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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Kahn, Máximo José: Spanien übt für die Ehescheidung
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0267

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Spanien übt für die Ehescheidung
Von
Mäximo Jose Kahn
Der Fischladen
In der Calle Mayor von Madrid — das ist ungefähr die Königstraße von Berlin —
gibt es ein großes Fischgeschäft, das hat zwei Eingänge und zwei Verkaufs-
räume, die voneinander, wie die Hälften eines Schwimmbassins, durch eine Barriere
getrennt sind. Diese Separation ist nicht für Herrschaften und Dienstpersonal
gemacht, sondern für Herren und Damen. Eine Fischhandlung, sollte man meinen,
ist genau das Gegenteil eines Tempels der Venus, aber in Spanien hat gerade dieses
Geschäft seine süßen Geheimnisse. Von Madrid nach Norden ist, zum Beispiel,
ein Fisch beliebt, der japuta heißt; die Bedeutung des Wortes puta ist um einige
Grade schärfer als die von Nutte, und vornehme Herrschaftsköchinnen fühlen sich,
sanft errötend, veranlaßt, indem sie den Eingang für Frauen im Fischladen der
Calle Mayor benutzen, zu verlangen: „Bitte ein halbes Pfund von dem Fisch mit
dem häßlichen Namen!" — Weiterhin werden in den spanischen Fischläden jene
unzähligen Arten von mariscos feilgeboten, zu denen man alle Krabben-, Muschel-,
Seeschnecken-, eßbaren Tang-, Langusten- und Meerwürmersorten rechnet und
die hervorragend beliebte Afrodisiaca sind. Der Volksmund versinnbildlicht eine
Reihe von mariscos, die von der Natur kaum anzüglicher gestaltet werden konnten,
mit nicht näher zu bezeichnenden Partien des weiblichen Körpers.
Der Hühnerhof und die Druckknöpfe
In vielen Teilen Spaniens ist es Sitte, vor dem Rosenkranzgebet den Hahn aus
dem Hühnerhof zu entfernen, damit zu dieser geweihten Stunde nicht etwas Männ-
liches und Weibliches zusammen sei. Von sich aus hat das unvernünftige Vieh
keine Moral. Aus dem gleichen Grund sorgt die Hausfrau dafür, daß die Mädchen
bei dieser Gelegenheit nicht Kleider anhaben, die mit Druckknöpfen verschlossen
werden. Druckknöpfe bestehen bekanntlich aus zwei Teilen. Der eine hat eine Aus-
buchtung und wird im Spanischen macho genannt, das ist: Männchen; der andere
trägt eine Vertiefung und heißt infolgedessen hembra, das will sagen: Weibchen.
Diese beiden sinnfälligen Beispiele wurden aufgeführt, um zu zeigen, daß in
Spanien, lange bevor die Verfassung der Republik die Scheidung von Ehen ermög-
lichte, die Separation des Gepaarten gewissermaßen mythologisch bereits vor-
gezeichnet war.
Die Scheidung der Herzogin de A.
Übrigens war im Prinzip die Ehescheidung auch im alten Spanien schon mög-
lich, wie das der Fall der Herzogin von A. zeigt, deren Gatte in der Hochzeitsnacht
trotz gütigen Zuspruchs nicht aus seinem Gemach zu locken war und die, als sie,
resigniert, mit dessen Kammerdiener vorlieb nehmen wollte, die Erfahrung machen
mußte, daß gerade dieser, den sie zur Unehrlichkeit gegen seinen Gebieter auf-
zustacheln im Begriff gewesen war, hinter verschlossener Schlafzimmertür treu
zu seinem Herrn hielt. Vermittels des Betrages von einer Million Peseten erreichte
sie die Scheidung ihres kurzen Eheglücks, und zwar beim Heiligen Stuhl. Eine
persönliche Reise nach Rom gab ihr die Freiheit zurück und das Recht, sich wieder

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