Ungleich den Muskeln aller anderen Athleten, sind die Muskeln des Schwimmers
lang, weich und biegsam. Die durchschnittlichen Athletenmuskeln sind kurz,
hart und elastisch, sie müssen sich ja zwischen je zwei Zusammenziehungen
und Streckungen schnell und stark ändern können. Der Springer, der Läufer, der
Boxer, der Ringkämpfer beziehen ihre Wirkungen aus schnellen und intensiven
Muskelkontraktionen. Diese Kontraktion unterbindet vorübergehend die Blut-
versorgung der Muskeln. Da der Schwimmer in einem anderen Element arbeitet
als die übrigen Athleten, in einem Element, das von ihm einen ständigen und
gleichmäßigen Energiefluß fordert, kann er solche plötzliche, kräftige Muskel-
kontraktionen nicht brauchen. Wasser ist ein solider, wiewohl nachgiebiger Stoff.
Soll eine Bewegung im Wasser wirkungsvoll sein, muß sie langsam sein. Immer
und immer wieder hörte ich Bachrach sagen, im Wasser brauche selbst ein Stein
Zeit, um zu sinken. Angestrengtes Arbeiten im Wasser bleibt nicht nur wirkungs-
los, es ermüdet auch ungemein, und man hat nichts davon. Ich hörte schon von
vielen großen Allround-Athleten, nie aber von einem Allround-Athleten, der
auch im Wasser gut gewesen wäre. Keiner von den großen Schwimmern, von
denen ich hörte, hatte sich jemals in einem andern Sport ausgezeichnet. Ich glaube,
das dem Umstande zuschreiben zu sollen, daß der Schwimmer eben einer völlig
andern Körperausrüstung bedarf als die übrigen Athleten.
Wir in unserem Illinois Athletic Club sahen oft gute Athleten von ihrem
Sportplatz kommen, wo sie Kraft und Ausdauer und gute Form gezeigt hatten:
sie sprangen ins Wasser, schwammen eins, zwei Runden und waren dann atemlos
und erschöpft. Sie begriffen gar nicht, wie das Wasser sie so schnell ermüden
konnte. Der eine Grund ist selbstverständlich der, daß sie niemals Atemkontrolle
üben gelernt hatten. Der andere Grund aber ist, daß sie immer Muskelspannung,
statt Muskelentspannung geübt hatten. Sie haben plötzliche und heftige Bewe-
gungen, sie stemmen sich dem Wasser entgegen und hemmen dadurch den
stetigen und freien Blutkreislauf durch die Muskeln.
Jawohl, der Schwimmer muß lange, weiche, biegsame Muskeln haben. Hier ist
ein anderer Faktor, der dem langen Individuum im Wasser einen Vorsprung
verschafft. Da er ein langes Skelett hat, entwickelt er auch längere Muskeln. Der
Schwimmer soll nicht starke Knochen haben und vor allem nicht klobige Ge-
lenke. Sein Skelett besteht, wenn es ein gutes Schwimmerskelett ist, aus kleinen,
aber gut mit Fleisch umpolsterten Knochen; sein Umriß soll Kurven statt Kanten
zeigen. Knochen sind schwer wie Steine, Fleisch hebt. Fleisch erzeugt Kurven
und Stromlinien. Das erklärt auch, warum die Durchschnittsfrau besser schwimmt
als der Durchschnittsmann. Frauen werden vom Wasser gehoben, weil sie kleinere
Knochen, mehr Fleisch und viele Körperkurven haben.
Zu allen diesen Merkmalen muß der Schwimmer noch ein starkes Herz haben,
das große Blutmengen durch seinen Körper pumpt. Ärzte untersuchten Arne
Borg und fanden, daß er ein außerordentlich umfangreiches Herz hat, „ein wahres
Roßherz" meinten sie; bei seiner Schwimmart kann er es wahrhaftig brauchen;
aber jeder Schnellschwimmer braucht ein umfangreiches Herz. Jeder große
Schwimmer hat selbstverständlich ein stärkeres und leistungsfähigeres Herz als
ein Durchschnittsmensch.
Ich schwimme mein Feld gerade durch: mich nach rechts oder links wenden
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lang, weich und biegsam. Die durchschnittlichen Athletenmuskeln sind kurz,
hart und elastisch, sie müssen sich ja zwischen je zwei Zusammenziehungen
und Streckungen schnell und stark ändern können. Der Springer, der Läufer, der
Boxer, der Ringkämpfer beziehen ihre Wirkungen aus schnellen und intensiven
Muskelkontraktionen. Diese Kontraktion unterbindet vorübergehend die Blut-
versorgung der Muskeln. Da der Schwimmer in einem anderen Element arbeitet
als die übrigen Athleten, in einem Element, das von ihm einen ständigen und
gleichmäßigen Energiefluß fordert, kann er solche plötzliche, kräftige Muskel-
kontraktionen nicht brauchen. Wasser ist ein solider, wiewohl nachgiebiger Stoff.
Soll eine Bewegung im Wasser wirkungsvoll sein, muß sie langsam sein. Immer
und immer wieder hörte ich Bachrach sagen, im Wasser brauche selbst ein Stein
Zeit, um zu sinken. Angestrengtes Arbeiten im Wasser bleibt nicht nur wirkungs-
los, es ermüdet auch ungemein, und man hat nichts davon. Ich hörte schon von
vielen großen Allround-Athleten, nie aber von einem Allround-Athleten, der
auch im Wasser gut gewesen wäre. Keiner von den großen Schwimmern, von
denen ich hörte, hatte sich jemals in einem andern Sport ausgezeichnet. Ich glaube,
das dem Umstande zuschreiben zu sollen, daß der Schwimmer eben einer völlig
andern Körperausrüstung bedarf als die übrigen Athleten.
Wir in unserem Illinois Athletic Club sahen oft gute Athleten von ihrem
Sportplatz kommen, wo sie Kraft und Ausdauer und gute Form gezeigt hatten:
sie sprangen ins Wasser, schwammen eins, zwei Runden und waren dann atemlos
und erschöpft. Sie begriffen gar nicht, wie das Wasser sie so schnell ermüden
konnte. Der eine Grund ist selbstverständlich der, daß sie niemals Atemkontrolle
üben gelernt hatten. Der andere Grund aber ist, daß sie immer Muskelspannung,
statt Muskelentspannung geübt hatten. Sie haben plötzliche und heftige Bewe-
gungen, sie stemmen sich dem Wasser entgegen und hemmen dadurch den
stetigen und freien Blutkreislauf durch die Muskeln.
Jawohl, der Schwimmer muß lange, weiche, biegsame Muskeln haben. Hier ist
ein anderer Faktor, der dem langen Individuum im Wasser einen Vorsprung
verschafft. Da er ein langes Skelett hat, entwickelt er auch längere Muskeln. Der
Schwimmer soll nicht starke Knochen haben und vor allem nicht klobige Ge-
lenke. Sein Skelett besteht, wenn es ein gutes Schwimmerskelett ist, aus kleinen,
aber gut mit Fleisch umpolsterten Knochen; sein Umriß soll Kurven statt Kanten
zeigen. Knochen sind schwer wie Steine, Fleisch hebt. Fleisch erzeugt Kurven
und Stromlinien. Das erklärt auch, warum die Durchschnittsfrau besser schwimmt
als der Durchschnittsmann. Frauen werden vom Wasser gehoben, weil sie kleinere
Knochen, mehr Fleisch und viele Körperkurven haben.
Zu allen diesen Merkmalen muß der Schwimmer noch ein starkes Herz haben,
das große Blutmengen durch seinen Körper pumpt. Ärzte untersuchten Arne
Borg und fanden, daß er ein außerordentlich umfangreiches Herz hat, „ein wahres
Roßherz" meinten sie; bei seiner Schwimmart kann er es wahrhaftig brauchen;
aber jeder Schnellschwimmer braucht ein umfangreiches Herz. Jeder große
Schwimmer hat selbstverständlich ein stärkeres und leistungsfähigeres Herz als
ein Durchschnittsmensch.
Ich schwimme mein Feld gerade durch: mich nach rechts oder links wenden
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