr sein Einfluß vor-
läufig noch davon ent-
fernt ist, in einer all-
gemeinen Gleichheit
unterzugehen. Diese
Tatsache ist es, die die
folgendenUntersuchun-
gen rechtfertigt und die
ihre Bedeutung über den
Kreis jener Menschen
hinaushebt, die un-
mittelbar daran betei-
ligt sind.
Wenn dem nun ent-
gegnet würde,daß solche
Betrachtungen aber
schon deshalb unfrucht-
bar seien, weil man im
Alice Garnmann
Unter vornehmen Hunden
„. .. du riechst aber nach Seitenlinie..."
gegenwärtigen Zustand der Entwicklung von einem ungemischten Blute und mithin
auch von einem Adel im strengen Sinne des Wortes überhaupt nicht mehr sprechen
könne, so sei darauf hingewiesen, daß es ja nicht auf einen möglichst hohen und
rechnerisch feststellbaren Prozentsatz ursprünglich adeligen Blutes, sondern nur
auf das eine ankomme: was durch alle Generationen hindurch, im Spannungsfelde
des „Hauses" und abstrahiert von jeder körperlichen Grundlage, der heutigen Zeit
und ihren Menschen vermittelt wurde. In einer demokratischen Ordnung, die auf
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Von
Dr. jur. Hubertus Prinz zu Löwenstein- Wertheim-Freudenberg
Die sozialen und politischen Umschichtungen der letzten Jahre haben viele über
dem Schema Bourgeoisie-Proletariat den Blick dafür verlieren lassen, daß es
in der Staatsgesellschaft auch noch andere, nicht minder wesentliche Kräfte gibt,
unter denen der Adel
wohl die bedeutungs-
vollste ist. Schon eine
flüchtige Betrachtung
der Listen, die seine
Vertreter an führenden
Stellen der Politik, der
Wirtschaft und der
Kunst verzeichnen, ver-
mag zu erweisen, wie
sehr sein Einfluß vor-
läufig noch davon ent-
fernt ist, in einer all-
gemeinen Gleichheit
unterzugehen. Diese
Tatsache ist es, die die
folgendenUntersuchun-
gen rechtfertigt und die
ihre Bedeutung über den
Kreis jener Menschen
hinaushebt, die un-
mittelbar daran betei-
ligt sind.
Wenn dem nun ent-
gegnet würde,daß solche
Betrachtungen aber
schon deshalb unfrucht-
bar seien, weil man im
Alice Garnmann
Unter vornehmen Hunden
„. .. du riechst aber nach Seitenlinie..."
gegenwärtigen Zustand der Entwicklung von einem ungemischten Blute und mithin
auch von einem Adel im strengen Sinne des Wortes überhaupt nicht mehr sprechen
könne, so sei darauf hingewiesen, daß es ja nicht auf einen möglichst hohen und
rechnerisch feststellbaren Prozentsatz ursprünglich adeligen Blutes, sondern nur
auf das eine ankomme: was durch alle Generationen hindurch, im Spannungsfelde
des „Hauses" und abstrahiert von jeder körperlichen Grundlage, der heutigen Zeit
und ihren Menschen vermittelt wurde. In einer demokratischen Ordnung, die auf
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