lassen, das finde ich gemein. Würden Sic
sich beeinflussen lassen, wenn Sie zwei
Frauen liebten, nein, ich will sagen, wenn
zwei Frauen Sie liebten, eine reiche und eine
arme? ... Also sehen Sie! Aber persönlich
(sehr bestimmt) liegen mir Lyriker nicht,
nee, ich kenne zwar keine, aber Bio-
graphien habe ich gelesen, die haben alle
etwas Außergewöhnliches in ihrem Leben,
nicht grade Wahnsinn, aber sehen Sie, ich
bin für das Normale, für das Gesunde, ja
eben für das Normale, ich könnte mich
mit solchen Menschen nicht befreunden,
nicht vertraut werden. Ich kenne auch
Menschen, die ungeheuer klug sind und so,
aber das ist mir fremd. Männer, die flat-
terhaft in der Liebe sind, die verstehe ich
nicht. Doch, ich verstehe sie schon, aber
sie bleiben mir fremd. Ja, wenn ich ver-
liebt wäre und den Mann aus irgend-
einem Grund nicht heiraten könnte, ich
würde deshalb gern mit ihm leben. Aber
bei mir kommt das nicht in Frage. Ich
würde es furchtbar nett finden, wenn er
mir statt Seidenstrümpfe ein Gedicht
schenken würde. Ja, auch wenn ich sie
nötig hätte. Wenn man sich wirklich
liebt, gibt es keine Reibereien. Ich werde
den Doktor in Jura studieren, und dann
möchte ich ein Wohlfahrtspflegerinnen-
Examen machen und Gefängniswesen stu-
dieren oder so etwas. Wissen Sie, was
Zugscharen sind? Jetzt fällt mir ein, daß
ich vorige Woche Heine gelesen habe, so
durchgeblättert. Kennen Sie Timmer-
manns?... Dort lieben die Männer auch
mehrere Mädchen, aber das ist ursprüng-
lich, das ist so gesund, während bei Wer-
fel, ... das ist einfach unappetitlich.
S. L., zahnärztliche Assistentin, 22 Jahre
alt (Wien):
Nein, ein hundertprozentiger Mann ist
ein lyrischer Dichter nicht. Warum? ...
Weil ... weil ... ja, wie soll ich Ihnen
das ausdrücken? — Er kann seine Gedan-
ken nicht auf eine Frau konzentrieren.
Sein Gedicht ist ihm viel wichtiger. Und
außerdem: er ist ein Lügner. Sie ver-
stehen: die Phantasie und so.
Er kann lieb sein, er kann reizend sein,
man kann ihn ziemlich leicht und schnell
lieben. Warum? Weil man glaubt, daß es
vielleicht eine Ehre ist, ihn zu lieben. Weil
er vielleicht von vielen anderen Frauen ge-
liebt wird. Aber das wäre auch bei einem
Boxer oder einem Piloten so. Ein Kauf-
mann wieder, oder ein Ingenieur, ist ein
ernster Mann. Ich könnte nur einen ern-
sten Mann lieben, der seine ganzen Ge-
danken auf eine Frau konzentrieren kann.
Dichter sind keine richtigen Männer. Sie
betrügen die Frauen, in jeder Hinsicht.
Ja aber, wenn man einen Dichter doch
liebt ... dann bleibt einem nichts andres
übrig, als ihn ernst zu nehmen. Und dann,
glaube ich, würde mich ein Gedicht, das er
auf mich gemacht hat, doch mehr freuen
als ein Geschenk. Ja, es könnte ein Ge-
schenk ersetzen. Im allgemeinen möchte ich
sagen, daß Gedichte eine Frau wohl ver-
führen können. Aber bitte sehr: es muß
ja nicht der Dichter selbst sein, der davon
den Vorteil hat. Ein Gedicht kann viel-
leicht doch eine Frau bestimmen, sich von
einem anderen verführen zu lassen, von
einem, ton dem sie sich gerne verführen
lassen möchte. Sie verstehen mich.
Ich habe noch keinen Lyriker gesehen.
Ich stelle ihn mir schön vor, furchtbar
schön ... groß ... schwarz, ganz schwarz,
eventuell mit Koteletts, mit ausgestopften
Schultern ... und überhaupt sehr elegant.
Er darf keine Späße machen. Er müßte
ernst sein. Aber ein Dichter ist ja nie ernst.
Zwei Warenhaus-Verkäuferinnen, 18 Jahre
(Berlin):
A.: Ich mache mir nichts aus Gedichten,
da lese ich lieber Bücher, Romane und so.
B.: Seit man aus der Schule weg ist,
hat man doch so wenig Zeit. Höchstens
von Kerr etwas im Tageblatt. Nur keine
grünen Liebesgedichte, um Gottes willen! —
A.: Doch sicher sind Dichter ein bissl
anders als ein Kaufmann. Nicht auf Geld
eingestellt, ich stelle mir vor, daß sie zu-
rückhaltend sind, wenig sprechen, immer
beobachten und im Gebirge leben oder wo
und Studien betreiben.
B.: Moderne Dichter — also nicht die
alten, die hinter Büchern hocken — führen
sicher dasselbe Leben, wie z. B. ein Inge-
nieur. Sicher tanzen sie gern und betreiben
Sport. Ich denke, der Schriftsteller sucht
im Leben den Typ zu verkörpern, den er
im Roman beschreibt. —
A.: Ach doch ja, sicher würde er mir
besser gefallen als ein Kaufmann. Jeden-
falls würde ich die Bekanntschaft mit einem
288
sich beeinflussen lassen, wenn Sie zwei
Frauen liebten, nein, ich will sagen, wenn
zwei Frauen Sie liebten, eine reiche und eine
arme? ... Also sehen Sie! Aber persönlich
(sehr bestimmt) liegen mir Lyriker nicht,
nee, ich kenne zwar keine, aber Bio-
graphien habe ich gelesen, die haben alle
etwas Außergewöhnliches in ihrem Leben,
nicht grade Wahnsinn, aber sehen Sie, ich
bin für das Normale, für das Gesunde, ja
eben für das Normale, ich könnte mich
mit solchen Menschen nicht befreunden,
nicht vertraut werden. Ich kenne auch
Menschen, die ungeheuer klug sind und so,
aber das ist mir fremd. Männer, die flat-
terhaft in der Liebe sind, die verstehe ich
nicht. Doch, ich verstehe sie schon, aber
sie bleiben mir fremd. Ja, wenn ich ver-
liebt wäre und den Mann aus irgend-
einem Grund nicht heiraten könnte, ich
würde deshalb gern mit ihm leben. Aber
bei mir kommt das nicht in Frage. Ich
würde es furchtbar nett finden, wenn er
mir statt Seidenstrümpfe ein Gedicht
schenken würde. Ja, auch wenn ich sie
nötig hätte. Wenn man sich wirklich
liebt, gibt es keine Reibereien. Ich werde
den Doktor in Jura studieren, und dann
möchte ich ein Wohlfahrtspflegerinnen-
Examen machen und Gefängniswesen stu-
dieren oder so etwas. Wissen Sie, was
Zugscharen sind? Jetzt fällt mir ein, daß
ich vorige Woche Heine gelesen habe, so
durchgeblättert. Kennen Sie Timmer-
manns?... Dort lieben die Männer auch
mehrere Mädchen, aber das ist ursprüng-
lich, das ist so gesund, während bei Wer-
fel, ... das ist einfach unappetitlich.
S. L., zahnärztliche Assistentin, 22 Jahre
alt (Wien):
Nein, ein hundertprozentiger Mann ist
ein lyrischer Dichter nicht. Warum? ...
Weil ... weil ... ja, wie soll ich Ihnen
das ausdrücken? — Er kann seine Gedan-
ken nicht auf eine Frau konzentrieren.
Sein Gedicht ist ihm viel wichtiger. Und
außerdem: er ist ein Lügner. Sie ver-
stehen: die Phantasie und so.
Er kann lieb sein, er kann reizend sein,
man kann ihn ziemlich leicht und schnell
lieben. Warum? Weil man glaubt, daß es
vielleicht eine Ehre ist, ihn zu lieben. Weil
er vielleicht von vielen anderen Frauen ge-
liebt wird. Aber das wäre auch bei einem
Boxer oder einem Piloten so. Ein Kauf-
mann wieder, oder ein Ingenieur, ist ein
ernster Mann. Ich könnte nur einen ern-
sten Mann lieben, der seine ganzen Ge-
danken auf eine Frau konzentrieren kann.
Dichter sind keine richtigen Männer. Sie
betrügen die Frauen, in jeder Hinsicht.
Ja aber, wenn man einen Dichter doch
liebt ... dann bleibt einem nichts andres
übrig, als ihn ernst zu nehmen. Und dann,
glaube ich, würde mich ein Gedicht, das er
auf mich gemacht hat, doch mehr freuen
als ein Geschenk. Ja, es könnte ein Ge-
schenk ersetzen. Im allgemeinen möchte ich
sagen, daß Gedichte eine Frau wohl ver-
führen können. Aber bitte sehr: es muß
ja nicht der Dichter selbst sein, der davon
den Vorteil hat. Ein Gedicht kann viel-
leicht doch eine Frau bestimmen, sich von
einem anderen verführen zu lassen, von
einem, ton dem sie sich gerne verführen
lassen möchte. Sie verstehen mich.
Ich habe noch keinen Lyriker gesehen.
Ich stelle ihn mir schön vor, furchtbar
schön ... groß ... schwarz, ganz schwarz,
eventuell mit Koteletts, mit ausgestopften
Schultern ... und überhaupt sehr elegant.
Er darf keine Späße machen. Er müßte
ernst sein. Aber ein Dichter ist ja nie ernst.
Zwei Warenhaus-Verkäuferinnen, 18 Jahre
(Berlin):
A.: Ich mache mir nichts aus Gedichten,
da lese ich lieber Bücher, Romane und so.
B.: Seit man aus der Schule weg ist,
hat man doch so wenig Zeit. Höchstens
von Kerr etwas im Tageblatt. Nur keine
grünen Liebesgedichte, um Gottes willen! —
A.: Doch sicher sind Dichter ein bissl
anders als ein Kaufmann. Nicht auf Geld
eingestellt, ich stelle mir vor, daß sie zu-
rückhaltend sind, wenig sprechen, immer
beobachten und im Gebirge leben oder wo
und Studien betreiben.
B.: Moderne Dichter — also nicht die
alten, die hinter Büchern hocken — führen
sicher dasselbe Leben, wie z. B. ein Inge-
nieur. Sicher tanzen sie gern und betreiben
Sport. Ich denke, der Schriftsteller sucht
im Leben den Typ zu verkörpern, den er
im Roman beschreibt. —
A.: Ach doch ja, sicher würde er mir
besser gefallen als ein Kaufmann. Jeden-
falls würde ich die Bekanntschaft mit einem
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