sogenannten Lebensinhalt werden kann, dafür ist hinreichend gesorgt. Die große
Masse der (männlichen und weiblichen) Angestellten hebt sich von den quali-
fizierteren Arbeitern eigentlich nur noch dadurch ab, daß sie ihr Einkommen in
Form von Gehalt empfängt. Sonst sind — von jenen Angestelltenberufen ab-
gesehen, in denen die Mechanisierung eine geringe Rolle spielt — die Lebens-
bedingungen annähernd die gleichen. Hier wie dort verschwindend kleine
Anstiegsmöglichkeiten, die Angst vorm Abbau und im Hintergrund eine riesige
Reserve-Armee. Die Beschaffenheit des Berufslebens hängt selbstverständlich
von der Art des Berufs ab.
Ein spezifisch weiblicher ist der der Stenotypistin, da in diesem Beruf auf
100 Angestellte über 90 Frauen kommen. Sie haben zur Hälfte nervöse Leiden,
die geradezu als eine neue Berufskrankheit angesprochen werden dürfen. Verur-
sacht werden diese Nervengeschichten nicht allein durch die unmittelbaren
Strapazen des Berufs, durch das Getöse vieler Maschinen im Raum, durch das zu
hastige Tempo usw., sondern auch durch Erschütterungen des seelischen Gleich-
gewichts, die unter dem Druck derselben Bedingungen in anderen Berufen nicht
minder häufig auftreten. Man spürt den Gegensatz zwischen dem schlechten
Zuhause und der Oberwelt des Büros; man bleibt unbefriedigt von einer Arbeit,
die weder Selbstzweck ist noch sich eingliedern läßt; man sehnt sich nach Er-
füllung des weiblichen Daseins. Nicht nur die Stenotypistinnen fassen den Beruf
als Übergangszustand auf und drängen zur Ehe. Eine treffende Schilderung dieser
Nöte, die zudem zeigt, daß es in Frankreich nicht viel anders ist als bei uns,
entwirft Suzanne Normand in ihrem Buch: Fünf Frauen auf einer Galeere. Wer
keinen Mann findet, und das sind viele, hat von der Zukunft nichts zu erwarten
und ist darum gesundheitlichen Schädigungen besonders leicht zugänglich.
(Vergleiche hierzu die Erhebung des Allgemeinen freien Angestelltenbundes über
die Arbeit an Schreibmaschinen.) Der heutigen Medizin gelten immer noch,
durchaus im Einklang mit der kapitalistischen Weltanschauung, alle Krankheiten
als Erscheinungen, die am Individuum haften; sie müßte endlich lernen, statt des
einzelmenschlichen Körpers den Kollektivkörper zu betrachten und die indi-
viduellen Erkrankungen aus denen der Gesellschaft abzuleiten...
Ich übergehe die zahllosen Bagatellen, aus denen sich das Berufsleben der
Mädchen und Frauen zusammensetzt. Es mögen kleine Freuden darunter sein,
wie sie die Magazine mit Vorliebe sammeln; aber wie die Verhältnisse heute sind,
behaupten typische Schwierigkeiten und Konflikte das Feld. Manche von ihnen
erblicken vorm Arbeitsgericht das Licht der Öffentlichkeit, das sie zu scheuen
hätten. So wird einer zwanzigjährigen Postaushelferin beim Fernsprechamt
wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs gekündigt; eine ledige Privat-
angestellte vor die Tür gesetzt, weil sie schwanger geworden ist; eine andere
Angestellte nach achtjähriger Tätigkeit fristlos entlassen, weil sie ihren unmittel-
baren (verheirateten) Vorgesetzten zum Freund hat; usw. Hinzuzufügen ist dieser
winzigen Auslese nur noch, daß das Arbeitsgericht in den betreffenden Fällen
mehr Einsicht bewiesen hat als die verklagten Firmen. Daß sich mitunter auch
einmal Angestellte zu Unrecht beschweren, bedarf keiner ausdrücklichen Er-
wähnung.
Und außerhalb des Berufs ? Man kann ohne Mühe nachrechnen, was sich mit
240
Masse der (männlichen und weiblichen) Angestellten hebt sich von den quali-
fizierteren Arbeitern eigentlich nur noch dadurch ab, daß sie ihr Einkommen in
Form von Gehalt empfängt. Sonst sind — von jenen Angestelltenberufen ab-
gesehen, in denen die Mechanisierung eine geringe Rolle spielt — die Lebens-
bedingungen annähernd die gleichen. Hier wie dort verschwindend kleine
Anstiegsmöglichkeiten, die Angst vorm Abbau und im Hintergrund eine riesige
Reserve-Armee. Die Beschaffenheit des Berufslebens hängt selbstverständlich
von der Art des Berufs ab.
Ein spezifisch weiblicher ist der der Stenotypistin, da in diesem Beruf auf
100 Angestellte über 90 Frauen kommen. Sie haben zur Hälfte nervöse Leiden,
die geradezu als eine neue Berufskrankheit angesprochen werden dürfen. Verur-
sacht werden diese Nervengeschichten nicht allein durch die unmittelbaren
Strapazen des Berufs, durch das Getöse vieler Maschinen im Raum, durch das zu
hastige Tempo usw., sondern auch durch Erschütterungen des seelischen Gleich-
gewichts, die unter dem Druck derselben Bedingungen in anderen Berufen nicht
minder häufig auftreten. Man spürt den Gegensatz zwischen dem schlechten
Zuhause und der Oberwelt des Büros; man bleibt unbefriedigt von einer Arbeit,
die weder Selbstzweck ist noch sich eingliedern läßt; man sehnt sich nach Er-
füllung des weiblichen Daseins. Nicht nur die Stenotypistinnen fassen den Beruf
als Übergangszustand auf und drängen zur Ehe. Eine treffende Schilderung dieser
Nöte, die zudem zeigt, daß es in Frankreich nicht viel anders ist als bei uns,
entwirft Suzanne Normand in ihrem Buch: Fünf Frauen auf einer Galeere. Wer
keinen Mann findet, und das sind viele, hat von der Zukunft nichts zu erwarten
und ist darum gesundheitlichen Schädigungen besonders leicht zugänglich.
(Vergleiche hierzu die Erhebung des Allgemeinen freien Angestelltenbundes über
die Arbeit an Schreibmaschinen.) Der heutigen Medizin gelten immer noch,
durchaus im Einklang mit der kapitalistischen Weltanschauung, alle Krankheiten
als Erscheinungen, die am Individuum haften; sie müßte endlich lernen, statt des
einzelmenschlichen Körpers den Kollektivkörper zu betrachten und die indi-
viduellen Erkrankungen aus denen der Gesellschaft abzuleiten...
Ich übergehe die zahllosen Bagatellen, aus denen sich das Berufsleben der
Mädchen und Frauen zusammensetzt. Es mögen kleine Freuden darunter sein,
wie sie die Magazine mit Vorliebe sammeln; aber wie die Verhältnisse heute sind,
behaupten typische Schwierigkeiten und Konflikte das Feld. Manche von ihnen
erblicken vorm Arbeitsgericht das Licht der Öffentlichkeit, das sie zu scheuen
hätten. So wird einer zwanzigjährigen Postaushelferin beim Fernsprechamt
wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs gekündigt; eine ledige Privat-
angestellte vor die Tür gesetzt, weil sie schwanger geworden ist; eine andere
Angestellte nach achtjähriger Tätigkeit fristlos entlassen, weil sie ihren unmittel-
baren (verheirateten) Vorgesetzten zum Freund hat; usw. Hinzuzufügen ist dieser
winzigen Auslese nur noch, daß das Arbeitsgericht in den betreffenden Fällen
mehr Einsicht bewiesen hat als die verklagten Firmen. Daß sich mitunter auch
einmal Angestellte zu Unrecht beschweren, bedarf keiner ausdrücklichen Er-
wähnung.
Und außerhalb des Berufs ? Man kann ohne Mühe nachrechnen, was sich mit
240