Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 12.1932

DOI issue:
Marginalien
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.73728#0872

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
und politische Methoden betrifft, in
Anlehnung daran der „Lord von Pitts-
burgh" genannt werden. Er ist Vor-
sitzender des militärischen Ausschusses;
wichtiger aber ist, daß er der Ver-
trauensmann und Rechtsberater des
drittreichsten Amerikaners, des Lon-
doner Botschafters und früheren Schatz-
ministers Mellon ist.
Tom Heflin, Alabama, war, bis er
bei der vorigen Wahl durchfiel, die
bunteste Persönlichkeit im Senat. Sein
Steckenpferd: der Papst und die katho-
lische Gefahr. Seine Gegner, also die
Anhänger des derzeitigen katholischen
Präsidentschaftskandidaten Al Smith,
boten ihm schließlich ein Kriegsschiff
an, damit er vor dem Hafen von New
York den Papst abfangen und ihm
eine Schlacht liefern könnte. Sein größ-
ter Kummer: Reporter machten seinen
Sohn auf einer Reise von Havanna nach
New York betrunken und brachten
das Bild in alle Zeitungen. Heflin be-
hauptete nämlich, er und seine Familie
seien absolut trocken.
Tom Walsh von Montana, seines
hängenden Schnurrbarts wegen das Wal-
roß genannt, machte sich einen Namen
als Enthüller des größten Skandals
seit Panama, des Teapotdome - Skan-
dals. Er wäre längst Präsident der
Vereinigten Staaten, wenn sein Heimat-
staat Montana nur größere Bedeu-
tung hätte und größere Wählermassen
auf die Beine stellen könnte. Er
wirkt wegen dieses Mißstandes leicht
melancholisch.
Jüngster ist — oder war bis vor
kurzer Zeit — „Fighting Bob" La
Follette, Sohn des einstigen progressiven
Präsidentschafts-Kandidaten. Er kam
schon mit dreißig Jahren in den Senat,
bezeichnet sich als Republikaner, ist,
wie sein Vater, ein Progressiver, und
dürfte in seiner inneren Einstellung
dem am nächsten kommen, was man
in Europa einen Sozialisten nennt. Er
ist ein schöner Mann, trotzdem er
keinen Wert darauf legt.

Royal Copeland dagegen, der Sena-
tor von New York, legt Wert darauf
und hat dabei auch Erfolg. Er ist von
Haus aus Arzt, aber heute dürfte er
nicht mehr nötig haben, zu prak-
tizieren. Er schreibt dafür jeden Tag
einen medizinischen Artikel für die
Hearst-Zeitungen, spricht zwei- oder
dreimal wöchentlich über Radio und
hat sich dadurch eine Anhängerschaft
erzogen, die ihn von politischen Orga-
nisationen fast ganz unabhängig macht.
Copeland ist in New York ein Schlag-
wort. Und das weiß sein Träger.
Gleichwertig dem Titel Senator ist
im politischen Amerika nur noch der
Titel Secretary, der da angewandt
wird, wo wir Minister sagen. Der
erste ist der Secretary of State, der
Außenminister Stimson. Ihn als „Wrong
Horse Harry" zu bezeichnen, ist eine
Bosheit, trotzdem er manchesmal in
seiner dreijährigen Laufbahn als Außen-
minister auf das falsche Pferd gesetzt
hat. Stimson ist vom Typ der Grand-
seigneure, und für die Erfinder des
Spitznamens dürfte er nur Verachtung
hegen. Die gleiche Verachtung, die
darin zum Ausdruck kommt, daß er,
der schwerreiche Mann, uralte Schlipse,
aufgesprungene Kragen trägt und
eigentlich niemals richtig gekämmt ist.
W. Sch.

Unter Kollegen. Im Gefängnishof
von Newgate. Die Gefangenen werden
spazierengeführt. Zwei Sträflinge ver-
ständigen sich über die wichtigsten
Daten ihrer Lebensgeschichte.
— Wieviel? — fragt der eine.
— Fünf Jahre — antwortet der
andere resigniert.
— Grund?
— Ich habe die First Birmingham
Bank beraubt. Und du?
— Zehn Jahre.
— Grund?
— Ich war es, der sie gegründet
hat.

588
 
Annotationen