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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Fallada, Hans: Das Groß-Stankmal: Bericht aus einer deutschen Kleinstadt von 1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0187

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nen" nennen. Es ging
um ziemlich wichtige
Geschichten : eine Klär-
anlage für eine und eine
halbe Million, die Er-
werbslosenbeihilfen zu
Weihnachten, der Ver-
kauf von vier städtischen
Grundstücken, die lang-
ersehnte Konzession ei-
ner Autobuslinie nach
Mellen — alles interesse-
los. Was wird mit der
Großtankstelle? Nein,
mitdemGroß-Stankmal!
Jede Partei schickte
ihren Hauptredner vor.
Die Deutschnationalen
dagegen. Die Deutsche
Volkspartei dagegen.
Nazis dagegen. Reichs-
wirtschaftspartei: einer-
seits nein, andererseits
ja. Freie Entschließung
ihrer Mitglieder. Staats-
partei: andrerseits nein,
einerseits ja, dito. Zen-
trum nicht vorhanden.
Sozis ja. Kommunisten:
gebt uns lieber was zu


Eugen Croissant
„Weg von da, du dämliche
Taube, sonst bestell ich dich!"

und stark waren, aus unseren Augen! Wälzen wir uns in unserer Schmach! Statt
eines Heldenmals ein Groß-Stankmal, das sind die Zeichen unserer Zeit! Bürger-
meister Wendel mag erst einmal dafür sorgen, daß die Wege zum Heldenhain bei
Regenwetter passierbar sind! Der Vorschlag, der hier unter „Eingesandt" erschien,
wird jeden Deutschgesinnten empören! Sollen wir die Erinnerungen an unsere Siege
verstecken? Das paßte
gewissen Herren so!
Niemals ! !!"
Am Heldendenkmal
lag darauf ein viel beach-
teter Kranz mit schwarz-
weiß-roter Schleife „In
Treue fest". Am Häus-
chen aber fand sich eine
Inschrift,,Rotfront lebt".
Die Bürger zerbra-
chen sich tagelang die
Köpfe: Von wem diese
schwer zu entfernende
Bemalung? Von den
Kommunisten ? Von den
Nationalsozialisten ? Von
den Stahlhelmern ? Oder
von den Sozis? Allen
war es zuzutrauen.Nein,
keinem ! Doch, denKom-
munisten schon! Die
sind nicht so dumm! Da
haben Sie auch wieder
recht.
Die nächste Sitzung
der städtischenKollegien
zeichnete sich durch das
aus, was manche Repor-
ter „brechende Tribü-

essen. — Abstimmung: elf Stimmen für die Großtankstelle, fünf gegen das Groß-

Stankmal. Die andern enthalten.
Gebrüll: Schiebung. Schlägerei auf den Tribünen. Sehr beachtete Auseinander-
setzung zwischen dem städtischen Medizinalrat und Herrn Kinobesitzer Heiß :
„Euch Korpsstudenten kennen wir doch!"
„Mit Großstadtunzucht unsere Töchter verseuchen!"
„Sie haben ja gar keine, Herr Medizinalrat!"
„Das geht Sie einen Dreck an!"
Immerhin, das Ergebnis war da, die Großtankstelle prinzipiell genehmigt, das
Stadtbauamt wurde um Entwürfe, auszuführen am Platze des jetzigen Heldenmals,
ersucht. Lange Zeit, sehr lange Zeit. Dann kamen die Entwürfe. Die Überführung

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