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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Lernet-Holenia, Alexander: Über sogenannte Anglomanie in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0141

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jedoch wird billigerweise niemand für
etwas anderes halten können als für ein
vernünftiges Sichrichten nach einem (in
unserem Falle schlechterdings ziemlich
meisterhaften) Vorbild.
Die Berliner mögen sich, ohne sich
damit etwas zu vergeben, um so eher nach
einem solchen Vorbild richten, als sogar
wir in Österreich es schon längst tun, ohne
uns damit etwas zu vergeben. Wir in
Österreich besitzen ja unsere Lebensform,
die, wie ich glaube, eine ziemlich über-
legene ist, einfach daher, daß wir seit Jahr-
hunderten die Vorteile des spanischen,
des italienischen und neuerdings auch des
englischen Stils uns zu eigen machen.
Ein Volk hat eben nicht bloß zu produ-
zieren, sondern mindestens auch ebenso-
sehr zu assimilieren. Wir Österreicher
haben bestimmt nur daher ein größeres
Savoir-Vivre als die Deutschen und vor
allem die Berliner, weil wir zwar weniger
tüchtig, daher aber auch wesentlich
weniger bockig und widerspenstig sind
als diese. Man wird zwar vieles aber doch
nicht alles bloß durch eigene Tüchtig-
keit. Es bleibt immer noch genug übrig,
zu dem man erst durch ein gewisses
Laisser-aller kommen kann.


Garretto

„Immer elegant, immer seriös — Gott,
ham' wir zu tun . . .!"

Ich fühle mich bemüßigt, das einmal ganz offen heraus zu sagen. Die Berliner
vertrugen sowas bisher nicht, das heißt: sie hörten nicht einmal hin, wenn man
ihnen die Wahrheit sagte. Wir im Auslande aber hoffen, daß die letzthin in Berlin
eingetretenen besonders scheußlichen Zeiten wenigstens das eine Gute mit sich
gebracht haben möchten, daß die Berliner, zum erstenmal durch Mißerfolg vor
sich selbst desavouiert, wie nur Erfolgsanbeter desavouiert sein können, jetzt das
Ohr für den ruhigen Einspruch einer zwar weniger erfolgreichen, aber auf Ge-
bieten, die mit dem Erfolg nicht unmittelbar zusammenhängen, letzten Endes doch
tonangebenderen Nachbarschaft bekommen haben mögen.
Der Berliner darf vor allem nicht vergessen, daß er aus seiner wesentlich frederi-
zianischen Vergangenheit nichts mitbekommen hat, was für die bloße Lebensart
nach dem Jahre 1918 noch verwendbar sein könnte. Die Existenz Preußens in den
letzten zwei Jahrhunderten war eine so große und vor allem eine so rein aktivisti-

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