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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Scott, Cyril: Aus den Briefen eines englischen Offiziers an seine deutsche Geliebte
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0166

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leide ich' (wie gesagt) an Trübsinn. Bald muss ich irgendwo und irgendwie ein Stand
suchen. Aber für was bin ich passend ? Ich hab mich übergelegt und übergelegt, was
ich tun soll. Den gansen Tag in eine stinkische Bureau zu sitzen, das egelt mich
wirklich zu arch. Ich möchte am liebsten etwas mit Tieren machen z. B. ein
Tierarzt werden. Aber dafür muss man studieren und es fehlt mir genügend Gelt.
Oder mit Musik möchte ich ein Verhältniss haben, aber da auch sind Hem-
mungen...
Dein Bildniss steht auf meinem Nachtisch, wo ich es ansehen kann ehe ich
einschlafe und sobald ich aufwecke. Leider tut es Dich nicht schmeicheln, aber
es ist besser wie garnichts und hülft mir ein gans klein wenig die Realität vorzu-
stellen. In der Nacht sehe ich es auch viel an, denn heut-zu-Tage schlafe ich so
schlecht. Ich denke zu viel an die Zukunft. Ach, wenn nur Deine Hand meine
Stirn leise anstreichen könnte wie öfters in Wiesbaden, dann werde ich schleunigst
einschlafen.
Hab ich Dir nicht versprochen alles zu erzählen, und Dir alle meine Nacht-
richten zu geben? Also gut. — An meine Eltern finde ich viele Änderungen muss
ich leider sagen. Mein Vater ist sehr veraltet und etwas geschrumpft — er hat
zu viele Sorgen gehabt was mit dem Nachfolgen des Kriegs und all diesem Zeug.
Früher war er leidlich wohlhaben, jetzt ist er in anderen Umständen. Wir müssen
alle einziehen und es kommt schwer. Und die Mutter, sie hat ein liniertes Gesicht
bekommen, leidet fortgesetzt an nervöse Unverdauung und die Frische ihrer
Backen ist jetzt abgegangen. Das alles macht mich etwas traurig... Übrigens
der Vater ist gestern abend in mein Schlafzimmer eingetreten und hat Dein
Bildniss erblickt. Zuerst starrt er es sinnend an und dann mit seinem drockenen
gutmütigen Lächeln bemerkte „Na, Du hast dein Herz wohl in einer kleine
Deutscherin verloren?" Ich hab es zugegeben. „Sie ist allerdings sehr reizend",
hat er hinzugefügt... Mein Vater ist in mancher Beziehungen etwas Englisch
und konventionell, aber trotz der vergangenen Prügelei besitzt er eine pyramidale
Bewunderung für die Deutschen. Er meinte sie wären so gründlich und so
fleissig. Wie Du weisst, bin ich auch vollständig seine Meinung. Der Kaiser war
ihm allerdings nicht sympathisch und er muss manchmal seinen Witz haben z. B.
über die Würste und das Bierschluckerei. Aber meinetwegen! Persönlich muss
ich behaupten dass das deutsche Bier ein höchst geschmackvolle Getränk ist,
besonders wenn Du dabei sitzt. Von dem Wein wollen wir liebe nicht reden; ich
werde zu sehnsuchtsvoll. - — • —
Jetzt muss ich für Heute aufhören; ich habe Pflichten und muss ein Haufen
Leute treffen. Am liebsten natürlich wollt ich Dir stundenlang schreiben, ob-
gleich es sehr mühsam ist, da ich gezwungen bin viele Worte im Lexicon nachzu-
suchen. Doch, ist das wohltuend und ich lerne dabei.
Adieu Honig, ich küsse Dich verschiedene Mal und sende Dir meine Liebe.
Dein getreuer
T.
PS. Du schreibst sehr bald, geld? Lass mich um Gotteswillen nicht lang ohne
Nachtricht. Und bitte grüsse deine nette Mutter von mir.
* * *

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