Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

DOI article:
Siegfried, André: Das Rätsel-Deutschland: Betrachtungen eines Franzosen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0687

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Das Rätsel Deutschland
Betrachtungen eines Franzosen
Von

Andre Siegfried

Diese Zeilen stammen nicht von einem Manne, der die Kenntnis der deutschen
Angelegenheiten zu seinem Beruf gemacht hat. Ich glaubte mich zu ihrer
Niederschrift berechtigt, weil sie vielleicht Interesse erwecken können als Ein-
drücke eines Franzosen von westlicher Bildung, dessen Studiengebiet die westlichen
Länder sind. Sie tun vielleicht auch kund, welche Stellung ein solcher Franzose
den Deutschen in seinem Weltbild zuweist.
Die Reise von Paris nach Berlin über Köln, durch das Ruhrgebiet und die nord-
deutsche Tiefebene soll mir zu diesen Eindrücken die Marksteine liefern. Ich habe
diese Reise vor dem Krieg und dann wieder in der Nachkriegszeit unternommen,
und in der Luft einer neuen Umwelt alles mit besonderer Stärke neu empfunden.
Zusammengefaßt: Binnen zwanzig Reisestunden läßt man den vertrauten Westen
hinter sich zurück, man gewinnt Berührung mit einer Atmosphäre, die schon etwas
Östliches enthält, die schon an Rußland, ja an Asien mahnt. Ich will das genauer
ausführen, denn es scheint fürs erste ein Paradoxon zu sein.
Im Rheintal findet man sich noch in der gewohnten Umgebung. Die Landschaft
um Köln, die Pfalz vor allem, ist uns vertraut, verwandt mit dem Elsaß, der
Schweiz, der Gegend vor Belfort. All das ist Mitteleuropa, von gleicher Be-
schaffenheit wie der nahverwandte Westen, mit ihm geeint in einer gemeinsamen
Kultur, deren Klangfarbe wir bis in das Herz von Burgund verfolgen.
Hinter dem Teutoburger Wald und Wall aber, knapp beim Verlassen der
Ruhrlinie, reist man ohne Übergänge in eine einzige endlose Ebene, eine Gestaltung

461
 
Annotationen