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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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die antike Uhr, die Chinavase und der
Louis XV-Tafelaufsatz, und das alles
als Schmuck der kahlen, glatten Möbel.
Meißner Porzellan wird bald weniger
unmodern sein als die prae-kolumbische
Kunst.
Musik und Tanz
Die allgemeine Versüßlichung greift
sogar auf die Musik über. Die Melodie
hält wieder ihren Einzug. Das Tam-
Tam verschwindet. Die Leute verlangen
zärtliche Lieder, liebliche Träumereien
und jung erblühten Flieder. Das von
der Jazz verdrängte Chanson wagt eine
siegreiche Gegenoffensive. Die Straßen-
sänger erwachen zu neuem Leben. Die
Tanzplatte hört auf, die Gesangsplatte
zu verdrängen. Und obzwar alle Rich-
tungen dieses weiten Gebietes sich be-
haupten, obzwar es immer noch humo-
ristische und realistische Chansons gibt,
tragen doch die sentimentalen Schlager
den Sieg davon.
Und wie beim Lied der sentimen-
tale Schmachtfetzen, so dominiert beim
Tanz der Walzer. Und zwar auf der
ganzen Welt. Einige Niggertänze von
der Kolonialausstellung sind ja noch
zurückgeblieben, und die Wochenschau
im Kino berichtet, daß die Girls in
Miami Rumba tanzen. Aber das Radio
speist aus tausend Schleusen Tonnen
von Walzern. Was immer man ein-
stellen mag: London, Paris, Amsterdam
oder Berlin: immer antwortet das All
mit einem Walzer, und Walzer sind
auch beinahe alle Schlager der Ton-
film-Operetten. In den Tanzlokalen

kommen sechs Walzer auf einen Tango.
Der Charleston ist tot: der Walzer
reißt alles mit.
Und mit ihm kommt die deutsche
Musik wieder. Schumann und Schubert
unter dem Schutze von Strauß. Die eng-
lische Musik, die nach dem Krieg „No,
no Nanette" zum Siege führte, ver-
schwindet. Die Niggermusik scheint,
wenigstens vorderhand, in ihrem be-
ängstigenden Siegeszug inne zu halten.
Die Wiener Musik hingegen übt einen
derartigen Zauber aus, daß sie Wien,
wenigstens im Reiche der Phantasie zur
Metropole des Vergnügens erhoben hat.
Die unglückselige Situation Oesterreichs,
der Krach der Kreditanstalt, die dro-
hende Hungersnot und der lauernde
Putsch, nichts kommt gegen den Ge-
danken auf, daß die Heimat des Wal-
zers auch die des Glücks sein muß. Die
Einwanderer von Hollywood zwingen
allen ihr Heimweh auf, und die Liebe
der ganzen Welt gilt dem Prater. Im
Wien von 1815: Der Kongreß tanzt,
von 1910: Der lächelnde Leutnant, Die
lustige Witwe, Der Walzertraum,
Wiener Nächte... Wiener Kaleschen,
Wiener Cafes und Weinstuben, die
Wienerin Lillian Harvey und die Wie-
nerin Jeannette MacDonald. Sogar die
Amerikaner beginnen sich nach den
kleinen Prinzen und dem Kaiser Franz
Joseph zurückzusehnen.
Zurück zu 1900
Wien im Raume. 1880 bis 1900 in
der Zeit. Dieser Abschnitt der Ver-
gangenheit ist am stärksten mit Poesie

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