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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Hergesheimer, Joseph: Das traurige Handwerk Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0738

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Das traurige Handwerk Literatur
Von
Joseph Hergesheimer
Wahrscheinlich ist der Beruf des Schriftstellers die lächerlichste Beschäftigung,
der ein Mensch sich ergeben kann. Dabei genießt er eine eingebildete Be-
deutung, die unter seinen komischen Eigenschaften nicht die geringste ist.
Bücher und die Buchdruckerkunst haben auf die Weltgeschichte einen un-
berechenbaren Einfluß ausgeübt, der freilich ebensosehr ein Einfluß zum Schlech-
ten war wie zum Guten; aber in den Mißverständnissen, die sich um die tatsäch-
liche Ausübung der Schriftstellerei angehäuft haben, liegt seit langem alles
begraben, was an ihr würdig und wesentlich ist.
So etwa ist das tatsächliche Schreiben von Büchern wohl die langweiligste
aller Aufgaben. Es hat keine einzige versöhnliche Seite; eine endlose Tätigkeit,
die fast in allen Fällen zum Scheitern bestimmt ist. So etwas wie einen guten,
leichten, mühelos hingeschriebenen Satz gibt es gar nicht; Abschnitte sind
natürlich noch schwerer als Sätze; ganze Bücher fertigzustellen nicht so sehl-
schwierig wie unmöglich. Die bloße Mechanik des Schreibens ist so eintönig,
daß ein damit ausgefülltes Leben unendlich viel weniger abwechslungsreich
wird als Steineklopfen.
Bücher schreiben ist ein ganz unlogischer Vorgang, eine lächerliche Art, die
kurze Zeit hinzubringen, die dem Menschen zur Verfügung steht. Es gleicht einer
Art Einzelhaft ohne die greifbare Beschränkung durch Riegel und Gitter, die
man sich aus einer blödsinnigen inneren Eitelkeit und einer wesenlosen Hoffnung
heraus auferlegt. So gehe ich zum Beispiel Jahr um Jahr jeden Morgen in ein
kleines Haus, das ich in West Chester besitze, und dort schreibe ich in einem
Zimmer, das eigentlich zum Eßzimmer bestimmt ist; ich schreibe, allein und ohne
Unterbrechung, von zehn bis eins oder zwei Uhr — bis fünfzehnhundert hand-
geschriebene Wörter auf dem Papier stehen— und dann gehe ich, geistig erschöpft,
körperlich bedrückt und gereizt, ins Dower House zum Lunch zurück. Am
Nachmittag schreibe ich meistens wieder fünfzehnhundert Wörter. So gut wie
jeden Morgen meines Lebens setze ich mich, seit ich erwachsen bin, zwei Feder-
haltern gegenüber hin; der eine steckt in einem silbernen, der andere in einem
schwarzen Ständer, und davor liegt ein Stapel leerer Schreibhefte in blaßbraunen
Umschlägen. Die leeren Hefte liegen mir zur Rechten; ich schiebe sie, wenn sie
vollgeschrieben sind, nach links hinüber; und so mühevoll ich auch arbeite,
immer liegen mehr leere Hefte vor mir, als ich je bewältigen kann. Der dünne
Strom Tinte, der durch meine Feder fließt, ergießt sich aus einem Vorrat, den
ich nie erschöpfen kann.
Diese unwiderlegbaren Tatsachen, die an und für sich unwichtig genug sind,
werden mit der Zeit lästig. Die Anstrengung, die Feder über eine Seite nach der
anderen zu führen, ist zwar an sich nicht besonders groß, aber als Vorstellung
wirkt sie zerstörend. Manchmal muß ich neben allem anderen auch noch die
Spitze der Feder beobachten, wie sie über die blauen Linien der Hefte wandert;
sie senkt sich Zeile um Zeile zum Ende der Seite und steigt dann plötzlich wieder

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