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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 12.1932

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Lorsy, Ernst: Worüber staunt Amerika?
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https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0830

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Ein großer Mann wurde er erst durch Lindbergh. Er hatte schon seine Rubrik
,,Believe It or Not" in der New Yorker „Evening Post", da kam Lindbergh und
hüpfte über den Atlantik. Ripley aber zeichnete ein Flugzeug vor einem Hinter-
grund von Luft und Wasser und schrieb darunter: „Lindbergh war der 67.Mann,
der einen ununterbrochenen Flug über den Atlantischen Ozean ausgeführt hat."
Eine Flut von Telegrammen stürzte sich über ihn. Endlich kam das gewünschte
„Prove itgou liar!" („Beweis' es, du Lügner"). Auf dieses Telegramm stürzte sich
Ripley. Er bewies, daß Brown und Alcock schon 1919 den Ozean überflogen
hatten; man hatte auch das englische lenkbare Luftschiff R 34 vergessen, das
1919 mit 31 Mann nach Schottland und wieder nach Amerika geflogen war, und
auch das deutsche Z. R. 3, das 1924 mit einer Besatzung von 33 Mann von Fried-
richshafen nach Lakehurst, New Jersey, geflogen war und später „Los Angeles"
hieß. Tatsächlich war Lindbergh der Siebenundsechzigste. Ripley wanderte mit
seiner Rubrik zur Hearst-Presse hinüber.
Ursprünglich erklärte er, jedem Leser, der Zweifel in seine Behauptungen
setzte, in einem persönlichen Brief den Beweis liefern zu wollen. Aus der tech-
nischen Unmöglichkeit, diese Zusage einzuhalten, ergab sich die endgültige Lö-
sung für die Form der Rubrik: ein Columbus-Ei. Ripley liefert den Beweis für
die erstaunlichen Behauptungen einer bestimmten Rubrik nun immer in der
nächsten Fortsetzung. Trotzdem bekommt er 1500 bis 4000 Briefe täglich, mehr
als manche große Gesellschaft. Durch diese Briefe arbeitet das Publikum an der
Rubrik mit, denn die meisten Einsender bringen neue Ideen, und nur jeder
sechste Brief regt schon Dagewesenes wieder an, das sich mittlerweile herum-
gesprochen hat. So lernt Amerika von Ripley und Ripley von Amerika.
Sie belehren sich gegenseitig über das Erstaunliche, daß es sogar in der Welt-
geschichte von falschen Tatsachen wimmelt. Der 17. März ist doch ein Feiertag,
Geburtstag des Irenheiligen St. Patrick? Ripley verblüfft die Welt, indem er ihr
mitteilt, daß der heilige Patrick weder ein Irländer war, noch am 17. März geboren
wurde. Den empörten Zweiflern beweist er dann, daß St. Patrick ein Franzose
gewesen und der 17. März ein Kompromiß sei zwischen dem 8. und dem 9. März,
die als sein Geburtstag in den verschiedenen Biographien angegeben werden.
8+ 9 ist doch 17? Amerika lacht und staunt.
Wer tötete Goliath? Nicht David, dessen darf man sicher sein, wenn die Frage
von Ripley kam. Tatsächlich schleppt er eine Bibelstelle heran, die den Riesen
von der Hand Elhanans, eines anderen Riesen, fallen läßt.
Konnte Wilhelm Tell den Apfel vom Kopfe seines Sohnes schießen? Ripley
führt den Beweis, daß im Kanton Uri keine Äpfel wachsen.
Wie ist das mit dem Rattenfänger von Hameln? Ratten übertreffen jeden
olympischen Schwimmer: die Weser zu durchschwimmen, muß für sie ein Kinder-
spiel gewesen sein.
Was man die irische Kartoffel nennt, ist keine Kartoffel und kommt nicht aus
Irland, sondern aus Peru. Erdnüsse sind nicht Nüsse, sie sind Bohnen.
Am 12. November 1904 schlug Herbert V. Hughes, Hotelbesitzer in Michi-
gan, einer Anzahl Hühner den Kopf ab und gab sie einem Küchenmädchen zum
.Ausnehmen. Plötzlich erschrak er heftig: ein schwarzes Minorcahuhn spazierte
kopflos durch die Küche. Dann nahm er sich zusammen, nährte das Huhn mit

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