— Ich sehe, daß Sie sind schon
ganz angewöhnt in Europa. Wollen
Sie in Ihre Heimat, nach Amerika nie
zurück?
Die Künstlerin wurde fast wütend.
— Ach, darüber sprechen sie mir
gar nicht. Nach Amerika? Jamais de
la viel Ich habe genug von Amerika.
Genug habe ich in dieser verfluchten
Negerheimat gelitten. Ich hasse die
Amerikaner. Warum? Weil auch sie
mich hassen. Mich und meine Rasse.
Kann ich etwas dafür, daß ich in Ame-
rika geboren bin? Ist es meine Schuld,
daß mir eine schwarze Frau das Leben
geschenkt hatte? Nie wieder nach
Amerika, haben Sie mich verstanden?
Nur meine Leiche werde ich hinüber-
führen lassen, damit sie neben deren
meiner Eltern liegen soll... Ich fühle
mich ganz gut in Europa.
— Aber, Liebste, du regst dich
schon wiederum auf...
— Ich rege mich nicht auf, ich sage
nur, daß ich von Amerika nichts hören
will... Du weißt es ja ganz gut...
— Ist schon recht. Aber jetzt
müssen wir ins Theater, es ist schon
halb neun.
— Ach, ja... J'ai deux amours...
Die halbwilde Künstlerin begann ein
Lied zu singen, das in ihrem neuesten
Repertoire, die Rolle des Pariser
Schlager-Chansons einnimmt.
Draußen auf der Straße warten
Hunderte von Neugierigen, die die
Negresse in „zivil" sehen wollen, oder
um von ihr ein Autogramm zu be-
kommen. Genf, ende Januar, 1932.
Man könnte den sogenannten Schön-
heitssalon als das Versailles der Frau be-
zeichnen.
(General-Anzeiger für Bonn u. Umgebung)
Der Ortsfürsorgeausschuß Mittelfeld
hat beschlossen und bekanntgeben lassen,
daß Wohlfahrtsunterstützungsempfängern
der Besuch von Wirtschaften sowie das
Rauchen auf der Straße verboten ist. Zu-
widerhandelnden wird die Unterstützung
entzogen. (Fränkischer Kurier)
Unter Aristokraten
Geschichten
von Tassilo und Aristide
Tassilo verlangt auf dem Postamt
beim Schalter Briefmarken.
„Was für Marken?"
„Solche zu 25 Groschen."
Der Beamte nimmt aus seiner
Mappe den Bogen mit den fünfund-
zwanziger Marken. „Wieviel, bitte?"
Tassilo zeigt auf eine Marke:
„Geben's mir die", zeigt auf eine
andere Marke, „und die", und, nach
längerem Gustieren auf eine dritte:
„na, und vielleicht die da."
*
Tassilo und Aristide sitzen im Klub
lange schweigend einander gegenüber.
Tassilo unterbricht endlich das
Schweigen. „Sei nicht bös', Aristide,
dein Gesicht ist mir so langweilig, ich
kann's nicht mehr anschauen."
„Wenn du meinst, Tassilo. Tauschen
wir halt die Plätz'."
*
„Ein Unglücksjahr, das Zweiund-
dreißiger, Tassilo! Hat ausgerechnet
mit einem Freitag angefangen."
Pause.
„Noch ein Glück, Aristide, daß es
nicht auch ein dreizehnter war."
*
Tassilos Frau hat Drillinge be-
kommen. Aristide besieht sich die drei
Kinderchen, die nebeneinander in einer
großen Wiege liegen.
„Reizend!" sagt er zum ersten, „Ent-
zückend!" zum zweiten, „Charmant!"
zum dritten.
Dann, zu Tassilo gewandt: „Na,
und welches willst' denn behalten?"
„Sie werden es kaum glauben,
aber ich schreibe die besten Liebes-
geschichten der Welt. Ich werde sie
nach meinem Tod drucken lassen."
Edgar Wallace
(zu einer Berliner Journalistin)
206
ganz angewöhnt in Europa. Wollen
Sie in Ihre Heimat, nach Amerika nie
zurück?
Die Künstlerin wurde fast wütend.
— Ach, darüber sprechen sie mir
gar nicht. Nach Amerika? Jamais de
la viel Ich habe genug von Amerika.
Genug habe ich in dieser verfluchten
Negerheimat gelitten. Ich hasse die
Amerikaner. Warum? Weil auch sie
mich hassen. Mich und meine Rasse.
Kann ich etwas dafür, daß ich in Ame-
rika geboren bin? Ist es meine Schuld,
daß mir eine schwarze Frau das Leben
geschenkt hatte? Nie wieder nach
Amerika, haben Sie mich verstanden?
Nur meine Leiche werde ich hinüber-
führen lassen, damit sie neben deren
meiner Eltern liegen soll... Ich fühle
mich ganz gut in Europa.
— Aber, Liebste, du regst dich
schon wiederum auf...
— Ich rege mich nicht auf, ich sage
nur, daß ich von Amerika nichts hören
will... Du weißt es ja ganz gut...
— Ist schon recht. Aber jetzt
müssen wir ins Theater, es ist schon
halb neun.
— Ach, ja... J'ai deux amours...
Die halbwilde Künstlerin begann ein
Lied zu singen, das in ihrem neuesten
Repertoire, die Rolle des Pariser
Schlager-Chansons einnimmt.
Draußen auf der Straße warten
Hunderte von Neugierigen, die die
Negresse in „zivil" sehen wollen, oder
um von ihr ein Autogramm zu be-
kommen. Genf, ende Januar, 1932.
Man könnte den sogenannten Schön-
heitssalon als das Versailles der Frau be-
zeichnen.
(General-Anzeiger für Bonn u. Umgebung)
Der Ortsfürsorgeausschuß Mittelfeld
hat beschlossen und bekanntgeben lassen,
daß Wohlfahrtsunterstützungsempfängern
der Besuch von Wirtschaften sowie das
Rauchen auf der Straße verboten ist. Zu-
widerhandelnden wird die Unterstützung
entzogen. (Fränkischer Kurier)
Unter Aristokraten
Geschichten
von Tassilo und Aristide
Tassilo verlangt auf dem Postamt
beim Schalter Briefmarken.
„Was für Marken?"
„Solche zu 25 Groschen."
Der Beamte nimmt aus seiner
Mappe den Bogen mit den fünfund-
zwanziger Marken. „Wieviel, bitte?"
Tassilo zeigt auf eine Marke:
„Geben's mir die", zeigt auf eine
andere Marke, „und die", und, nach
längerem Gustieren auf eine dritte:
„na, und vielleicht die da."
*
Tassilo und Aristide sitzen im Klub
lange schweigend einander gegenüber.
Tassilo unterbricht endlich das
Schweigen. „Sei nicht bös', Aristide,
dein Gesicht ist mir so langweilig, ich
kann's nicht mehr anschauen."
„Wenn du meinst, Tassilo. Tauschen
wir halt die Plätz'."
*
„Ein Unglücksjahr, das Zweiund-
dreißiger, Tassilo! Hat ausgerechnet
mit einem Freitag angefangen."
Pause.
„Noch ein Glück, Aristide, daß es
nicht auch ein dreizehnter war."
*
Tassilos Frau hat Drillinge be-
kommen. Aristide besieht sich die drei
Kinderchen, die nebeneinander in einer
großen Wiege liegen.
„Reizend!" sagt er zum ersten, „Ent-
zückend!" zum zweiten, „Charmant!"
zum dritten.
Dann, zu Tassilo gewandt: „Na,
und welches willst' denn behalten?"
„Sie werden es kaum glauben,
aber ich schreibe die besten Liebes-
geschichten der Welt. Ich werde sie
nach meinem Tod drucken lassen."
Edgar Wallace
(zu einer Berliner Journalistin)
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