Galerie Flechtheim [Contr.]: Der Querschnitt (14.1934)

applaudierte es nicht. Es war wütend.“
In der Verlagszeitung hatte mein
Mentor das so zusammengefaßt: „Das
Publikum . . applaudierte . . wütend.“
Ein anderer Rezensent schrieb:
„Wenn das Theater fortfährt, solche
Stücke zu spielen, wird es bald sein
Publikum verlieren. Und es will doch
ausverkaufte Häuser haben. Wo bleibt
der Witz, der Geist, der Humor? Die
Schauspieler bieten Schemen; dieselben,
von denen man sonst Glanzleistungen
gewohnt ist. Es war ein Abend blei-
erner Langeweile. Und man war doch
voll guter Laune ins Theater ge-
kommen.“
Hei, was gab das für meinen Ver-
leger als „Pressestimme“ her! Er faßte
zusammen: „Wenn das Theater fort-
fährt, solche Stücke zu spielen, wird es
bald . . . ausverkaufte Häuser haben . .
Witz . . . Geist . . . Humor . . . Die
Schauspieler bieten . . Glanzleistungen.
Es war ein Abend . . . voll guter
Laune ..."
Selbstverständlich fand sich sofort
eine Provinzbühne, die mein Stück —
auf die Pressestimmen hin — spielte.
Der Erfolg war niederschmetternd! Ein
Kritiker schrieb: „Daß ein derartiges
Stück in der Hauptstadt gute Kritiken
haben konnte, begreift man nicht! Ein
Verbrechen am guten Geschmack begeht
jeder, der über so etwas lacht! Der zu
Hause bleibt, segne seinen guten Ein-
fall. Es war nur für den Referenten
ein Erlebnis: zu sehen, wie unser intelli-
gentes Publikum kühl bis ans Zwerch-
fell blieb.“
Schön. Mein Verleger wurde nicht
verlegen. In seiner nächsten Reklame
setzte er unter die Pressestimmen aus
der Großstadt: „Die Provinzpresse
schreibt: Daß ein derartiges Stück in
der Hauptstadt gute Kritiken haben
konnte, begreift man . . . Ein Ver-
brechen am guten Geschmack begeht
jeder, der ... zu Hause bleibt ... Es
war ... ein Erlebnis . . .
Wilhelm Lichtenberg


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