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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Aper, Rochus: Männeran der Macht: I. Ostpreueße Otto Braun
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0053

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Immerhin hatte das Kapp-Abenteuer dann doch noch dazu beigetragen, Otto
Braun seinen Posten als Landwirtschaftsminister zu nehmen: er wurde bei der
Umbildung der Regierung, die sich aus dem Putsch ergab, Ministerpräsident des
preußischen Freistaates. Diese Position hat er, mit kurzen Unterbrechungen, bis
zum heutigen Tag inne. Aus der ursprünglich mehr repräsentativen Stellung des
preußischen Ministerpräsidenten schuf sich Otto Braun die überragende Position,
die ihm seinen staatsmännischen Weltruf eingetragen hat.
Seiner Fähigkeit zur Selbstkonzentration gelingt es, im richtigen Moment das
richtige Wort zu finden, das die andern, die vorher stundenlang hin- und her-
stritten, platt schlägt; und wieder einmal sind die Risse in der Koalition ver-
kittet! Wenn Preußen in den letzten Jahren als Rocher de bronce in der labilen
Politik Deutschlands steht, so ist es das Werk dieses schlichten, konsequenten
Charakters von fast altrömischer Sittenstrenge. Ein parlamentarisch gemilderter
Autokrat, dessen messerscharfe Argumente den politischen Kuchen immer just
an der richtigen Stelle aufzuschneiden wissen.
Dabei ist Braun durchaus kein Rhetor mit Glanz und Pose. Er wirkt mehr
durch Persönlichkeit als durch Pathos. Was immer er spricht, stets merkt man,
daß er gründliche Vorstudien nicht gescheut hat, sich nie mit seichten Erkennt-
nissen zufrieden gibt. Phrasen hat wohl noch keiner aus seinem Munde gehört,
dafür immer wieder Sarkasmen, deren frische Derbheit befreiend wirkt. Und
dabei kann er noch sparsam mit seiner Schlagfertigkeit sein, weil er sie zu placieren
versteht. Es soll sich keiner einbilden, Otto Braun so leicht aus dem Konzept
bringen zu können. In einer Rede vor dem Landtag unterbrach ihn einmal ein
Zwischenrufer von der Rechten:
„Na, Sie fallen ja auch immer auf
die Füße!"
Rasch kam Brauns Antwort:
„Immer noch besser, Preußens Mi-
nisterpräsident versteht es, auf die
Füße zu fallen, als er ist auf den
Kopf gefallen."
Nicht nur in Klang und Sprache
sind diese rednerischen Finten,
Ausfälle und Paraden unverkenn-
bar ostpreußisch. Das hat Karl
Renner, österreichischer Staats-
kanzler a. D., einmal sehr beklagt:
„Der Otto Braun soll ja so witzig
sein. Schad daß i nie versteh was
er sagt." Umgekehrt wäre wahr-
scheinlich auch gefahren, denn der
Genosse Otto Braun versichert:
„Ich bilde mir ein, Preußen war
niemals preußischer, als heute, wo
ich als alter Ostpreuße an der
Spitze stehe."


Heitinger

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