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Repertorium für Kunstwissenschaft — 1.1875

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Janitschek, Hubert: Zur Charakteristik der palermitanischen Malerei der Renaissance-Zeit, 1, Antonio Crescenzo und seine Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.61801#0378
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Janitschek: Zur Charakteristik

auch einzelne Details der Composition, können bei oberflächlicher Be-
trachtung leicht dazu führen, dasselbe mit der toscanischen Malerei
speciell mit den Gamposanto-Malereien in Pisa in einen innigeren Zu-
sammenhang zu bringen, als es thatsächlich der Fall. Es geschah dies
auch wirklich. Ein genauerer Vergleich dagegen mit dem Trionfo della
Morte in Pisa zeigt, dass der Zusammenhang ein äusserst loser. Einzig
die Gruppe der den Tod anflehenden Greise, die in starker Correspon-
denz mit der entsprechenden Gruppe des Pisaner Bildes steht, macht
es wahrscheinlich, dass dem Maler des Trionfo im Hospital jener im
Camposanto nicht unbekannt gewesen sein mag. Von der Naivität des
ca. 100 Jahre früher entstandenen Pisaner Bildes ist nichts mehr zu
spüren; es ist ein stark rationalistischer, dabei nichtsdestoweniger phan-
tastischer Geist, der sich hier offenbart, verwandt jenem, aus welchem
die Todtentänze hervorgingen. Und auch die spätere Zeit bietet weder
auf dem italienischen Festlande noch auf der Insel ein einheimisches-
Werk, das in verwandtschaftliche Beziehung zu demselben gebracht
werden könnte. Wo anders ist diese Verwandtschaft zu suchen. Man
könnte für das Genreartige der Haltung der Gruppen links und in der
Mitte die Parallelen auch von den Toscanern holen; studirt man aber
die Typen selbst, besonders die der Frauen, so sieht man sich auf
italienischem Boden vergeblich nach Analogien um, wohl aber findet
man die verwandten Typen hiezu auf den Bildern flandrischer Meister
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. — Die Modellirung der Köpfe
zeigt ein so stark naturalistisches Element, ein solches Eingehen auf
Treue der Formen, selbst die Härte nicht scheuend; ein solches Ueber-
schätzen individueller Wahrheit gegenüber der Schönheit, wie es eben
charakteristisch ist für die nordische Kunst jener Zeit, wo das Trachten
und Ringen nach Lebenswahrheit nicht sein Regulativ fand an dem
Studium der Antike, wie es in Italien der Fall gewesen. Der häufigste
Frauentypus ist: Auffallend hohe starkgewölbte Stirn, individuell gebil-
dete Nase, schmale Lippen, kleinliches etwas zugespitztes Kinn, klug
schauende Augen — der ganze Typus stark in’s Breite gehend. Die
Frauen tragen prächtige Gewänder, wobei die phantastisch geblümten
und ornamentirten schweren Stoffe eine ausserordentlich sorgsame im
Ornament stark pastose Behandlung erfahren haben. — Einer völlig
anderen Formgebung und Behandlung begegnet man auf der rechten
Seite des Bildes. Hier treten uns in den Köpfen der Männer die Typen
der Mosaiken entgegen; Haupthaar und Bart sind drahtähnlich behan-
delt, die vorspringenden Stellen des Gesichtes zeigen aufgehöhte Lichter,
die Gewandung ist schwerfällig und ohne Lebenswahrheit. Die Farbe,
im Ganzen stumpfer, zeigt namentlich in den Fleischschatten das achai-
 
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