Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rave, Paul Ortwin; Watteau, Antoine [Ill.]
Antoine Watteau - Das Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 24: Stuttgart: Reclam-Verlag, 1957

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62593#0039
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ganz persönlicher Stil in den Jahren seiner Reife er-
wuchs. Nunmehr entstanden die köstlichen Unterhaltun-
gen im Park und die ländlichen Konzerte, Tänze und
Spiele im Freien, die sein unsterblicher Ruhm sind. Unter
ihnen war das schönste und größte Bild die Einschiffung
zur Liebesinsel Kythera, das er 1717 der Akademie ein-
sandte, um endlich seiner Pflicht eines Aufnahmestückes
nachzukommen.
1719 unternahm Watteau eine Reise nach England,
vielleicht auch, um einen berühmten Arzt, Doctor Ri-
chard Mead in London, wegen seiner Anfälligkeit zu
Rate zu ziehen. Aber der Winter in London war für den
Lungenkranken gewiß nicht das Richtige. Obwohl es
ihm in dem kunstarmen aber kunstliebenden London an
Aufträgen nicht fehlte, muß er spätestens am 22. Juli
1720 in Paris zurückgewesen sein, um der Hochzeit eines
seiner Freunde, Jean Jullienne, beizuwohnen. Für diesen
hatte er ja auch die an prachtvollen Einzelheiten reiche
zweite Fassung der Einschiffung zur Liebesinsel gemalt,
die, wenig später von Friedrich dem Großen erworben,
ein Glanzstück der Berliner Sammlungen geblieben ist.
Noch im folgenden Winter malte er Meisterwerke wie
den großen „Gilles“ im Louvre. Doch die Unrast des
Schwindsüchtigen saß ihm im Nacken. Wieder wechselte
er den Wohnsitz und zog auf Vermittlung von Freunden
im Frühjahr 1721 nach Nogent, einer unweit südöstlich
von Vincennes an der Marne schön gelegenen Ortschaft,
in das Haus von Philippe Le Febvre, Intendanten der
Königlichen Hoflustbarkeiten. Noch hegte der Künstler
große Pläne, er gedachte herrliche Landschaften zu ma-
len, wollte in die alte Heimat aufbrechen, suchte seinen
Schüler und Landsmann aus Valenciennes, Jean-Baptiste
Pater, in sein unerreichbares Handwerk einzuweihen.
Aber er verfiel von Tag zu Tag. Er starb, den Pinsel in
der Hand, in den Armen Gersaints, am 18. Juli 1721, im
Alter von 37 Jahren wie Raffael und van Gogh.

22
 
Annotationen