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Repertorium für Kunstwissenschaft — 9.1886

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Lehrs, Max: Ueber die Passion des Meisters E. S.
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https://doi.org/10.11588/diglit.66023#0183

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Ueber die Passion des Meisters E S.

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da sie sich in keiner Sammlung finden. Bartsch hat viele Folgen, von denen
er nur einzelne Blätter kannte, in dieser Weise vervollständigt. Ich erinnere
nur an die Passion des Monogrammisten W /$, H, von der offenbar auch nur
6 Blatt gestochen sind (vergl. Repert. f. K. IX. 13, 4—9.) oder die Apostel
vom Meister von denen man bis heute nur 4 (Petrus, Andreas,
Jacobus min. u. Bartholomaeus) kennt.
Was nun die Frage nach dem Stecher unserer Passion anlangt, so hat
Bartsch mit dem ihm eigenen feinen Stilgefühl in den Blättern die Hand des
Meisters E S erkannt und sie dessen Werk einverleibt. Frenzei, dem das
Dresdener Exemplar des II. retouchirten Zustandes vorlag, setzte sie in die
früheste Periode des Meisters. Passavant sprach sie ihm zuerst ab und sagt,
offenbar nach einer vor dem ausgedruckten Gothaer Exemplar genommenen
Notiz, sie seien fast nur contourirt und sehr fein in der Manier des Mono-
grammisten A G behandelt. Diese letztere Bemerkung kann sich natürlich nur
auf die technische Behandlung, aber nimmermehr auf die Zeichnung beziehen,
die viel alterthümlicher ist und mit A G garnichts gemein hat. Die stark
retouchirten Drucke in Dresden waren dem Frankfurter Ikonographen gleich-
falls bekannt. Renouvier schrieb die Passion in seinem Werke: »Des types et
des manieres des maitres-graveurs« dem E S zu, hielt aber später in der
»Histoire de l’origine et du progres de la gravure« die Eigenhändigkeit der Aus-
führung nicht für möglich.
Derselben Meinung war auch ich, so lange ich nur die Dresdener Drucke
kannte. Dieselben sind allerdings so roh und brutal retouchirt, dass von der
ursprünglichen Arbeit eigentlich nichts übrig geblieben ist. Die Contouren
sind grob und verständnisslos gezogen, die Gesichter in gräuliche Fratzen ver-
wandelt. Nur die Geisselung ist, wie es scheint, nicht retouchirt, und bei ihr
hat sich im Antlitz Christi jener eigenthümlich missvergnügte Zug erhalten,
der für den Meister E S so characteristisch ist. Als ich den vorzüglichen
Abdruck desselben Blattes in Berlin sah, war ich überzeugt, dass dies eine
Blatt vom Meister E S gestochen sein müsse, und die Autopsie der ganzen
Folge in Gotha entschied endlich die Frage, ohne dass ein Zweifel möglich
gewesen wäre, dahin, dass alle 12 Blätter vom Meister E S eigenhändig ge-
stochen seien und zwar, wie Frenzei richtig vermuthet, in seiner frühesten
Zeit. Das Gothaer Exemplar ist zwar vor der Retouche, aber von den völlig
erschöpften Platten gezogen, so dass wenig mehr als die Contouren übrig ge-
blieben sind. Es zeigt aber die Zeichnung des Künstlers in unverhüllter Rein-
heit und in allen Einzelheiten die characteristischen Züge seiner Manier.
Wir finden überall seine Typen und Stellungen, seinen Faltenwurf,
seine Blumen und Blattpflanzen, Stadtprospecte und Bergschlösser, die Throne
und Innenräume wie auf so vielen unbezweifelten Blättern seiner Hand.
Technik und Zeichnung entsprechen, wie gesagt, der Frühzeit des Meisters,
und die Passion wird nicht viel später als der h. Georg zu Fuss P. 171 ent-
standen sein. Mit diesem Stich bietet die Folge mancherlei Analogieen, z. B.
die Pflanzen und namentlich die Zeichnung der Bäume, welche Schwämmen
gleichen, die man auf Aeste gespiesst hat (vergl. Bl. 12.). In der Frau des
 
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