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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Fehr, Jules: Segen der Inflation: Novelle der Vornehmheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0475

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Segen
der Inflation
Novelle der Vornehmheit
Von
Julo Fehr
Der peinlichste Moment meines
Lebens?" wiederholte Herr von Z.
die Frage der Lady B. Sein hageres Pferden
gesicht verharrte in wohlbemessener Aus^
drucksenthaltung. Lediglich sein rechtes
Auge zielte mit Sorgfalt die Bügelfalte
seines übergeschlagenen Beins entlang.
,,Lassen Sie mich gütigst nachdenken."
Ein paar köstlicheAugenblicke regungs-
loser Ruhe kultivierten den Raum. Matt

schimmerten die Polituren. Heilige Fische schwangen sich, blaue Rauchfahnen
leicht biegend, um das Kristall des Lüsters. Scharf ausgeschnitten staken helle
Hemdbrüste im Kreis. Leise klirrend kläffte ein kleiner silberner Löffel seine
Tasse an.
„Richtig", gestattete sich Herr von Z. fortzufahren. „Richtig, mein pein^
lichstes Erlebnis war eigentlich eine ganz mediokre Angelegenheit. Es war bei^
läufig bemerkt im Jahre 13. In Gardone."
Herr von Z. hob tief deprimiert seine linke Hand, erlaubte sich, einige Zeichen
von Interesse für die Haltung — wenigstens lag die Vermutung nahe — seiner
Finger anzudeuten, verwies mit scharfem „Danke" den Diener darauf, daß es ihm
nicht genehm, durch gastronomen Zuspruch aus seiner geistigen Not erlöst zu
werden, und setzte seinen Bericht fort.
„Wir waren auf Wunsch von Frau von Z. an den Gardasee gereist. Ich kut^
schierte unter Assistenz von Bereaux. Bis 14 hatte ich ja Bereaux für meinen Stall.
Ein Mirakel von Pferdeherz. Schade, daß der Krieg gegen Frankreich ging! Seidene
raupe und Kimono entwickelten in der Hand des Franzosen eine einzigartige
Aktion. — Nun, Torbole lag am See. Am Wasser. Bei Wind, Wellen. Und so.
Badegelegenheit. Fabelhafte Schwemme für die Orlows. Sonst trostlos. Wir die
einzigen Menschen. Das Hotel überfüllt bis unter die Dachsparren. — Wir fahren
eines Tages nach Gardone. Der See ist blau. Großartige Stimmung. Die Felsen
sind auch blau."
Es lag zu fürchten, Herr von Z. würde zum Dichter ausarten, sein Dithyrambus
war hinreißend. Doch er verhielt seine Exaltation auf einen erstaunten Blick der
Frau von Z. hin. „Gardone. Wir speisten superb Krebse auf die besondere Art des
Bentheim. Kamen dann zum Kasino. Roulette. Hatte ich bis dahin nicht gejeut.
Werde es auch kaum mehr tun. War damals eine wirklich peinliche Affäre."

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