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Reichel, Wolfgang
Über vorhellenische Götterculte — Wien, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.14442#0048
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IL Altäre als Throne

Wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen den Göttern im
ältesten Griechenland förmliche Thronbauten errichtet wurden. Aber
die Frage drängt sich doch auf: wenn einst die Vorstellung herrschte,
dass es der Gottheit geziemend sei, die Huldigung der Gläubigen
thronend, nach Art eines Fürsten, entgegenzunehmen, musste ihr dann
nicht eigentlich an jedem Orte, wo sie Verehrung empfieng, ein Sitz
bereitet gewesen sein? Ich glaube, man wird die Frage bejahen müssen.

Das widerspricht freilich auf den ersten Blick durchaus unserer
bisherigen Anschauungsweise. Danach bildet seit jeher das Centrum
eines antiken Heiligthums und das einzige wesentliche Geräth „um
eine Gottheit an einen Platz zu gewöhnen" der Altar, als der für die
Dauer errichtete Tisch, woran sie gespeist wird. Schon das Epos
zählt eine ganze Reihe von Heiligthümern auf, die nichts weiter als
einen ßwjxog enthielten; höchstens eine Stelle spielt vielleicht auf,
einen Thron an (s. folg. Cap.). Darin wird man einen Zufall sowenig
als Willkür erblicken können. Eine Art von Ausweg scheint sich aller-
dings anzubieten.

Häufig genug, ursprünglich wahrscheinlich in der Regel, wurde
die Anlage eines Heiligthums von selbst bestimmt durch gewisse Um-
stände, die mit der betreffenden Ortlichkeit gegeben waren. Bedeutsame
Naturmale, Berghöhen und Grotten, Teiche und Quellen, Haine und
einzelne Bäume offenbarten sich als Aufenthalt eines Numen; bildete
das f§og das Mal selbst, dann war zur Vollendung des Heiligthums
doch nur mehr dessen Abgrenzung gegen die profane Umgebung und
die Aufstellung des Tisches für die Darbringung der Speisen noth-
wendig? Vielleicht. Konnte man den Tisch direct unter oder neben dem
 
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