Ripleys Tatsachen bewegen das Publikum nicht nur dazu, Erstaunliches zu
melden, sie stacheln es auch an, Erstaunliches zu tun. Am liebsten entdeckt er
Berühmte, die Unsinn tun, doch nimmt er auch mit stummen Miltons vorlieb,
mit Unberühmten, die Glorreiches leisten, mit mißleiteten Lindberghs, also Reis-
schreibern, Dominobaumeistern, Erdnußrollern. Einmal zeichnete er einen Mann
namens E. L. Blystone, und seine Legende enthielt die Behauptung, dieser Mann
schreibe auf ein Reiskorn so winzige Buchstaben, daß sie nur mit einem Mikro-
skop gelesen werden könnten. Angespornt durch diese Behauptung, die sein Ver-
dienst übertrieb, kaufte sich Blystone nun wirklich ein Mikroskop und schrieb
mit dessen Hilfe 1615 Buchstaben auf ein Reiskorn, ein stolzer Rekord.
Ripley zeichnete auch Sig Edwards, neben einer Säule von 111 Dominosteinen
stehend. Aus allen Teilen der Welt schrieb man nun Ripley, daß dieser Rekord
schon längst geschlagen sei. James E. Hood ist bis zu 139 Dominosteinen ge-
kommen. In Boston lebt Mr. Conners, genannt Cigars Conners, der eine Kiste
Zigarren in einer Zeit raucht, die ein gewöhnlicher Sterblicher dazu braucht,
eine Schachtel Zigaretten zu rauchen. Er hält nebenbei den Bostoner Rekord im
Hinauf- und Hinab-Rennen über Wolkenkratzertreppen; ferner hat er eine Erd-
nuß über 27,6 Kilometer mit der Nase gerollt. Ein anderer Mann freilich rollte
eine Erdnuß bis zur Spitze des Berges Pike's Peak; mußte leider disqualifiziert
werden, da er sich eine Stange an die Nase gebunden hatte; wollte nämlich nicht
niederknien.
Aber auch, was jenseits seiner Grenzen vorgeht, erfährt Amerika zu seinem
Staunen dank Ripley. Ein französischer Autor füllte 400 Bogen Kanzleipapier
mit zwei Millionen Punkten; Verleger hatte ihm vorgeworfen, in seinem Manu-
skript sei die Interpunktion vernachlässigt; zur Strafe schickte er ihm die Punkte;
schaffte es in zwei Wochen, dazu vier Tage Nachzählen. Anderer Franzose, Dichter
Angelus Breteuil, schrieb zwei Jahre Liebesbrief an Schauspielerin; schrieb
1 000001 mal Je f aime. Mrs. Frederica Cook aus London schrieb von ihrem 20.
bis zu ihrem 40. Jahre an einem achtbändigen Testament; da starb sie und hinter-
ließ hunderttausend Mark. Dr. Lichtinger aus Wien lächelte ohne Unterbrechung
dreißig Tage lang. Dr. Adolf Leinwand aus Wien erzählte 960 Witze in 3 Stunden
40 Minuten. Längste Schlittenfahrt der Weltgeschichte: 3210 Meilen in 155 Tagen,
ausgeführt von Leutnant Schwatka; starb an Sonnenstich, mitten in der Arktis,
bei minus 20 Grad. Männer des Indianerstammes der Tarahumare legten in regel-
mäßigem Staffettendienst 830 Kilometer in 6 Tagen zurück; aber Norweger Ernst
Mensen lief, bei Tagesleistung von 200 Kilometern, in zwei Wochen von Paris
nach Moskau. Hochzeitsmarsch aus Lohengrin ergibt, von der letzten Note bis
zur ersten gespielt, Chopins Trauermarsch. Die Chance, daß Rot beim Roulette
27 mal nacheinander herauskommen werde, ist 1: 68,801,864; aber Rot ist im
Januar 1910 in Monte Carlo 27 mal herausgekommen. Es gibt einen Mann, der
nur auf der linken Seite atmet; das konnten weder Napoleon noch Lincoln. Es
gibt einen Fuchs, der, um seine Flöhe los zu werden, ein Zweiglein ins Maul
nimmt und ins Wasser springt; Flöhe flüchten auf Zweiglein, Fuchs läßt es ins
Wasser fallen, schwimmt an Land. Ich darf wohl schon Undsoweiter sagen.
Das ist Ripley. Das ist Amerika. Damit verdient Ripley an Amerika Millionen.
Du magst es glauben oder nicht. Ich glaub's.
560
melden, sie stacheln es auch an, Erstaunliches zu tun. Am liebsten entdeckt er
Berühmte, die Unsinn tun, doch nimmt er auch mit stummen Miltons vorlieb,
mit Unberühmten, die Glorreiches leisten, mit mißleiteten Lindberghs, also Reis-
schreibern, Dominobaumeistern, Erdnußrollern. Einmal zeichnete er einen Mann
namens E. L. Blystone, und seine Legende enthielt die Behauptung, dieser Mann
schreibe auf ein Reiskorn so winzige Buchstaben, daß sie nur mit einem Mikro-
skop gelesen werden könnten. Angespornt durch diese Behauptung, die sein Ver-
dienst übertrieb, kaufte sich Blystone nun wirklich ein Mikroskop und schrieb
mit dessen Hilfe 1615 Buchstaben auf ein Reiskorn, ein stolzer Rekord.
Ripley zeichnete auch Sig Edwards, neben einer Säule von 111 Dominosteinen
stehend. Aus allen Teilen der Welt schrieb man nun Ripley, daß dieser Rekord
schon längst geschlagen sei. James E. Hood ist bis zu 139 Dominosteinen ge-
kommen. In Boston lebt Mr. Conners, genannt Cigars Conners, der eine Kiste
Zigarren in einer Zeit raucht, die ein gewöhnlicher Sterblicher dazu braucht,
eine Schachtel Zigaretten zu rauchen. Er hält nebenbei den Bostoner Rekord im
Hinauf- und Hinab-Rennen über Wolkenkratzertreppen; ferner hat er eine Erd-
nuß über 27,6 Kilometer mit der Nase gerollt. Ein anderer Mann freilich rollte
eine Erdnuß bis zur Spitze des Berges Pike's Peak; mußte leider disqualifiziert
werden, da er sich eine Stange an die Nase gebunden hatte; wollte nämlich nicht
niederknien.
Aber auch, was jenseits seiner Grenzen vorgeht, erfährt Amerika zu seinem
Staunen dank Ripley. Ein französischer Autor füllte 400 Bogen Kanzleipapier
mit zwei Millionen Punkten; Verleger hatte ihm vorgeworfen, in seinem Manu-
skript sei die Interpunktion vernachlässigt; zur Strafe schickte er ihm die Punkte;
schaffte es in zwei Wochen, dazu vier Tage Nachzählen. Anderer Franzose, Dichter
Angelus Breteuil, schrieb zwei Jahre Liebesbrief an Schauspielerin; schrieb
1 000001 mal Je f aime. Mrs. Frederica Cook aus London schrieb von ihrem 20.
bis zu ihrem 40. Jahre an einem achtbändigen Testament; da starb sie und hinter-
ließ hunderttausend Mark. Dr. Lichtinger aus Wien lächelte ohne Unterbrechung
dreißig Tage lang. Dr. Adolf Leinwand aus Wien erzählte 960 Witze in 3 Stunden
40 Minuten. Längste Schlittenfahrt der Weltgeschichte: 3210 Meilen in 155 Tagen,
ausgeführt von Leutnant Schwatka; starb an Sonnenstich, mitten in der Arktis,
bei minus 20 Grad. Männer des Indianerstammes der Tarahumare legten in regel-
mäßigem Staffettendienst 830 Kilometer in 6 Tagen zurück; aber Norweger Ernst
Mensen lief, bei Tagesleistung von 200 Kilometern, in zwei Wochen von Paris
nach Moskau. Hochzeitsmarsch aus Lohengrin ergibt, von der letzten Note bis
zur ersten gespielt, Chopins Trauermarsch. Die Chance, daß Rot beim Roulette
27 mal nacheinander herauskommen werde, ist 1: 68,801,864; aber Rot ist im
Januar 1910 in Monte Carlo 27 mal herausgekommen. Es gibt einen Mann, der
nur auf der linken Seite atmet; das konnten weder Napoleon noch Lincoln. Es
gibt einen Fuchs, der, um seine Flöhe los zu werden, ein Zweiglein ins Maul
nimmt und ins Wasser springt; Flöhe flüchten auf Zweiglein, Fuchs läßt es ins
Wasser fallen, schwimmt an Land. Ich darf wohl schon Undsoweiter sagen.
Das ist Ripley. Das ist Amerika. Damit verdient Ripley an Amerika Millionen.
Du magst es glauben oder nicht. Ich glaub's.
560