ein junges Mädchen, das grade seine Berufsvorbereitung beendet hat und in
dieser Zeit nur aushilfsweise Beschäftigung findet. Sie lebt mit einem älteren,
sehr geliebten Mann in Kameradschaftsehe, der Mann, in besten Verhältnissen,
würde gern heiraten, aber sie kann sich nicht entschließen, weil sie genau weiß,
daß sie dadurch jede Aussicht in ihrem Beruf verlieren würde.
Wenn auch einige typische Eigenschaften einem großen Teil unserer jungen
Mädchen gemeinsam sein mögen, der Grundzug und das Neue an ihnen ist und
bleibt ihre große Verschiedenheit, besonders in ihrer Stellung zum anderen Ge-
schlecht. Sie haben sich, wie gesagt, gegen frühere Zeiten vor allem dadurch
geändert, daß sie ungleich untereinander geworden sind, mit allen Nach- und
Vorteilen der Ungleichheit für den, der sie studiert, oder der als erfahrener Mann
von einer auf andere schließen möchte. Das ist heute fast stets ein Fehlschluß.
Sogar die jungen Mädchen und Frauen verschiedener Städte sind heute nicht
anders verschieden als junge Mädchen derselben Stadt. Wenn man die Berliner,
die Hamburger, die Leipziger, die Kölner jungen Mädchen vergleicht, so zeigt
sich immer wieder, daß, neben der persönlichen Verschiedenheit, die des Milieus
geringer ist. Und doch tritt auch sie noch hervor. Vor allem die zwischen Groß-
und Kleinstadt und Land. Ein Be-
kannter von mir in einer deutschen
Mittelstadt machte vor kurzem folgen-
des Experiment, um die Stellung der
Frau in diesem Milieu zu ergründen. Er
fragte rundherum alle seine Bekannten,
alte und junge, ob sie es richtig fänden,
daß eine Dame allein ins Cafe geht. Alle
ohne Unterschied des Geschlechts und
des Alters waren der Ansicht, daß eine
Dame nicht allein ins Cafe gehen kann.
Die gleiche Frage wurde in Berlin, Leip-
zig, Köln, Hamburg ganz anders be-
antwortet. Man fand die Frage vielfach
absurd, da man meinte, daß dieses
Recht der Frau heute wohl von nie-
mand mehr in Zweifel gezogen würde.
Man wollte es nicht glauben, daß man,
kaum ein paar Stunden Bahnfahrt ent-
fernt, schon ganze Städte voll solcher
Zweifler finden kann.
Aber wenn die jungen Mädchen
auch nicht allein ins Cafe gehen, so
machen sie andere Gänge heute doch
allein, auch in der Kleinstadt, auch
auf dem Lande. Sie gehen ihre eigenen
Wege, und diese Wege sind ungeheuer
verschieden, wie eigene Wege es immer
sind und sein werden.
Li Wegner
249
dieser Zeit nur aushilfsweise Beschäftigung findet. Sie lebt mit einem älteren,
sehr geliebten Mann in Kameradschaftsehe, der Mann, in besten Verhältnissen,
würde gern heiraten, aber sie kann sich nicht entschließen, weil sie genau weiß,
daß sie dadurch jede Aussicht in ihrem Beruf verlieren würde.
Wenn auch einige typische Eigenschaften einem großen Teil unserer jungen
Mädchen gemeinsam sein mögen, der Grundzug und das Neue an ihnen ist und
bleibt ihre große Verschiedenheit, besonders in ihrer Stellung zum anderen Ge-
schlecht. Sie haben sich, wie gesagt, gegen frühere Zeiten vor allem dadurch
geändert, daß sie ungleich untereinander geworden sind, mit allen Nach- und
Vorteilen der Ungleichheit für den, der sie studiert, oder der als erfahrener Mann
von einer auf andere schließen möchte. Das ist heute fast stets ein Fehlschluß.
Sogar die jungen Mädchen und Frauen verschiedener Städte sind heute nicht
anders verschieden als junge Mädchen derselben Stadt. Wenn man die Berliner,
die Hamburger, die Leipziger, die Kölner jungen Mädchen vergleicht, so zeigt
sich immer wieder, daß, neben der persönlichen Verschiedenheit, die des Milieus
geringer ist. Und doch tritt auch sie noch hervor. Vor allem die zwischen Groß-
und Kleinstadt und Land. Ein Be-
kannter von mir in einer deutschen
Mittelstadt machte vor kurzem folgen-
des Experiment, um die Stellung der
Frau in diesem Milieu zu ergründen. Er
fragte rundherum alle seine Bekannten,
alte und junge, ob sie es richtig fänden,
daß eine Dame allein ins Cafe geht. Alle
ohne Unterschied des Geschlechts und
des Alters waren der Ansicht, daß eine
Dame nicht allein ins Cafe gehen kann.
Die gleiche Frage wurde in Berlin, Leip-
zig, Köln, Hamburg ganz anders be-
antwortet. Man fand die Frage vielfach
absurd, da man meinte, daß dieses
Recht der Frau heute wohl von nie-
mand mehr in Zweifel gezogen würde.
Man wollte es nicht glauben, daß man,
kaum ein paar Stunden Bahnfahrt ent-
fernt, schon ganze Städte voll solcher
Zweifler finden kann.
Aber wenn die jungen Mädchen
auch nicht allein ins Cafe gehen, so
machen sie andere Gänge heute doch
allein, auch in der Kleinstadt, auch
auf dem Lande. Sie gehen ihre eigenen
Wege, und diese Wege sind ungeheuer
verschieden, wie eigene Wege es immer
sind und sein werden.
Li Wegner
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