lieh fragt, warum er bei
diesem Talent den anstrengen-
deren und weniger nützlichen
Beruf wählte.
Darbietungen liebt man
überhaupt, auch bei der feu-
daleren Gesellschaft der
großen Ringverbände, die all-
jährlich ein oder zweimal in
einem Vorort feiern, der
gerade durch seine solide
Öffentlichkeit am versteck-
testen ist. Geschickt in Inter-
vallen, über die ganze Nacht
verteilt, singt man (nicht
schlecht, man hat doch tags-
über reichlich Zeit, bei einem
Professor Gesangsstunden zu
nehmen), rezitiert, führt die
neuesten Gesellschaftstänze
vor. Der Inseratenteil des
Festprogramms ist der reinste
— Unglaublich, was heutzutage die Herren von einem
Baedeker durch die Unter-
welt. Dazu eine Auto-Anfahrt verlangen • • • Briefmarken.
wie vorirgendeinemlndustrie-
klub. Selbstverständlich ist die Kriminalpolizei eingeladen, sie erscheint, frei nach
Sherlock Holmes, mit steifem Kragen, Straßenanzug und Monokel und bildet
sich ein, nicht erkannt zu werden. Die Vereine (Kegel- und Gesellschaftsver-
eine), die dem großen nordwestdeutschen Ringverband angehören, sitzen ge-
sondert an Tischen, die mit Fahnen und Vereinsabzeichen dekoriert sind.
Drei Tage kegelt und trinkt, trinkt und kegelt man, fulminante Preise stehen
auf einem Sondertisch, an dem zugleich ein Festkomitee aus den Vorsitzenden
der veranstaltenden Vereine regiert. Im Nebensaal ein Apachenkeller mit Wand-
versen von erfrischender, rein auf Geschäftshumor eingestellter Sachlichkeit, in
denen man sich gern mit „Schwerarbeiter" bezeichnet. Die Tische bleiben ziem-
lich steif voneinander getrennt, die meisten Herren tanzen nicht, denn das Tanzen
untereinander ist hier verpönt, an Damen aber hat man, wie immer, wenig Inter-
esse. Die paar, die mitgekommen sind, sind sehr elegant, sehr gepflegt, richtig-
gehend verheiratet, tanzen mit ihrem Mann, höchstens mit dessen allernächsten
Freunden, und haben es, das zeigen sie gern, „in keiner Weise mehr nötig". Erst
nachdem einige harmlose Pfänderspiele die ganze Gesellschaft ein wenig durch-
einandergebracht haben, besucht man sich gegenseitig an den verschiedenen
Tischen, tauscht geschäftliche Erfahrungen aus, lädt sich ein (gastfrei ist man
überhaupt), stellt fest, daß die Dreigroschenoper ein romantisches Machwerk
sei, kein Abbild ruhiger Geschäftskreise. Einer erzählt, wie er drei Eintänzerinnen
gegeneinander ausspielte, um das Fahrgeld hierher zu bekommen, ein anderer
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